Essen. Einzigartige Begegnung im Essener Domschatz: Expressionistische Werke von Nolde, Beckmann und Rohlfs treffen auf mittelalterliche Schatzkunst.
„Gold vor Schwarz“ hieß es vor knapp 15 Jahren, als der Essener Domschatz den angestammten Platz in der Schatzkammer neben der alten Münsterkirche erstmals verließ, um im Ruhr Museum auf Zollverein vor den rußgeschwärzten Wänden der früheren Kohlenwäsche noch einmal ganz neu zu faszinieren. Nun erlebt Essener kostbarer Kirchenschatz eine weitere Premiere: Zwischen Vortragekreuz und Lilienkrone, den über 1000 Jahre alten liturgischen Kunstwerken aus der Hochzeit des Essener Frauenstifts, mischen sich zum ersten Mal Kunstwerke des 20. Jahrhunderts: Gemälde und Grafiken von Max Beckmann, Christian Rohlfs, Alexej von Jawlensky, Karl Schmidt-Rottluff und Werner Scholz. Der Titel der Ausstellung ist dabei Programm. „Kontraste“.
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Dass die Kunst der Expressionisten nun in die Domschatzkammer zieht, hat einen besonderen Grund. Gefeiert werden damit zwei besondere Jubiläen – der 100. Geburtstag des Museum Folkwang, das gerade mit einer großen Expressionisten-Schau die bewegte Sammlungs-Geschichte feiert, und das 75-jährige Bestehen des Essener Münsterbauvereins, der nach dem Zweiten Weltkrieg als überkonfessionelle Bürgerinitiative entstand und den Wiederaufbau des im Krieg stark beschädigten Münsters, der heutigen Domkirche, engagiert voran getrieben hat. Mehrere Millionen sind seither in den Erhalt von Dom und Domschatz geflossen.
Auch in der aktuellen Ausstellung markiert der Kontrast von Farben wieder die Einzigartigkeit der Präsentation. Über die weinrot gestrichenen Wände der Domschatzkammer legen sich nun ultramarinblaue Bahnen, die die Werke der Expressionisten herausheben. „Wir bringen mittelalterliche und moderne Kunst in Spannung zueinander “, sagt Andrea Wegener, Leiterin der Domschatzkammer. Denn so unterschiedlich auch die Gattungen und Entstehungszeiten, die künstlerische Herangehensweisen und Schaffensmotivationen der Werke sind – ein Thema verbindet sie: die Beschäftigung mit Religion und Glaube.
14 Leihgaben kommen aus Museen und privaten Sammlungen
Die herausragenden Arbeiten frühmittelalterlicher Goldschmiedekunst treffen so auf Ikonen des Expressionismus. 14 Leihgaben aus Museen und privaten Sammlungen sind zu sehen, von Max Beckmanns „Kreuzabnahme“ (1918) bis zu Karl Schmidt-Rottluffs „Gang nach Emmaus“ (1918). Das Museum Folkwang hat Alexej von Jawlenskys „Abstrakten Kopf“ aus dem Jahre 1925 ausgeliehen und Christian Rohlfs „Ecco Homo“. Ebenfalls von Rohlfs stammt das Gemälde „Klagelieder Jeremiae“ von 1924, das als Leihgabe der Sparkasse Essen in den Domschatz gekommen ist.
Infos zur Ausstellung
Die Ausstellung „Kontraste“ ist bis zum 19. Februar 2023 im Essener Domschatz zu sehen.
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag: 11 bis 17 Uhr, an jedem dritten Freitag im Monat bleibt die Ausstellung bis 21 Uhr geöffnet.
Eintritt 5/erm. 4 Euro / Kinder bis 18 Jahren frei
Das 180 Seiten starke Begleitbuch ist für 8,95 Euro im Museumsshop des Essener Domschatzes erhältlich.
Anlässlich des Jubiläums des Münsterbauvereins ist im Klartext Verlag außerdem das Buch „Geschaffen für die Ewigkeit“ erschienen. 19,95 Euro, ISBN 978-3-8375-2527-4
Auch Emil Noldes wohl bekannteste Druckgrafik „Prophet“ ist in der Ausstellung zu sehen. Nolde verband zeitweilig eine enge Freundschaft mit dem Maler Werner Scholz, der in Essen gleich mit einem halben Dutzend Arbeiten vertreten ist. Die Verbindung der beiden Künstler zerbrach in den 1930er Jahren über politische Fragen. Noldes Nähe zum Nationalsozialismus wurde erst in den vergangenen Jahren stärker thematisiert und soll auch innerhalb der Ausstellung nicht ausgeklammert werden. Die Frage, wie sich Künstler mit den Schrecken von Krieg und Verfolgung und den existenziellen Nöten ihrer Zeit auseinandergesetzt haben, sei auch ein „roter Faden“ der Führungen“, sagt Rainer Teuber, Leiter der Museumspädagogik. Vor allem auch Schulklassen sollen den Weg in den Domschatz finden.
„Wir glauben, dass diese Präsentation ein ganz neues Besuchserlebnis in unserem Domschatz ermöglicht“, sagt Leiterin Andrea Wegener. Ein Novum ist auch die digitale Begleitung. Mit Hilfe einer App können verschiedene Stationen der Ausstellung am Handy abrufen. Ein umfangreiches Begleitbuch gibt außerdem Auskunft über Leben und Werk der beteiligten Künstler, entfaltet aber einmal mehr die Pracht dieses einmaligen Essener Kirchenschatzes mit seinen goldenen Reliquienbehältnissen, Kreuzen, Monstranzen und Kelchen, die einst zur Ausstattung der Stiftskirche gehörten.