Essen-Werden. Rainer Teuber ist bekannt durch die Initiative #OutInChurch. Im katholischen Mariengymnasium in Essen stellt er sich den Fragen von Schülern.

Rainer Teuber ist Leiter der Abteilung Museumspädagogik und Besucherservice des Domschatzes Essen: „Und ich bin schwul.“ Der das so selbstbewusst sagt, ist seit 1996 in Kirchendiensten und seit 2004 mit seinem Mann Karl-Heinz verpartnert: „Wir würden auch kirchlich heiraten.“ So richtig geoutet hat er sich im Bistum aber erst 2020. Damit endete eine lange Zeit der Angst und des Versteckspiels. Durch die Initiative #OutInChurch und die ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ ist er auch über Essen hinaus bekannt geworden. Nun spricht er mit den Abiturienten des Werdener Mariengymnasiums. Was möchten die Schüler wissen?

Schüler haben viele Fragen an den Domschatz-Mitarbeiter

Die Thematik queerer Mitarbeiter der katholischen Kirche schlug auch im katholischen Mariengymnasium ein wie eine Bombe. Gut einen Monat später steht Rainer Teuber der Jahrgangsstufe 12 Rede und Antwort.
Die Thematik queerer Mitarbeiter der katholischen Kirche schlug auch im katholischen Mariengymnasium ein wie eine Bombe. Gut einen Monat später steht Rainer Teuber der Jahrgangsstufe 12 Rede und Antwort. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

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Sowi-Lehrer Maik Tapken begrüßt im Forum der Schule. Am Tag nach der Ausstrahlung der Doku sei nicht nur in seinem Sozialwissenschaftskurs heiß diskutiert worden. Die Thematik queerer Mitarbeiter der katholischen Kirche schlug auch im katholischen Gymnasium ein wie eine Bombe. Gut einen Monat später steht Teuber Rede und Antwort. Maik Tapken erklärt, das Interesse der Schüler sei derart groß, dass es nun eine Veranstaltung für die gesamte Jahrgangsstufe der Q2 geworden sei.

Es moderiert der 17-jährige Jonas Niemczyk. Er hat bereits einen Fragenkatalog seiner Mitschüler vorliegen, eine offene Fragerunde wird sich anschließen. Rainer Teuber steckt die Grenzen ab. Er bitte um das vertraulichere Du, um diesem so intimen Thema gerecht zu werden: „Jede Frage ist erlaubt.“ Es dürfe aber nicht sein, dass es auf dem Schulhof zu Hänseleien der Fragenden komme. Doch er habe den Eindruck, das hier am Mariengymnasium eine offene Atmosphäre herrsche.

Plötzlich war er die schwule Galionsfigur des Bistums

Rainer Teuber steht lieber, gestikuliert, geht intensiv auf die Fragen des Publikums ein. Das tut sich teils echt schwer, eine Schülerin druckst herum. Er sei ja wohl kaum von Hassbotschaften verschont geblieben, ob er es da mit der Angst bekomme? Teuber wird ernst: „Mich erreichen schlimme Mails. Unterste Schublade. Aber viel mehr positive Rückmeldungen, sehr liebe Worte der Solidarität.“ Darüber hinaus seien Karl-Heinz und er es durchaus gewohnt, abends unterwegs zu sein, etwa in der Düsseldorfer Altstadt, und ihnen werde „schwule Säue“ hinterhergebrüllt: „Das ist Gewalt. Worte sind Taten.“

Das Auditorium des Mariengymnasiums: Moderiert wurde die Veranstaltung von Jonas Niemczyk (17), der einen Fragenkatalog seiner Mitschüler an die Hand bekam. Danach schloss sich eine offene Fragerunde an.
Das Auditorium des Mariengymnasiums: Moderiert wurde die Veranstaltung von Jonas Niemczyk (17), der einen Fragenkatalog seiner Mitschüler an die Hand bekam. Danach schloss sich eine offene Fragerunde an. © Bistum Essen | Nicole Cronauge

Wie kam es zum Outing? Da gerät Teuber in Rage. Bei einer Infoveranstaltung des Bistums zum Umgang mit Missbrauchsfällen seien wieder einmal Homosexualität und Pädophilie in einen Topf geschmissen worden: „Unerträglich, wie da Dinge vermischt wurden. Da ist mir der Kragen geplatzt.“ Negative Folgen blieben aus, im Gegenteil. Plötzlich war er die schwule Galionsfigur des Bistums.

Petition für die Bischofskonferenz hat 113.000 Unterschriften

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Fühlt er sich da nicht als Teil eines Greenwashings? Eher nicht. Er arbeite gerne für die Kirche, habe vom lieben Gott die Gabe mitbekommen, offen auf Menschen zugehen zu können. Aber es sei schon eine ganz andere Nummer, wenn man ein Millionenpublikum in sein Wohnzimmer gucken lasse. Er sei sich des Medienechos bewusst, persönliche Eitelkeit sei ihm aber fremd, es gehe ihm da nur um die Sache.

Ein Schüler möchte wissen: „Wäre es nicht nur konsequent, der Kirche den Rücken zu kehren?“ Teuber wägt seine Worte. Viele Freunde hätten sich so entschieden. Aber er bleibe: „Wir sind Teil dieser Kirche. Das Christentum hat eine frohe Botschaft, die es lohnt, verkündet zu werden. Ich lasse mir mein Katholisch-Sein nicht absprechen.“ Aber er sei sehr gespannt, ob und wann ein schwuler Priester einen Mann heiraten könne. Demnächst wird er der Bischofskonferenz 113.000 Unterschriften einer Petition überreichen und sagt: „Wir erwarten eine Entschuldigung.“

Zu seiner Schulzeit war das Wort „schwul“ schon undenkbar

Den Schülern, den Lehrern, der Schulleitung dagegen danke er für die Einladung. Zu seiner Schulzeit, er ist Jahrgang 1968, sei es undenkbar gewesen, überhaupt das Wort auszusprechen: „Schwul.“ Hier und heute spüre er, dass er unheimlich viel Energie sauge aus solchen intensiven Gesprächen mit Schülern: „Alleine für einen Nachmittag wie diesen lohnt es sich, in der Kirche zu bleiben.“ Stille im Saal. Rainer Teuber erschrickt über sich selbst: „Oh Gott, jetzt fange ich schon an zu predigen…“

>>> Der Skandal bei Anne Will

Auch Schulleiterin Dr. Christiane Schmidt griff zum Mikrofon: „Als Bischof Franz-Josef Overbeck sich im April 2010 in der Sendung von Anne Will sehr abschätzig über homosexuelle Menschen äußerte, als er von schwerer Sünde sprach, wie fühlten Sie sich da?“ Rainer Teuber sei geschockt gewesen damals. Erst im Nachgang sei ihm das versteinerte Gesicht von Anne Will aufgefallen, einer bekanntermaßen lesbischen Frau. Doch nach diesen verletzenden Äußerungen habe Overbeck wirklich dazugelernt: „Er hat die volle Breitseite der Emotionen abbekommen. Aber er hat einen echten Lernprozess durchlaufen, ein ehrliches Umdenken.“