Essen. Ein neues Gastronomiekonzept attestiert der Essener City Potenzial, benennt aber auch die Probleme. Das will die Stadt daraus machen.

Die Essen Marketing Gesellschaft (EMG) hat ein „Gastronomie-Konzept“ für die Innenstadt vorgelegt. Erstellt wurde es von der Progacon Fun Concept GmbH, einem „auf schwierige Lagen“ spezialisierten Projektentwickler, wie es anlässlich des Startschusses im Frühjahr 2021 hieß. Das Ziel: Kneipen und Restaurants sollen die Innenstadt beleben, denn den Nimbus als „Einkaufsstadt des Ruhrgebiets“ hat Essen längst eingebüßt.

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Der Ansatz ist nicht neu. Ältere Jahrgänge werden sich erinnern: Schon um die Jahrtausendwende sollte aus der nördlichen Innenstadt eine Kneipenmeile werden. Daraus geworden ist wenig bis nichts, abgesehen von punktuellen Ansätzen ist die nördliche Innenstadt eine Problemzone geblieben. Nun geht es um die gesamte City. Und die Aufgabe ist nicht leichter geworden, wie die Befragung von Gastronomen durch Progacon zeigt.

Gastronomen beklagen mangelnde Aufenthaltsqualität und fehlende Sicherheit

Zentrales Problem der Innenstadt sei ihr Image. Mieten und Investitionen seien zu hoch, die Aussicht auf einträgliche Umsätze am Abend gering. Denn dann sei die Innenstadt leer. Es fehlten attraktive Angebote und es mangele an Aufenthaltsqualität. Die Rede ist von „fehlender Sicherheit durch Kriminalität, Gewalt, Männergruppen, Migrationssituation und Bettler“. So steht es im Abschlussbericht der Projektentwickler zu lesen. Es sei an der Stadt, die Rahmenbedingungen zu verbessern, damit der nötige Imagewandel gelingen kann.

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Potenzial für die Ansiedlung von Gastronomiebetrieben gebe es sehr wohl, nur werde das nicht ausgeschöpft. Das gelte allen voran für den Willy-Brandt-Platz als zentraler Ort und Eingangstor zur Innenstadt. Attraktive Bedingungen böten auch der Hirschlandplatz und der Platz vor dem Grillotheater. Viehofer Straße und Flachsmarkt böten sich an für innovative und kreative Konzepte, die ein jüngeres Publikum ansprechen.

Am Kennedyplatz hat sich Gastronomie angesiedelt – ganz ohne Konzept

Wer mit offenen Augen durch die Innenstadt spaziert, wäre womöglich zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Viel Neues stehe ja nicht drin im Gastrokonzept merkte auch Christoph Kerscht in der jüngsten Sitzung des Planungsausschusses an. Der planungspolitische Sprecher der Grünen erinnerte daran, dass sich in der Innenstadt in zentraler Lage sehr wohl Cafés und Lokale angesiedelt haben. „Ich kann mich nicht erinnern, dass wir für den Kennedyplatz jemals ein Gastronomiekonzept hatten. Trotzdem hat sich dort in den letzten 20 Jahren etwas entwickelt.“

Kerscht führt dies auf die Verkehrsberuhigung des Platzes zurück. Auch vor dem Grillotheater möchte die Stadt den Verkehr verbannen, die Umfahrung soll im kommenden Jahr versuchsweise gesperrt werden, wie es alle Jahre wieder während des Weihnachtsmarktes bereits praktiziert wird. Dass eine Verkehrsberuhigung kein alleiniges Allheilmittel ist, zeigt beispielsweise die Viehofer Straße. Sie ist seit Jahrzehnten Fußgängerzone, ohne dass dort eine stabile Entwicklung zu beobachten ist.

Hohe Investitionen sind laut EMG ein Hemmschuh für Gastronomen

Um Gastronomen für die Innenstadt zu begeistern, bedarf es mehr. In der nördlichen Innenstadt will die EMG das Gespräch mit Immobilienbesitzern suchen und dafür werben, „etwas mutiger zu sein“, wie es Svenja Krämer im Planungsausschuss formulierte. Man darf Essens „City-Managerin“ dabei viel Glück wünschen, schon die rührige Interessengemeinschaft Nördliche Innenstadt arbeitete sich vor Jahren erfolglos an anonymen Immobilienfonds und komplizierten Eigentumsverhältnissen ab.

Laut EMG sind es nicht immer zu hohe Renditeerwartungen der Vermieter, die sich als Hemmschuh erweisen. Ein größeres Hindernis seien die hohen Investitionen, die häufig erforderlich seien, um Immobilien für den gewünschten Zweck umzubauen, so Svenja Krämer. Banken seien gerade seit der Corona-Zeit zurückhaltend bei der Vergabe von Krediten. Ein Koch, der sich mit einem eigenen Restaurant selbstständig machen wolle, habe es da schwer.

Dass sich in der Innenstadt individuelle, inhabergeführte Gastronomiebetriebe ansiedeln könnten, die sich durch eine eigene Note von uniformen Gastroketten absetzen, scheint auch aus Sicht von Essens Marketinggesellschaft eher unwahrscheinlich. Mehr Erfolg verspricht man sich von Kontakten zu Brauereien und besagten Ketten, welche die EMG nun mit Hilfe von Progacon knüpfen will.