Essen-Rüttenscheid. Mit 19 Jahren erleidet Isabelle Koch einen plötzlichen Herzstillstand. Warum, ist bis heute nicht klar. Doch die Essenerin kämpft sich zurück.

  • Die Essenerin Isabelle Koch (27) erleidet im Alter von 19 Jahren den Plötzlichen Herztod: Ihr Herz bleibt stehen, sie muss wiederbelebt werden.
  • Ärzte sagen ihr damals: Sie wird nie wieder ein normales Leben führen, nie Vollzeit arbeiten können. Doch damit will sie sich nicht abfinden.
  • Jetzt hat die Essenerin mit zwei anderen jungen Betroffenen eine Selbsthilfegruppe gegründet, die sich regelmäßig im Krupp-Krankenhaus in Rüttenscheid trifft.

Isabelle Koch ist 19 Jahre alt, als ihr Herz plötzlich aufhört zu schlagen. Es passiert an der Ostseeküste. Anzeichen gibt es vorher keine. Sie geht zum Auto, weil sie ihr Handy holen will, und bricht ohnmächtig zusammen. Kammerflimmern, Herzstillstand – und dann eine erfolgreiche Reanimation. Heute ist Koch 27 Jahre alt. Seit dem Vorfall trägt sie einen Defibrillator unter der Haut. Vor einigen Monaten hat die Essenerin eine Selbsthilfegruppe mit zwei anderen jungen Betroffenen (31 und 36) gegründet, die sich einmal im Quartal im Alfried-Krupp-Krankenhaus in Rüttenscheid trifft.

Plötzlicher Herztod ist der medizinische Fachausdruck für das, was Isabelle Koch an diesem Nachmittag im Jahr 2014 passiert ist. So nennt man es, wenn jemand völlig unerwartet einen Herzstillstand erleidet. Oder, etwas plumper ausgedrückt, wenn man einfach „tot umfällt“. Denn tatsächlich ist die damals 19-Jährige geschätzte vier bis fünf Minuten tot, bis sie gefunden, wiederbelebt und ins Krankenhaus gebracht wird. Dort liegt sie mehrere Tage im künstlichen Koma. An die Situation selbst erinnert sie heute gar nicht mehr. Relativ schnell ist ihr jedoch klar, dass sie sehr viel Glück hatte. Denn je länger das Gehirn in Folge des Herzstillstandes nicht mit Sauerstoff versorgt wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Schäden zurückbleiben.

Essenerin wird in der Klinik ein Defibrillator eingesetzt

Das ist bei ihr nicht der Fall. Was den Ärzten in der Klinik aber ebenfalls schnell klar zu sein scheint: Isabelle Koch wird nie wieder ein normales Leben führen können. „Sie haben gesagt, dass ich nie werde Vollzeit arbeiten können und immer Ruhepausen brauchen werde“, erinnert sie sich. „Da ist für mich erstmal eine Welt zusammengebrochen, weil das gar nicht meinem Naturell entspricht.“ Mit dem Defibrillator, der ihr inzwischen implantiert worden ist, soll sie äußerst behutsam umgehen. Relativ schnell weckt diese düstere Zukunftsperspektive aber den Ehrgeiz der damals 19-Jährigen.

Ihre ersten Schritte macht Isabelle Koch mit dem Rollator auf dem Krankenhaus-Gang. Anschließend geht es für sie in die Reha. Sie kämpft mit den während der Zeit im Koma geschwundenen Muskeln und mit ihrem eigenen Kopf. Seit dem Herzstillstand hat sie Probleme mit ihrem Kurzzeitgedächtnis. So möchte sie unbedingt wissen, wann das deutsche Tor im WM-Finale gegen Argentinien gefallen ist. Doch wenn ihr ihre Eltern die Spielminute nennen, vergisst sie sie sofort wieder.

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Ursache für ihren Herzstillstand kennt Essenerin immer noch nicht

In der Reha hat Koch niemanden, mit dem sie sich richtig austauschen kann. „Viele haben mich gefragt: Was machen Sie denn hier?“, erzählt sie, und inzwischen lacht sie dabei. In der Klinik seien schon Herzpatienten in den Fünfzigern eine Seltenheit gewesen, und selbst bei denen sei es meist darum gegangen, ob sie jetzt in Rente gehen könnten. Isabelle Koch dagegen will wissen, ob sie noch Ski fahren, um die Welt reisen und Karriere machen kann.

Heute ist die 27-Jährige medikamentös gut eingestellt. Sie bekommt Blutdrucksenker, um ihr Herz zu entlasten, und ein sogenanntes Antiarrhythmikum, das zur Therapie von Herzrhythmusstörungen eingesetzt wird. Sie arbeitet Vollzeit bei einer Krankenkasse und hat sogar berufsbegleitend studiert. Ihr Kurzzeitgedächtnis funktioniert wieder uneingeschränkt. Sieben Monate nach dem plötzlichen Herztod war sie im Skiurlaub. Einzig Achterbahnfahren ist tabu, weil in diesem Fall die Magneten den Defibrillator beinträchtigen können. Aber: „Das ist für mich keine Einschränkung, das macht mir sowieso keinen Spaß.“

Was ihr genau fehlt, konnte indes nicht herausgefunden werden. Koch ist in der Uniklinik Münster in Behandlung. Dort hat man einige Herzerkrankungen ausgeschlossen, die Ursache ihres Herzstillstandes aber bisher nicht ermittelt.

Selbsthilfegruppe im Rüttenscheider Krupp-Krankenhaus: Es geht um Beruf, Reisen und Familie

Der Wunsch, sich mit jungen Betroffenen auszutauschen, ist geblieben. Deshalb hat Isabelle Koch mit ihren beiden Mitstreitern die Selbsthilfegruppe „DEFInitiv LEBEN“ für junge Menschen mit Defibrillator ins Leben gerufen. Eine klassische Selbsthilfegruppe, „wo man sich im Stuhlkreis einen Ball zuwirft“, hätten sie nicht gewollt, sagt die Essenerin, fügt allerdings mit einem Lachen hinzu: „Oft sitzen wir trotzdem im Kreis, weil das kommunikativer ist.“

Alle Gruppenmitglieder haben eine ähnliche Geschichte. „90 bis 95 Prozent haben den Plötzlichen Herztod überlebt“, berichtet Koch. Wenn sie sich treffen, dann reden sie über Themen, die junge Leute beschäftigen: die berufliche Zukunft, Reisen, Familiengründung. Vor allem aber machen sie sich gegenseitig Mut. Denn: „Wie man mit der Krankheit umgeht, hängt ja stark davon ab, auf welche Ärzte man trifft. Wenn dein Arzt sagt ‘Pack dich in Watte’, dann packst du dich erstmal in Watte.“ In der Gruppe spreche man aber viel darüber, dass das nicht unbedingt sein müsse – dass man weiterhin sein Leben leben kann.

Bei Instagram ist die Gruppe zu finden unter @definitiv_leben. Anmeldung zum Treffen und Infos per Mail an: definitivleben@gmail.com oder bei der Selbsthilfeberatung Wiese e.V.: 0201 207676. Das nächste Treffen findet am 26. November im Alfried-Krupp-Krankenhaus (Alfried-Krupp-Straße 21) statt, danach am 25. Februar, 27. Mai und 26. August 2023.