Essen-Holsterhausen. Am 22. Oktober öffnet das Museum „Stockfinster“ in Essen-Holsterhausen. Das erwartet Besucher beim Dunkelparcours, der einzigartig in NRW ist.

Im „Stockfinster“ an der Münchener Straße 65 werden ganz alltäglichen Dinge zum Abenteuer, denn die Besucher sehen nichts. In vollkommener Dunkelheit können Sehende nachempfinden, welche großen Herausforderungen der Alltag für Blinde und Sehbehinderte darstellt. Zum Auftakt führen Marek Durkowski und Jan-Patrick Wilhelm kleine Gruppen durch das Dunkelmuseum. Auch Drittklässler der Krayer Joachimschule testen den Dunkelparcours.

Ganz konsequent spielen Menschen mit Handicap hier die zentrale Rolle. Die Guides sind blind oder stark sehbehindert und führen die mit Langstöcken ausgestatteten Gäste durch absolut dunkel gehaltene Räume. Emphatisch und mit viel Humor helfen sie den nur nicht mehr Sehenden durch die Finsternis.

Dunkelrestaurant nahm 2007 den Betrieb auf

Thorsten Haneke hatte 2007 gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau das Dunkelrestaurant Finster in der Steinhausenstraße eröffnet. Dort konnte er umfangreiche Erfahrungen mit einem Inklusionsbetrieb und den Umgang mit blinden oder stark sehbehinderten Mitarbeitenden sammeln. Inzwischen führt seine Frau das Restaurant allein weiter und der 54-Jährige erweitert sein Spektrum. Mit seinem „Stockfinster“ möchte er Vorurteile und Barrieren in den Köpfen der Menschen abbauen. Er werbe für mehr Inklusion und Empathie für blinde Menschen.

Mit Blindenstöcken ausgerüstet gehen die Schüler in den Dunkelparcours.
Mit Blindenstöcken ausgerüstet gehen die Schüler in den Dunkelparcours. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Doch allzu trocken soll es im „Stockfinster“ nicht zugehen. Zum Pre-Opening am Freitag hat Haneke sich besondere Gäste eingeladen: von der Gladbecker Ingeborg-Drewitz Inklusions-Gesamtschule sind 16- bis 18-jährige Schüler erschienen, in Begleitung von Lehrkräften und Schulleitung. Die allerersten Besucher sind blutjung. Klassenlehrer Konstantin Konrad hat fünf Drittklässler mitgebracht: „Ich hatte den Kindern für die Herbstferien Aufgaben gestellt und die fünf Fleißigsten durften heute mitkommen. Die Kinder sind schon sehr aufgeregt und neugierig.“ Die Joachimschule lege großen Wert auf inklusive Arbeit: „Unsere Schüler gehen vom ersten Schuljahr an sehr empathisch um mit dem Thema.“

Das Braille-Alphabet ist eines der Exponate des inklusiven Museums.
Das Braille-Alphabet ist eines der Exponate des inklusiven Museums. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Eine typische Verkehrssituation nachempfinden

Im ersten Raum ist es noch ein wenig schummrig und Jan-Patrick Wilhelm erklärt die Regeln. Auch dürfen alle ausprobieren, wie man durch Schwingen des Langstocks über den Boden das Terrain erkundet. Dann wird es finster. Gegenstände sind zu erspüren, Buchstaben an der Wand zu ertasten. „Welches Wort ergibt das?“ Ein Bild malen ist im Finstern eine Herausforderung, ein paar Würfe auf den Basketballkorb sorgen für den Spaßfaktor. Eine typische Verkehrssituation wurde nachempfunden und ein einfacher Gang über eine Kreuzung wird als Nicht-Sehender zum Abenteuer. Es gibt auch ein Ruhrgebiets-Zimmer, in dem die Bergbau-Vergangenheit der Region fühlbar wird.

Inhaber Thorsten Haneke setzt mit seinem Museum „Stockfinster“ auf Erlebnispädagogik.
Inhaber Thorsten Haneke setzt mit seinem Museum „Stockfinster“ auf Erlebnispädagogik. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Am Ende des einstündigen Rundgangs führt Jan-Patrick Wilhelm die Gruppe ins Dunkelcafé. Der 28-Jährige ist auf dem linken Auge blind, das rechte Auge hat noch zwei Prozent Sehkraft. Der Guide hat die Ruhe weg, bekommt die vor lauter Aufregung recht lautstarken Kinder immer wieder runter: „Manche sind halt lauter. Da lasse ich mich nicht irritieren.“ Dann entlässt er seine Gruppe ins Helle. Seine „Schützlinge“ konnten ihm im wahrsten Sinn „blind“ vertrauen.

Ein bisschen Angst hatten alle Schüler irgendwie

Nach einer kleinen Stärkung sind die Drittklässler durchaus auskunftsfreudig. Zlata hat alles sehr gut gefallen: „Aber es war auch ein bisschen beängstigend.“ Das fand Henock nun nicht: „Ich fand’s cool, dass es wirklich völlig dunkel war. Im Raum mit der Straße und der Ampel hat man gemerkt, wie schwer das für Blinde ist.“ Mina ist begeistert: „Als wir kurz vorm Ausgang waren, dachte ich, ich hätte meine Gruppe verloren. Da war ich ganz kurz ängstlich. Aber ich habe sie schnell wiedergefunden.“

Führungen für Kleingruppen

Das Angebot des Museums richtet sich an Schulen, Firmen und natürlich interessierte Einzelpersonen. Eine Führung dauert etwa 60 Minuten. Jeder Raum hat einen direkten „Notausgang“ ins Helle.

Das Museum „Stockfinster - Lichtlose Interaktion“ an der Münchener Straße 65 in Holsterhausen öffnet mittwochs bis sonntags von 10 bis 19 Uhr, die letzte Führung des Tages startet jeweils um 18 Uhr. Die Tickets kosten 16,50 Euro und ermäßigt 13,50 Euro, für Kinder 11,50 Euro.

Reservierungen sollen unter oder 0201 79 88 55 58 erfolgen. Weitere Infos sind auf www.stockfinster.de zu erhalten.

Bartek war erstaunt, dass er wirklich nichts sehen konnte: „Das fand ich klasse. Ein bisschen Angst habe ich aber schon gehabt. Gut gefallen hat mir, wo wir Gegenstände abtasten konnten. Dann habe ich mich aber doch gefreut, als es wieder hell wurde.“ Jasmin hat‘s beim Malen gut gefallen, auch wenn sie den Block erst suchen musste: „Dann habe ich eine Glocke oder so gehört und war ängstlich. Aber nur ein bisschen.“

Inhaber Thorsten Haneke freut sich, dass die Kleinen so viel Spaß hatten. Er ist überzeugt vom „Stockfinster“. Ein vergleichbares Konzept gebe es in NRW bislang nicht: „Das ist Erlebnispädagogik, die diesen Namen auch verdient. Vor allem bleibt die Erinnerung an diese völlig neue Sichtweise auf den Umgang mit Menschen mit einem Handicap nachhaltig erhalten.“