Essen-Nordviertel. Das Café Zwingli im Essener Eltingviertel schließt noch in diesem Jahr. Darum ist das mehr als der Verlust einer Gastronomie.

Das Café Zwingli im Essener Eltingviertel wird am 16. Dezember das letzte Mal öffnen. Die Einrichtung war seit 2019 nicht nur Café und Restaurant, sondern auch Treffpunkt für das ganze Quartier. Kinder kamen hier nach der Schule vorbei und holten sich ein Bonbon, Nachbarn fragten nach Mehl und Eiern, bei Betreiberin Sakine Yaprak fanden alle Gäste ein offenes Ohr. Damit ist es in wenigen Wochen vorbei.

Personalmangel in Essener Gastronomie

Die Gründe dafür sind laut der 55-jährigen Essenerin vielfältig. Die Mutter von drei Kindern habe kaum noch Zeit für ihre Familie, außerdem habe sie die Arbeit im rund 100 Quadratmeter großen Café fast ganz alleine gestemmt, das bedeute letztendlich purer Stress. Qualifizierte Mitarbeiter zu finden sei kaum möglich. Wobei, alleine stimme nicht ganz, denn ihre Stammgäste würden oft helfen: „Sie fragen, ob sie die Blumen gießen und die Tische abräumen sollen.“

Sakine Yaprak hatte das Café Zwingli im Essener Eltingviertel 2019 übernommen.
Sakine Yaprak hatte das Café Zwingli im Essener Eltingviertel 2019 übernommen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Bau der Kita im Eltingviertel verschoben

Ursprünglich sollte an der Altenbergstraße im Nordviertel eine neue Kindertagesstätte gebaut werden. Gegen den Standort am Ostermannplatz hatten sich die Anwohner gewehrt. Vor wenigen Wochen hatte Vonovia-Regionalleiter Ralf Feuersenger gesagt, es gebe zwar noch keinen konkreten Zeitplan, die Dringlichkeit der Kita werde aber von allen gesehen.

Jetzt meldet Vonovia: „Wir müssen in Absprache mit der Stadt und dem zukünftigen Träger den Pausenknopf drücken.“ Zu rasant steigen Zinsen und Baukosten, die Unsicherheit am Immobilienmarkt wachse. Der Bau der Kita werde demnach verschoben.

Im Sommer war die 120 Quadratmeter große Terrasse meist ein einziges Blumenmeer. Yaprak servierte morgens ihre selbst gemachte Rühreipfanne. Dazu gab es Brötchen und Tee, Marmelade und etwas Salat, abends kochte sie ganze Menüs – „immer frisch“, wie die Essenerin betont, auch der Einkauf dafür muss jedoch erledigt werden – von ihr selbst. Wenn die Terrasse voll war, sei die Stimmung oft gut gewesen. Dann gehe ihr Herz auf. „Blau blüht der Enzian“ hätten im Sommer alle gemeinsam gesungen. Ihre Gäste seien wie eine große Familie.

Arbeitslosenquote im Nordviertel über dem Essener Durchschnitt

Doch zur Wahrheit gehört auch, dass die meisten, die im Eltingviertel leben, wenig Geld haben. Offizielle Zahlen zeigen, dass die Arbeitslosenquote im Nordviertel mit 13,5 Prozent (Angaben der Stadt von 2021) deutlich über dem Essener Durchschnitt von 9,7 Prozent liegt. Viele Nationen kommen hier zusammen. Die Menschen im Nordviertel sind nicht mit Reichtum gesegnet. Fakt ist, dass die Kinderarmut im Nordviertel, zu dem das Eltingviertel gehört, hoch ist. 75 Prozent der Eltern, die ihre Kinder zur Nordviertel-Grundschule schicken, sind Bezieher des Bildungs- und Teilhabepakets. Das sei für die Cafébesitzerin absolut irrelevant. Die Menschen würden ihr sehr am Herzen liegen – unabhängig von ihrer finanziellen Lage.

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Auch für Vonovia, der das Café gehört, ist die Schließung ein herber Verlust, schließlich hat die Wohnungsgesellschaft zuletzt viel Geld und Energie in die Modernisierung des gesamten Viertels gesteckt. Ziel war und ist es, trotz aller Herausforderungen, das Quartier mit und für die Anwohner ganzheitlich zu entwickeln. Dazu gehöre nicht nur die Modernisierung der Häuser und Wohnungen, sondern auch diverse kulturelle und soziale Veranstaltungen wie Hofgespräche, Lichterfest und Ausstellungen: „Wir sind nun dabei, neue Pächter zu finden. Bestenfalls mit einem Konzept, das mit dem Entwicklungs-Charakter des Viertels und mit den Bewohnern dort korrespondiert. Wir können uns da vieles vorstellen“, erklärt Vonovia-Sprecherin Bettina Benner. Betreiberin Sakine Yaprak wäre tatsächlich auch lieber geblieben: „Ich werde richtige Tränen vergießen, wenn der Tag gekommen ist.“