Essen-Kettwig. Der Essener Baudirektor Mike Pannek war zu Gast beim „Kettwiger Montagsgespräch“ im Petershof. Was er zur Sanierung der Ruhrbrücke berichtete.
Säße die Kettwiger Ruhrbrücke auf der Schulbank, würde sie wohl das Schuljahr nur so gerade eben bestehen. Bei der im Jahr 2019 erfolgten Hauptprüfung hat das Team Ingenieurbau des Amtes für Straßen und Verkehr in Essen dem Bauwerk durchweg schlechte Noten erteilt. Eine Sanierung bzw. sogar ein Neubau ist fällig.
Wer sich vom „Kettwiger Montagsgespräch“ des HVV zum Thema „Brückenschlag“ im Gemeindezentrum Petershof nun Antworten auf das Wie und Wann erwartete, wurde enttäuscht. Mike Pannek, städtischer Baudirektor und Abteilungsleiter im Amt für Straßen und Verkehr, betonte, dass die Planungen erst ganz am Anfang stünden. Dennoch bekamen die rund 70 Teilnehmenden eine ganze Menge an Informationen geliefert, die zum besseren Verständnis für ein solches Bauvorhaben beitragen sollten.
Ruhrüberquerung mit wechselvoller Geschichte
Zunächst einmal blickte Heimatforscher Helmut Wißler in die Historie der Ruhrüberquerung bei Kettwig. 1282 ist die erste urkundliche Erwähnung eines Brückenbauwerks im Herzogtum Berg an dieser Stelle zu verzeichnen.
Ob Spanier, Kaiserliche, Niederländer oder Hessen – der strategische Besitz der Flussquerung war im Dreißigjährigen Krieg von hoher Bedeutung. Schließlich eroberte der Herzog von Berg 1635 die Brücke zurück und ließ sie abbrechen.
„Danach gab es nur noch Fährbetrieb – über zwei Jahrhunderte“, berichtete Wißler, auch wenn die 1785 von Engelbert Kleinhanz im Auftrag des Werdener Abtes errichtete Mühlengrabenbrücke bereits einen Teil der Fuhrt einnahm und auf mehr hoffen ließ. Doch es dauerte noch bis 1865, als eine neue Brücke fertiggestellt war. Da die Fähreinnahmen bislang an die Herren von Schloss Hugenpoet gegangen waren, musste Kettwig nun Schadenersatz ans Fürstenhaus zahlen.
In den folgenden Jahren gab es Anpassungen an die Straßen und 1911 einen größeren Umbau des Bauwerks mit Fahrbahnen, wie Wißler anhand von Fotos verdeutlichte. Diese zeigten auch die Kassenhäuschen für den Brückenzoll, der von jedem zu entrichten war.
Das Stauwehr des Ruhrverbandes wurde 1950 vollendet
Der Bau des Kettwiger Stausees war Anlass, 1939 etwas weiter flussaufwärts mit dem Bau einer neuen, der jetzigen Brücke zu beginnen. Teile des alten Bauwerks wurden noch kurz vor Ende des Weltkriegs 1945 gesprengt, um die US-Truppen zu behindern. Die Kettwiger waren wiederum auf Fähren angewiesen.
Das Stauwehr, das vom Ruhrverband betrieben wird, wurde dann 1950 vollendet und die Brücke darüber dem Verkehr übergeben. Sie weist mehrere Teile auf: die Schleuse für Schiffe bis 300 Tonnen, die beiden Wehre (Stauhöhe sechs Meter) sowie das Kraftwerk.
Die Brücke hat mehr als 70 Jahre auf dem Buckel, der Schwerlastverkehr ist vor einigen Jahren schon begrenzt worden. Dennoch wird es Zeit für eine Sanierung oder sogar einen Neubau. Dieses Vorhaben soll, stellte Baudirektor Mike Pannek klar, gemeinsam mit dem Ruhrverband realisiert werden. Denn dieser habe schon vor längerem ebenfalls Schäden am Wehr festgestellt, Feuchtigkeit dringt immer wieder in die Räume ein. Aber genau das mache es auch so kompliziert: Wasserbauliche Elemente, wie Wehranlage, Schleuse und Kraftwerk, bildeten ein komplexes Brückenprojekt, das darüber hinaus auch den aktuellen Verkehrsanforderungen gerecht werden sollte.
14 Brücken sind in einem ungenügenden Zustand
Und die Ruhrbrücke sei nicht die einzige „Baustelle“ unter den rund 270 Brückenbauwerken, die in kompletter Verantwortung des Amtes für Straßen und Verkehr stehen. Ein ungenügender Zustand (Note 3,5 bis 4,0) ist bei 14 Brücken festgestellt worden (Kettwig liegt bei den Werten 2,9, 3,5 und 3,3 für die drei Abschnitte). Vom Team Ingenieurbau werden zudem die Vorhaben Alfredbrücke in Rüttenscheid, Margarethenbrücke und Gustav-Heinemann-Brücke in Werden betreut.
Der nächste Vortrag
Verschoben werden muss coronabedingt der Vortrag von Ariane Hackstein über den Folkwang-Museumsgründer Karl-Ernst Osthaus. Er war für den 20. Oktober geplant. Die Veranstaltung findet am Freitag, 28. Oktober, um 19.30 Uhr im Petershof, Hauptstraße 138, statt.
Fortgesetzt werden die Kettwiger Montagsgespräche im Jahr 2023. Der Heimat- und Verkehrsverein (HVV) Kettwig nimmt Themenanregungen gern entgegen.
Für das „Mammutprojekt“ Kettwig werde es ein europaweites Ausschreibungsverfahren geben, sagte Pannek. „Ingenieurbüros werden mehrere Varianten ausarbeiten. Ich wäre glücklich, wenn diese 2023 am Start wären, damit wir ein Jahr später eventuell eine Lösung hätten.“ Fördermittel zu bekommen, sei wichtig, denn die Kosten lägen wohl im zweistelligen Millionenbereich.
Bis es soweit ist, soll der Überwachungszyklus für die Ruhrbrücke engmaschiger werden. Die Kettwiger sollten sich also nicht wundern, wenn alsbald wieder mal die „Brückenspechte“ mit dem Hammer unterwegs seien, um zu prüfen, ob das Bauwerk noch die „Versetzung“ ins nächste Jahr schafft.