Essen. Noch ist die Zahl überschuldeter Essener so niedrig wie lange nicht. Allerdings erwarten Experten, dass die Überschuldungsfälle bald zunehmen.

Selbst Experten hatten damit nicht gerechnet: Die Zahl der überschuldeten Menschen ist in Essen in diesem Jahr deutlich gefallen. Insgesamt zählte die Wirtschaftsauskunftei Creditreform in ihrem jüngsten „Schuldneratlas“ rund 60.500 überschuldete Erwachsene in der Stadt und somit rund 2500 weniger als im Vorjahr. Die Schuldnerquote, also der Anteil der überschuldeten Personen, sank um 0,49 Prozentpunkte auf 12,45 Prozent. Das ist der niedrigste Wert seit mindestens zehn Jahren.

Ruhrgebietsweit ist der Rückgang in Essen der höchste aller Revierstädte gewesen. Allerdings: Im Vergleich aller deutschen Städte über 400.000 Einwohner hat Essen nach wie vor die zweithöchste Schuldnerquote bundesweit hinter Duisburg, das auf 15,87 Prozent kommt.

Überschuldung liegt den Experten zufolge vor, wenn der Schuldner die Summe seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen mit hoher Wahrscheinlichkeit über einen längeren Zeitraum nicht begleichen kann – oder kurz: die Gesamtausgaben die Einnahmen übertreffen.

Konsumverzicht während Corona half beim Schuldenabbau

Warum die Schuldnerquote in Essen vergleichsweise deutlich gesunken ist, dafür hat Philipp Böhme keine explizite Erklärung. Er ist Geschäftsführer von Creditreform in Bochum, die den Schuldneratlas für das Ruhrgebiet herausgibt. „Die Zahlen haben uns insgesamt überrascht“, sagte er. Böhme glaubt, dass sich noch immer der Konsumverzicht während der Corona-Lockdowns auswirkt. „Die Leute haben in dieser Zeit zwar viel online bestellt, aber offensichtlich unterm Strich immer noch weniger ausgegeben, als in Jahren mit Urlaubsreisen.“ Das gesparte Geld hätten einige wohl zur Schuldentilgung genutzt.

Allerdings rechnet die Wirtschaftsauskunftei angesichts der aktuellen Preisexplosionen bei Energie und Lebensmitteln schon bald mit einer spürbaren Verschlechterung der Situation. Noch seien die hohen Kosten für Strom und Gas noch gar nicht vollständig bei den Haushalten angekommen.

Böhme geht deshalb von einer Trendwende im kommenden Jahr aus. „Es werden wieder mehr Menschen in Not geraten“, glaubt er. Creditreform verweist darauf, dass der Anteil der Haushalte, die sich regelmäßig Geld zur Seite legen können, zuletzt deutlich gesunken ist. Dabei gerate zunehmend auch die Mitte der Gesellschaft unter Druck.

Schuldneratlas: Große Unterschiede im Essener Stadtgebiet

Bei den Firmeninsolvenzen erwartet Böhme ebenfalls einen Anstieg. Damit könnten mehr Menschen als zuletzt ihren Arbeitsplatz verlieren. Nach wie vor ist Arbeitslosigkeit einer der Hauptgründe dafür, warum Menschen in die Überschuldung rutschen. Auffällig jedoch: Vor allem der Faktor Krankheit ist unter den Gründen stark gestiegen. Für Böhme hat auch das mit der Corona-Pandemie zu tun: „Corona hat etwas mit den Menschen gemacht, wenn man auf die Entwicklung bei psychischen Erkrankungen blickt.“

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Viele und wenige Schuldner: Traditionell ist die Schere innerhalb des Essener Stadtgebietes sehr groß. Nach wie vor leben in Heisingen die wenigsten überschuldeten Menschen bezogen auf die Bevölkerung im Stadtteil. Mit 3,39 Prozent ist die Quote dort nach wie vor die niedrigste im gesamten Ruhrgebiet. Auf der anderen Seite weisen die Stadtgebiete Frillendorf, Altendorf und Stadtkern die höchsten in Essen aber auch im gesamten Revier auf, wie die folgende Aufzählung zeigt.

Beste Essener Postleitzahlen-Bezirke unter den Top 20 im Ruhrgebiet (in Klammern steht der Platz im Ruhrgebietsvergleich)

1. (1.) Heisingen 3,39 Prozent

2. (3.) Fulerum/Haarzopf 4,26

3. (4.) Stadtwald 4,44

4. (5.) Bredeney/Schuir 4,61

5. (8.) Burgaltendorf 5,05

6. (9.) Werden/Fischlaken/Heidhausen 5,22

7. (17.) Rüttenscheid 5,93

8. (20.) Huttrop/Bergerhausen 6,56

Schlechteste Essener Postleitzahlen-Bezirke unter den Top 20 im Ruhrgebiet

1. (186 von 191) Frillendorf 24,15 Prozent

2. (184) Altendorf 23,30

3. (180) Stadtkern 21,69

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