Essen-Karnap. Demografischer Wandel und Mitgliederschwund: In Essen muss eine Kirche entweiht werden. Gottesdienste sollen aber weiter stattfinden.
Die Kirche an der Hattramstraße in Essen-Karnap muss samt Gemeindezentrum verkauft werden. Die Räume für den Gottesdienst und die Gemeindearbeit sollen aber für die Kirchengemeinde nutzbar bleiben. Das wurde Mitte Oktober in einer Gemeindeversammlung beschlossen.
Sinkende Mitgliederzahl bei Essener Gemeinde führen zu finanziellen Einbußen
Der Vorsitzende des Presbyteriums, Pfarrer Dirk Matuschek, erklärte, dass der demografische Wandel, die allgemeine Wirtschaftslage und insbesondere der stetige Mitgliederschwund die Gemeindeleitung seit Jahren vor vielfältige Herausforderungen stellen. Im Jahr 2009 fusionierten die drei Gemeinden (Altenessen-Süd, Altenessen-Nord und Karnap) zu einer Gemeinde „Altenessen-Karnap“. Die Anzahl der Gemeindeglieder zum Fusionszeitpunkt betrug 13.294 und sank bis 2021 auf 9.333 Mitglieder.
Matuschek: „Auch wenn der Glaube Berge versetzen mag, ist es dem Menschen nicht möglich, auf Dauer über seine Verhältnisse zu leben.“ Um die Arbeit für die Menschen im Stadtteil möglichst umfangreich fortsetzen zu können, seien deutliche Veränderungen nicht zu vermeiden. Die sinkenden Mitgliederzahlen führen nicht nur zu finanziellen Einbußen, sondern hätten auch weitere Auswirkungen auf das Gemeindeleben. Die Zahl der Pfarrstellen hat sich in der Gemeinde seit 2009 fast halbiert. „Es ist abzusehen, dass bei weiter sinkenden Mitgliederzahlen die Ende dieses Jahrzehnts durch Pensionierungen freiwerdenden Stellen nicht alle wiederbesetzt werden können“, erklärte der 41-Jährige. Das werde sich auf die Gemeindearbeit auswirken.
Gebäudebestand der Gemeinde in Essen-Karnap nicht mehr wirtschaftlich
Auch der Gebäudebestand werde für die Bedürfnisse der schrumpfenden Gemeinde zu groß und sei in der bisherigen Form nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Nachdem in der Vergangenheit bereits das Gemeindehaus an der Alten Kirche aufgegeben und durch den 2017 eingeweihten kleineren Neubau am Mallinckrodtplatz ersetzt wurde, musste nun eine Lösung für den Gebäudebestand in Karnap gefunden werden.
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Das 1898 errichtete Kirchengebäude bedürfte nach dem Urteil der Fachleute einer grundlegenden Instandsetzung, deren Kosten die Gemeinde nicht stemmen könne. Das Gemeindezentrum an der Hattramstraße sei trotz der Außerbetriebnahme mehrerer Gebäudeteile aufgrund der laufenden Kosten und notwendiger Instandsetzungen nicht mehr zu halten. Der Gemeindeleitung sei es immer wichtig gewesen, dass ein Rückzug der Gemeinde aus dem Stadtteil keine Option ist, sondern eine nachhaltige Alternative zur jetzigen Gebäudesituation gefunden werden muss.
Gemeinde soll Kirche in Essen-Karnap weiter nutzen können
Matuschek: „In Abstimmung mit dem Kirchenkreis Essen wurde deshalb nach mehrjähriger Diskussion und Prüfung zahlreicher Möglichkeiten ein Modell entwickelt, in dem das den Stadtteil mit prägende Kirchengebäude möglichst erhalten wird.“ Dazu soll das Grundstück einschließlich des Kirchengebäudes in Erbpacht an einen finanzstarken Partner übergeben werden, der jetzt gefunden werden müsse. Die Gemeinde würde dann möglichst die Kirche oder adäquate Räume für Gottesdienste und die Gemeindearbeit weiter nutzen können. Der Pfarrer macht allerdings deutlich, dass die Kirche dann nicht mehr der Gemeinde gehört und der Standort neu entwickelt werden wird. Was das genau bedeutet sei bisher noch völlig unklar, der Prozess werde auch länger als ein Jahr dauern.
Kirchengemeinde entstand aus einer Fusion
Die Evangelische Kirchengemeinde Altenessen-Karnap entstand im Juni 2009 aus einer Fusion der drei Gemeinden Altenessen-Nord, Altenessen-Süd und Karnap. Sie verfügt über drei Gemeindezentren und Predigtstätten: Die Alte Kirche mit dem neuen Gemeindezentrum am Mallinckrodtplatz, das Paul-Humburg-Gemeindehaus in der Hövelstraße und die Kirche in Karnap mit Gemeindezentrum in der Hattramstraße.
Das Presbyterium ist das Leitungsgremium der Kirchengemeinde. Ihm gehören neben den Pfarrerinnen und Pfarrern von der Gemeinde gewählte Ehrenamtliche an.
Um diese Lösung umzusetzen, ist es kirchenrechtlich erforderlich, das Kirchengebäude im Juni 2023 formal zu entwidmen. Um diesen Weg gehen zu können, hat das Presbyterium nun den Beschluss gefasst, das Gemeindezentrum in Karnap aufzugeben und die Kirche zu entwidmen. „Die Gemeinde soll in einem Gottesdienst die Gelegenheit erhalten, von dem Gewohnten Abschied zu nehmen und den Mut fassen, trotz dieser Veränderungen hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken“, so Pfarrer Matuschek der weiß, dass einige Gemeindemitglieder einen lebensgeschichtlichen Bezug zur Kirche haben: „Man redet nicht über Steine, sondern über Räume, wo Menschen ihren Glauben gefeiert haben.“
Die Vorbereitungen zur Entwidmung sollen im Frühjahr beginnen und zusammen mit den Gemeindemitgliedern erfolgen. „Wir müssen uns verkleinern und gleichzeitig zukunftsfähig werden.“ Dazu gehöre es auch, die Lebenswirklichkeit der Menschen zu verbessern. „Wir können nicht nur predigen, wir müssen vor Ort etwas tun, sonst verlieren die Menschen den Bezug zur Kirche“, sagt Matuschek. Er hofft, durch Angebote wie Kindertageseinrichtungen, den Fahrdienst zum Impfzentrum im vergangenen Jahr und den Gabenzaun die Menschen zu erreichen.