Essen-Rüttenscheid. Könnte auf dem Gelände des Goethebunkers eine Grundschule entstehen? Das schlug die CDU-Rüttenscheid vor. Empörte Reaktionen folgten prompt.
„Neue Schule am alten Standort?“ So übertitelte die CDU-Rüttenscheid eine Diskussionsveranstaltung zum Thema Schulentwicklung im Stadtteil. In der Einladung bringen die Christdemokraten einen neuen Vorschlag für einen Grundschulstandort in Rüttenscheid ins Spiel. Es geht um zwei benachbarte Grundstücke an der Alfredstraße 38/40 und der Goethestraße 67: Eines, in dem sich einst das Fernsprechamt der Stadt Essen befand, und das Gelände, auf dem der Goethebunker steht. In unmittelbarer Nähe hatte sich bis 1944 der Standort des damaligen Goethe-Gymnasiums befunden.
Die Diskussion fand am Dienstag (18. Oktober) statt. Prompt reagierte die Grünen-Bezirksvertreterin und stellvertretende Kulturbeauftragte im Bezirk II, Inga Sponheuer, empört auf den CDU-Vorschlag. „Ich weiß, dass wir unbedingt mehr Schulplätze brauchen und habe als Bezirksvertretungsmitglied auch großes Interesse, mit daran zu arbeiten. Aber es dürfen keine Kunst- und Kulturorte weichen müssen“, betont sie. Ganz im Gegenteil müsse man solche Orte stärken.
Sponheuer erklärt, sie kämpfe dafür, dass die Musikclub- und Nachtclubkultur mehr anerkannt werde. Denn: „Sie ist ein wichtiger Teil des kulturelleren Lebens in Essen. Gerade der Goethebunker ist sowohl lokal als auch überregional für junge Menschen von Bedeutung. Wir wollen unsere Kommune ja interessant machen.“
Macher von „Essen diese“ schalten sich in die Diskussion ein
Ein Instagram-Post der Grünen-Politikerin zu dem Thema hat mittlerweile rund 1200 Gefällt-mir-Angaben. Auch die Macher der stadtbekannten Instagram-Satire-Seite „Essen diese“ schalteten sich in die Diskussion ein, teilten den Beitrag und schrieben ironisch: „Völlig verständlich, dass man in ‘ner Stadt, in der (Jugend)Kultur so ‘ne krasse Bedeutung hat, überlegt, den Bunker stillzulegen. Gibt ja genug Angebote.“
Benjamin Thomas, Vorsitzender der CDU-Rüttenscheid, war Mitorganisator der Veranstaltung am Dienstag. Er plädierte für mehr Gelassenheit in der Diskussion und betonte, der Standortvorschlag sei erst einmal ein „Gedankenballon“ gewesen. Während der Veranstaltung habe sich das Gespräch eigentlich gar nicht mehr um den Goethebunker und das alte Fernsprechamt, sondern um die grundsätzliche Problematik gedreht, in Rüttenscheid einen Platz für eine Grundschule zu finden. Seine Partei wolle die Verwaltung auch nicht konkret anregen, den Standort zu prüfen.
CDU Rüttenscheid: Ohne ausreichend Schulplätze ist Essen unattraktiv
Klar sei aber: „Wir brauchen definitiv mehr Schulraum in Rüttenscheid“, so Thomas. Und da wird es kompliziert. Denn freie Flächen für einen Neubau gibt es kaum, dazu kommt, dass sich gegen die Versiegelung von Grünflächen bei anderen Bauprojekten zunehmend Protest formiert. „Uns ging es bei der Diskussion darum, auch mal abseits der gewohnten Bahnen zu denken“, sagt Thomas deshalb. Denn nicht zuletzt verliere Essen deutlich an Attraktivität, wenn es dort nicht genug Schulplätze für Kinder gebe.
Dass Rüttenscheid eine weitere Grundschule braucht, geht aus dem über 120 starken Schulentwicklungsplan hervor, den die Verwaltung im vergangenen Jahr vorgelegt hat. Vorgeschlagen wird ein Standort an der Grenze zu Holsterhausen. Denn auch dort reiche die Zahl der Schulplätze im Primarbereich nicht aus, so die Stadt. Das zeige sich daran, dass auch heute schon viele Eltern von dort ihre Kinder zu Rüttenscheider Grundschulen schicken.
Essener Schuldezernent Al Ghusain: Noch kein konkreter Standort gefunden
Laut Essens Schuldezernent Muchtar Al Ghusain gab es für dieses Schuljahr 225 Anmeldungen an Rüttenscheider Grundschulen. Es stünden aber nur 218 Plätze zur Verfügung. Al Ghusain weist zudem darauf hin, dass diese Zahlen nur vorläufig seien und es normalerweise im Laufe des Schuljahres weitere Anmeldungen gebe. Schon lange gehe die Entwicklung in diese Richtung: „Die Schulanmeldungszahlen steigen seit Jahren.“ Welcher Standort für eine neue Grundschule in Frage komme, sei aktuell noch nicht klar.
In zwei Wochen gibt es einen Termin mit Al Ghusains Fachbereich und dem Fachbereich für Stadtplanung und Bauen, bei dem Grundstücke für Schulen im ganzen Stadtgebiet geprüft werden sollen. Insgesamt sollen in Essen zehn neuen Grundschulen entstehen. Dabei gebe es durchaus Stadtteile, in denen die Lage noch schwieriger sei als in Rüttenscheid und die deshalb erste Priorität hätten, sagt Al Ghusain.
Als Beispiele nennt er Frintrop, Bedingrate, Altendorf und Altenessen. In Rüttenscheid sei immerhin positiv zu bewerten, dass derzeit an allen bestehenden Grundschulen – Sternschule, Andreasschule und Käthe-Kollwitz-Schule – Bau- und Erweiterungsmaßnahmen durchgeführt würden.
Die Schwierigkeit bei der Suche nach Schulstandorten sei immer dieselbe, so Al Ghusain:
Interimsschulgebäude soll bald gebaut werden
An der Rosastraße/Von-Einem-Straßesoll nach Planung der Stadt demnächst ein Schulersatzgebäude für die Kinder der Sternschule und Andreasschule errichtet werden, die dort während der Bauarbeiten an ihren Schulen untergebracht werden sollen.
Was danach mit diesem Gebäude geschieht und ob es nicht dauerhaft eine Grundschule beherbergen könnte, ist laut Schuldezernent Al Ghusain noch nicht klar. Auch das Helmholtz-Gymnasium habe beispielsweise einen Erweiterungsbedarf: „Wir müssen sehen, wo die Dringlichkeit am größten ist.“
„Einerseits wollen wir Schulgebäude nach zeitgemäßem, pädagogischem Standard, was für einen Neubau sprechen würde. Andererseits wollen wir dem Klimawandel entgegenwirken, sodass es unter diesem Gesichtspunkt besser wäre, Bestandsgebäude zu nutzen.“
In Rüttenscheid soll bald ein Schulersatzgebäude entstehen
Während der Diskussion am Dienstag kam die Sprache erneut auf das Polizeipräsidium an der Büscherstraße. Die Polizei wird dort im Jahr 2025 ausziehen. Verschiedene Akteurinnen und Akteure wünschen sich, dass dort eine neue Grundschule entsteht. Das Gebäude gehört allerdings dem Land. „Ein Angebot zur Übernahme durch die Stadt Essen ist derzeit von dort aus nicht vorgesehen“, hatte Sprecherin Silke Lenz zuletzt erklärt. Außerdem komme das Gebäude aufgrund seiner hohen Geschosszahl als Grundschule nicht in Frage: „Die Schulbauleitlinien empfehlen eine maximale Geschosszahl von drei Etagen.“