Essen. Sie wünschen ihnen, dass sie gesund bleiben, dass der Krieg bald endet: Ukrainische Kinder im Ruhrgebiet schreiben berührende Briefe an Soldaten.
Kinder aus der Ukraine, denen das Ruhrgebiet ein Zuhause auf Zeit bietet, haben jetzt Briefe an ukrainische Soldaten geschickt. Ihre liebevolle Post und die selbstgemalten Bilder gingen zusammen mit einigen Hundert Campingkochern und Tausenden Gasflaschen an die Front im Gebiet um Charkiw – damit sich die Soldaten im bitterkalten Winter Tee kochen können. Die Idee für die Aktion hatte das Essener Ehepaar Schiemann, das sich seit Kriegsbeginn für die Menschen in der Ukraine einsetzt.
Ohne Unterlass haben die beiden Spenden für das Heimatland von Liudmyla Schiemann gesammelt, Lebensmitteltransporte organisiert und sich um geflüchtete Ukrainer in Essen gekümmert. Seit einiger Zeit lebt die 14-jährige Darina bei der Familie: Ihre Eltern sind beim Militär und derzeit nahe Charkiw im Einsatz. „Darinas Mutter hatte um die Campingkocher gebeten“, sagt Thomas Schiemann, der sie gern kaufte und auf den Weg brachte. Seine Frau, die 18 ukrainische Kinder in Essen und Mülheim unterrichtet, schlug ihren Schülern vor, persönliche Briefe zu der Sendung zu schreiben.
Die Kinder und Jugendlichen nahmen das sehr ernst, wünschten den Soldaten, dass sie gesund bleiben, dass der Krieg bald vorbei sein wird – und dass die Ukraine gewinnt. „Sie nahmen das als Verbindung zu ihrer Heimat wahr, da sie alle dort Väter, Onkel und große Brüder haben“, sagen die Schiemanns. Manche Kinder vertrauten den Soldaten an, wie sehr sie ihre Heimat vermissen, andere legten 5-Euro-Scheine in die Kuverts. Liudmyla Schiemann sagt, dass sie beim Lesen mancher Briefe weinen musste – und wie sehr ihnen allen das Projekt am Herzen lag. Sie sind froh, dass ihre Weihnachtssendung schon in der Ukraine eingetroffen ist.
Essener plant zu Weihnachten Hilfstransport in die Ukraine
Nun sorgt sich Thomas Schiemann, der erst vor drei Wochen aus der Ukraine zurückgekehrt ist, um die Menschen in der Region um Cherson, die die ukrainische Armee unlängst zurückerobert hatte. Seine Gesprächspartner in der Hauptstadt Kiew hätten ihm geschildert, dass die Situation dort dramatisch sei: Bevor sie abzog, habe die russische Armee einen letzten Raubzug unternommen. „Jeder Supermarkt, jeder Kiosk, Tankstellen, Apotheken, sogar Krankenhäuser und Altenheime wurden komplett geplündert. Zurück blieb kein Krümel Brot, keinerlei Lebensmittel, keine Arznei, nicht mal Flaschen mit Trinkwasser.“ Hunderttausend Menschen stünden vor dem Nichts. „Man bat mich inständig, zu helfen.“
Schon mehr als drei Millionen Euro an Spenden gesammelt
Erfahrung mit der Organisation solcher Transporte hat der Essener Geschäftsmann in den vergangenen Monaten gesammelt: Mit Hilfe der Essener Caritas hat er etliche Lebensmittellieferungen in die Ukraine geschickt, darunter eine Großspende an Babynahrung von Aldi Nord. Insgesamt seien schon mehr als drei Millionen Euro in das Projekt geflossen. Er danke den Essenern und Essenerinnen für ihre Unterstützung. Auf der Weihnachtsfeier des Borbecker Mädchengymnasiums habe Direktorin Jutta Reimann um weitere Spenden für die Ukraine-Hilfe gebeten. Spenden, mit denen er nun den Menschen in Cherson helfen will.
Er wolle für Kindergärten, zwei Schulen und ein Altenheim Generatoren kaufen, Medikamente und medizinisches Gerät an die Krankenhäuser in der Region liefern und die Menschen mit Lebensmitteln versorgen. Und das möglichst schnell, „um ihnen vielleicht vor dem orthodoxen Weihnachtsfest am 6. Januar eine Freude zu machen“. Wie bisher werde die ukrainische Handelskette Silpo alle Transporte kostenlos durchführen. Die Regionalregierung in Cherson helfe, die Hilfsgüter gerecht zu verteilen.
Wille der Ukrainer sei ungebrochen
„Jeder gespendete Euro kommt bei den Menschen an“, betont Schiemann. Dank der Unterstützung durch die Caritas Essen gebe es praktisch keine Verwaltungskosten. „Wir unterstützen dieses Projekt ‘Lebensmittel für die Ukraine’ sehr gern, wir haben es ja schon um medizinische Hilfe ergänzt. Es gibt noch so viel zu tun“, sagt Caritas-Direktor Björn Enno Hermans.
Wie sehr sich die Lage im Land verschärft hat, hat Thomas Schiemann beim jüngsten Besuch erlebt, als nach Raketenangriffen die Stromversorgung gekappt war, alle Server ausfielen und die Sirenen ohne Pause heulten. Er habe nur noch zurückgewollt zur polnischen Grenze, die aber geschlossen war, als er dort eintraf. Eine bange, kalte Nacht habe er im Auto verbracht. Eine Nacht, wie sie viele Ukrainer seit Wochen durchstehen müssen.
Das Spendenkonto des Caritasverbandes
Wer Geld spenden möchte für die Initiative von Thomas Schiemann und Caritas Essen überweist seine Spende bitte auf das Konto des Caritasverbandes für die Stadt Essen: IBAN DE17 3606 0295 0000 0055 50. Stichwort „Lebensmittel Ukraine“. Oder über Paypal an spenden@caritas-e.de
Kontakt: ukrainehilfe@caritas-e.de
Schiemann, der ein Büro in Kiew hat, erfuhr von einer Mitarbeiterin, dass ihr Großvater in seiner Wohnung im 19. Stock gleichsam gefangen ist, weil die Aufzüge nicht mehr fahren. Bei Raketenangriffen könne sich der alte Mann nicht mal in die zum Bunker umfunktionierte Metrostation begeben, ebenso ergehe es der jungen Mutter mit zwei Kleinkindern. „Aber keiner will aufgeben oder weglaufen.“ Der Wille der Menschen sei ungebrochen.
Er setze nun noch einmal auf die Menschen in Essen: „Wir können hier einen kleinen Beitrag leisten, die Not der unschuldigen, so sehr leidenden Bevölkerung – der Alten, Kinder, Kranken und Bedürftigen – ein Stückchen zu lindern.“