Essen-Werden. Das ist ein kleiner Schock: Die Ludgerus-Basilika in Essen-Werden wird über Weihnachten geschlossen sein. Warum die Bauarbeiten dringlich sind.
Auf der Anhöhe gegenüber der Werdener Altstadt trägt die St.-Ludgerus-Kirche im herbstlichen Sonnenlicht einen Strahlenkranz. Ein gewohnt imposanter Anblick, der nichts Schlimmes vermuten lässt. Doch das Innere des dreischiffigen Gotteshauses wirkt dieser Tage alles andere als strahlend, sondern ziemlich düster. Teile der elektrischen Beleuchtung mussten demontiert werden, mehrere Areale sind abgehängt: Der Grund sind Restaurierungsarbeiten im Chorgewölbe und in den Querhäusern. Diese Arbeiten sind so aufwendig, dass die Basilika in der Adventszeit bis in den Februar 2023 hinein geschlossen bleiben muss. Das klingt alarmierend.
Kirche gilt als Sinnbild symmetrische Kirchenarchitektur
Die Kirche wurde über dem Grab des Heiligen Liudger im Jahr 1256 erbaut. Sie gilt vielen als Sinnbild für symmetrische Kirchenarchitektur. Doch nicht nur die unvermeidlichen Witterungs- und Umwelteinflüsse haben dem historischen Gebäude im Laufe der Jahrhunderte zugesetzt, sondern menschliches Zutun hat ebenfalls Schäden hervorgerufen. Die Folge: Es gibt eklatante Risse, Putz rieselt massiv von der Decke.
Das, sagt Propst Jürgen Schmidt, sei bislang zwar unangenehm gewesen. Doch die Gefahr bestehe, dass sich während der Heiligen Messe bald größere Brocken statt kleiner Krümel auf Kopf und Schultern des Stadtdechanten verteilen: „Die Schäden im Chorgewölbe und in den Querhäusern sind weitaus größer als ursprünglich angenommen. Deshalb ist der Kirchenvorstand der Empfehlung der Fachleute und der zuständigen Vertreter der Bezirksregierung gefolgt und hat entschieden, dass der Kirchenraum geschlossen bleibt.“ Die Alternative wäre ein Abbau des riesigen Stahlgerüsts gewesen, gefolgt von dessen Wiederaufbau nach den Feiertagen. Doch das ist sehr aufwendig und kostenintensiv dazu.
Darum ist konsequentes Handeln im Kirchenraum geboten
Warum Eile und konsequentes Handeln geboten sind, das wird schnell klar, wenn man das Restauratorenteam bei seiner Arbeit sieht. In schwindelerregender Höhe von gut 20 Metern über dem Erdboden decken die Fachleute die Bausünden vor allem der 1950er Jahre auf. „Damals wurde Zement verwendet, um auftretende Risse zu verfüllen“, sagt Nikolai Hartmann, Geschäftsführer der Firma Lehmkuhl Restaurierungen. Doch das damals favorisierte Baumaterial reagiert mit den 800 Jahre alten Tuffsteinen aus der Vulkaneifel auf ungute Weise.
Arbeiten an der Gewölbedecke finden innen und außen statt
Je nach Temperatur und Feuchtigkeit „dehnt sich Tuff minimal aus oder zieht sich wieder zusammen“, erläutert Hartmann. „Der Zement ist dagegen starr und fest.“ Das führe zu Absprengungen des Materials. Und zu Beschädigungen an den Tuffsteinen, wie der Fachmann demonstriert: Mit der bloßen Hand holt er aus einem kapitalen Spalt im Gewölbe nur noch poröse Reste eines einst kompakten Bausteins heraus.
Hauptaufgabe sei deshalb, die rund 70 Jahre alten Zementreste aus den damaligen Restaurierungen herauszukratzen. Anschließend werde in der Gewölbedecke mit Kalk-Verbindungen wieder für Stabilität gesorgt. Dies sei übrigens eine moderne Variante jenes Materials, mit dem auch schon die gotischen Baumeister gearbeitet hätten. Gleichzeitig wird die Gewölbedecke auch von außen mit einer Schutzschicht überzogen. „Durch die Verwitterung über die vielen Jahrhunderte hat auch sie gelitten“, berichtet Hartmann.
Barock-Engel und Jesusfiguren werden einer Reinigung unterzogen
Während die Ausmalungen im Kirchenhimmel noch farblich frisch wirken, als wären sie gerade erst aufgetragen, haben die großen Figuren im Kirchenraum inzwischen ordentlich Schmutz und Staub angesetzt. Anlässlich der Sanierungsmaßnahme wurden die gut 250 Jahre alten Holzfiguren deshalb abgenommen und Restauratorin Sandra Meinholz übergeben. Auf der nördlichen Empore des Kirchenschiffs hat sie sich dafür mit ihrem Equipment eingerichtet. Die Figuren werden liegend verarztet, damit auch jede Falte im Gewand mit Wattestäbchen und Pinseln behandelt werden kann.
Die Expertin reinigt auf diese Weise verschiedene Barock-Engel und auch Josef mit dem Jesuskind, das eigentlich ziemlich groß wirkt. Propst Jürgen Schmidt schmunzelt und sagt: „Alles eine Frage der Perspektive“. An ihrem Platz oben am Seitenaltar sehe die Figur durchaus stimmig aus.
Besichtigung der Basilika-Baustelle
Ein Bild über die laufenden Arbeiten in der Basilika St. Ludgerus können sich interessierte Bürgerinnen und Bürger am Samstag, 26. November, machen, teilt die Pfarrei St. Ludgerus mit.
Jeweils um 11, 12 und 13 Uhr wird es an diesem Tag eine begleitete Führung durch die Baustelle geben.
Es werde dabei auch möglich sein, auf der Empore die Restaurierungsarbeiten an verschiedenen Skulpturen zu beobachten. Auf das 18 Meter hohe Gerüst dürfen die Besucher aus Sicherheitsgründen jedoch nicht, so die Bauleitung.
Die Planung der Gottesdienste an den Weihnachtsfeiertagen läuft bereits, erklärt Propst Jürgen Schmidt. Sie werden in der Luciuskirche stattfinden. Die Basilika wird voraussichtlich Ende Februar 2023 wieder geöffnet.
Die Kosten für das Patronatsgebäude trägt das Land NRW
Diese zusätzliche Restaurierungsmaßnahme ist im Budget enthalten, das von der Bezirksregierung Düsseldorf zur Verfügung gestellt wird: Es sind derzeit rund 200.000 Euro reine Bau- und weitere 20 Prozent an Baunebenkosten eingeplant. Mit der Option, dass es mehr werden kann. „Wenn man an ein solches Projekt herangeht, weiß man vorher nie, was einen erwartet“, sagt Martin Anders. Er vertritt das Land Nordrhein-Westfalen, das gemeinsam mit der Propsteipfarrei Eigentümerin der Kirche ist. Die Baulast des sogenannten Patronatsgebäudes trägt dabei allerdings komplett das Land, das heißt, es zahlt die Arbeiten zum Unterhalt der Kirche.
Die Pfarrei sei „ausgesprochen dankbar für die gute Kooperation mit der Bezirks- und der Landesregierung“, resümiert Propst Schmidt – nicht nur bei der aktuellen Restaurierung, sondern auch in den vergangenen Jahren. Vor allem wegen des großen baulichen Aufwands habe man sich im Kirchenvorstand dafür entschieden, die Arbeiten nicht für die Weihnachtszeit zu unterbrechen, als feststand, dass diese nun deutlich länger dauern. Stattdessen feiert die Gemeinde ihre Gottesdienste nun in der St.-Lucius-Kirche auf der anderen Seite der Werdener Altstadt.