Essen-Rüttenscheid. Gegen den Bau eines neuen Schulgebäudes in Rüttenscheid hat sich Protest formiert. Anwohner wollen nicht, dass noch eine Fläche versiegelt wird.

  • An der Rosastraße/Von-Einem-Straße in Essen-Rüttenscheid soll ein Modulbau aus Holz errichtet werden. Dort sollen Schüler der Sternschule und Andreasschule unterrichtet werden, während an ihren Schulen Bauarbeiten laufen.
  • Anwohner aus Rüttenscheid laufen dagegen jetzt Sturm: Sie befürchten negative Auswirkungen auf die Klima-Verhältnisse und die Aufenthaltsqualität im Stadtteil, weil für den Bau eine Grünfläche und ein Spielplatz weichen sollen.
  • Die Stadt Essen argumentiert, dass dafür Ersatzflächen mit höherer Aufenthaltsqualität geschaffen würden.

Anwohnerinnen und Anwohner aus Rüttenscheid wehren sich gegen den geplanten Bau eines Schulgebäudes an der Rosastraße/Von-Einem-Straße. Sie sorgen sich um die Klima-Verhältnisse und die Aufenthaltsqualität im Stadtteil. Deshalb wollen sie verhindern, dass Grünfläche und Spielplatz für das Bauprojekt weichen müssen. Eine von den drei Rüttenscheidern Georg Sattler, Diana Vollenbroich und Marianne Mau ins Leben gerufene Petition gegen den Bau haben bisher über 650 Menschen unterzeichnet.

Zum Hintergrund: In seiner Sitzung am 25. August 2021 hatte der Rat der Stadt Essen beschlossen, einen Modulbau aus Holz an der Rosastraße/Von-Einem-Straße zu errichten. Das Gebäude soll im Zeitraum vom Sommer 2023 bis Sommer 2024 übergangsweise sechs Klassen der Andreasschule und vier Klassen der Sternschule beherbergen, während an den beiden Schulen Bauarbeiten durchgeführt werden. Auch danach, so kündigte die Verwaltung an, soll das neue Gebäude als Ausweichquartier für anstehende Bauprojekte im Schulbezirk dienen. Es könnte also durchaus länger stehen bleiben als bis 2024.

Anwohner sorgen sich um Klimabedingungen in Rüttenscheid

Dagegen hat sich Protest formiert. „Das hier ist außer dem Christinenpark die einzige Grünfläche in der Umgebung“, sagt zum Beispiel eine Anwohnerin (53), die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Falle diese Grünfläche weg, dann verliere das ohnehin schon stark bebaute und damit klimatechnisch belastete Rüttenscheid noch eine Abkühlungszone. Auch Susanne Münch (58) betont: „Nach der gerade erlebten langen Regenpause und der Hitze hatte der Park, als einer der ganz wenigen, noch eine saftige grüne Wiese und es war angenehm kühl.“

Anwohnerinnen und Anwohner kämpfen für den Erhalt ihrer Grünfläche in Essen-Rüttenscheid.
Anwohnerinnen und Anwohner kämpfen für den Erhalt ihrer Grünfläche in Essen-Rüttenscheid. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Die Protestler verweisen darauf, dass schon eine Klimaanalyse der Stadt Essen aus dem Jahr 2002 dazu riet, den Versiegelungsgrad innerhalb von Mischbauflächen und dichten Wohngebieten in Rüttenscheid zu senken. Stattdessen sollten Parkanlagen als „wohnumfeldnahe Klimaoasen“ neu angelegt werden. Zu einem ähnlichen Urteil kommt die aktuelle Klimaanalyse aus diesem Jahr. Die Anwohner befürchten jedoch, dass nun das genau das Gegenteil passiert, dass also noch mehr Flächen versiegelt werden.

Stadt Essen: Ausgleichsflächen mit „mehr Aufenthaltsqualität“ werden geschaffen

Stadtsprecherin Silke Lenz erklärt dazu auf Anfrage: „Die Bereitstellung ausreichender Schulplätze ist für die Stadt Essen als Schulträger eine priorisierte Aufgabe. Ist dies mit einer Baumaßnahme verbunden, müssen Ausgleichsgrünflächen im Stadtteil zur Verfügung gestellt werden.“ Die zukünftigen Spiel- und Aufenthaltsflächen, die im Rahmen der Maßnahme geschaffen werden sollen, würden „entsprechend moderner und altersgerechter konzipiert“ und schüfen für die Bevölkerung in Rüttenscheid „mehr Aufenthaltsqualität“.

Kinder können auf dem Spielplatz an der Rosastraße/Von-einem-Straße spielen, auch ältere Anwohner verweilen gerne dort. Hier zu sehen sind Renate Jütter (84), Arvid (17 Monate alt) und sein Großvater Gregor Kaiser.
Kinder können auf dem Spielplatz an der Rosastraße/Von-einem-Straße spielen, auch ältere Anwohner verweilen gerne dort. Hier zu sehen sind Renate Jütter (84), Arvid (17 Monate alt) und sein Großvater Gregor Kaiser. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Aber welche Flächen stehen in Rüttenscheid überhaupt noch zur Verfügung? Laut Stadtsprecherin Jasmin Trilling soll zum einen auf einem derzeit nicht genutzten Teil des Schulgeländes des Helmholtz-Gymnasiums – Rosastraße, Ecke Isenbergstraße – ein circa 1.500 Quadratmeter großer öffentlicher Spielplatz entstehen. Ein zweiter, etwa 1000 Quadratmeter großer Spielplatz soll auf dem Schulgelände der Bertha-von-Suttner-Realschule gebaut werden. Wie Trilling betont, werden dafür nicht etwa Teile der bestehenden Schulhöfe genutzt, sondern Ecken auf dem Schulgelände, die keinen direkten Anschluss an den Schulhof haben.

Rüttenscheider (87): „Habe schon als Kind in diesem Park gespielt“

Petition ist online verfügbar

Die Petition der Anwohnerinnen und Anwohner kann man auf www.openpetition.de unterzeichnen. Wenn man dort etwa „Rosastraße“ in die Suchfunktion eingibt, findet man die Petition mit dem vollständigen Titel „Rettet den Park und den Spielplatz am Rüttenscheider Schwimmzentrum“.

Die Gruppe denkt darüber nach, sich in einem nächsten Schritt auch an das Land NRW zu wenden, um dort zu erfragen, welche Möglichkeiten zur Verhinderung des Bauprojektes es noch gäbe. Laut Stadt müsste der Rat dazu seinen Beschluss vom August 2021 aufheben und einen neuen Beschluss fassen.

„Im Zuge der Gesamtmaßnahme Interim Rosastraße wird weiterhin die Restfläche des Grundstücks Rosastraße/Von-Einem-Straße, die nicht vom Interim genutzt wird, auf rund 1500 Quadratmetern mit Sitzgelegenheiten, Neupflanzungen und Spielgeräten neu gestaltet“, führt Trilling aus. „Zusätzlich wird das Außengelände des Interims selbst, vergleichbar wie ein Schulhof, außerhalb der Schulzeiten für die Kinder im Stadtteil geöffnet.“ Insgesamt, so resümiert die Stadt, werde mehr Spiel- und Aufenthaltsfläche geschaffen, als durch den Bau des Interims wegfallen werde.

Doch die Anwohner wollen ihre Grünfläche behalten. Klaus Ascherfeld (87) ist ein echtes Rüttenscheider Urgestein. Er lebt seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Stadtteil. „Ich habe schon als Kind in diesem Park gespielt“, sagt er. Noch in hohem Alter nutzt er die Grünfläche nun, um sich zu erholen. Auch die zehnjährige Frieda möchte nicht, dass die Fläche verschwindet: „Hier kann man einfach gut spielen“, sagt sie. Im Sommer komme sie gern bei Hitze in die kleine Parkanlage, im Winter fahre sie auf dem abschüssigen Gelände Schlitten. Die Jungen spielten hier oft Federball.

Alternative Polizeipräsidium? Stadt Essen lehnt ab

Neben ihrem grundsätzlichen Unmut über die Bebauung der Grünfläche beschweren sich die Bürgerinnen und Bürger auch darüber, dass die Stadt sie nicht ausreichend über das Bauvorhaben informiert habe. „Der Beschluss wurde über die Köpfe der Bürger hinweg in den Sommerferien gefasst“, sagt zum Beispiel Diana Vollenbroich. Außerdem, so die Initiatoren, seien nicht genügend Alternativen geprüft worden. So argumentieren sie zum Beispiel, man hätte das alte Präsidium an der Büscherstraße, aus dem die Polizei 2025 ausziehen will, als Schulstandort in Betracht ziehen sollen.

Diana Vollenbroich aus Essen-Rüttenscheid ist eine der Initiatorinnen der Petition. Sie sagt: „Der Beschluss wurde über die Köpfe der Bürger hinweg in den Sommerferien gefasst.“
Diana Vollenbroich aus Essen-Rüttenscheid ist eine der Initiatorinnen der Petition. Sie sagt: „Der Beschluss wurde über die Köpfe der Bürger hinweg in den Sommerferien gefasst.“ © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Die Stadt erteilt diesem Vorschlag allerdings auf Nachfrage eine Absage: „Das Gebäude des ehemaligen Polizeipräsidiums befindet sich zum einen im Eigentum des Landes Nordrhein-Westfalen. Ein Angebot zur Übernahme durch die Stadt Essen ist derzeit von dort aus nicht vorgesehen“, erklärt Sprecherin Silke Lenz. Außerdem komme das Gebäude aufgrund der hohen Geschosszahl als Grundschule nicht in Frage: „Die Schulbauleitlinien empfehlen eine maximale Geschosszahl von drei Etagen.“

Kosten für das Bauprojekt um 1,7 Millionen Euro gestiegen

Wann die Bauarbeiten an der Rosastraße/Von-Einem-Straße starten sollen, ist laut Stadt aktuell noch nicht klar. „Der Zuschlag für einen Totalunternehmer ist mittlerweile erfolgt. Die Beauftragung ist mit einer Auftragssumme von rund 12,7 Millionen in der finalen Abstimmung und erfolgt kurzfristig“, erklärt Stadtsprecherin Jacqueline Schröder dazu. Auch der genaue Zeitplan werde aktuell abgestimmt.

Schon jetzt ist damit klar, dass sich die Kosten für das Bauprojekt um 1,7 Millionen Euro erhöhen werden. Ursprünglich lag das Budget bei 11 Millionen Euro. Die Mehrkosten seien „im Wesentlichen der aktuellen Marktlage und den derzeitigen Preissteigerungen geschuldet“, so Schröder. Ob die Auftragssumme am Ende auskömmlich sei oder das Projekt sogar noch teurer werde, könne aktuell nicht vorhergesagt werden. Schröder: „Die Situation auf dem Rohstoffmarkt, die sich auf alle Bauprojekte überträgt, ist ungewiss, sodass konkrete Aussagen dazu unseriös wären.“