Essener Süden. Die „Kunstspur“ im Essener Süden trotzt der kühlen und nassen Witterung: Gelegenheit zum Atelierbesuch besteht noch am Sonntag von 14 bis 19 Uhr.

Steine filzen – wie geht denn das? Und was lässt die Farben eines Bildes schimmern? Wie komponiert eine Künstlerin beziehungsweise ein Künstler eine Landschaft auf der Leinwand? Welche Motivation steckt dahinter? Diese und andere Fragen beantworten Kunstschaffende bei der „Kunstspur 2022“. An diesem Wochenende öffnen sie ihre Ateliers und Werkstätten im Essener Süden, am folgenden im Essener Norden.

Das nasskühle Wetter sei zwar nicht gerade ideal, sagt Heike Giesbert, Kreativtherapeutin und Filzgestalterin, die ihre Werkstatt in der Ruhrtalstraße 33a, dem Tor 3 der Kunstmeile im Stadtteil Werden, mit ihrem Mann betreibt. In den Regenpausen treibe es aber durchaus etliche Leute in die Ateliers.

Stränge von Bambus und Seide dienen der „Maserung“

Heike Giesbert (l.) hat zum Filzen ins Tor 3 eingeladen: Sie zeigt, wie Deko-Objekte hergestellt werden.
Heike Giesbert (l.) hat zum Filzen ins Tor 3 eingeladen: Sie zeigt, wie Deko-Objekte hergestellt werden. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Neugierig schauen sich diese um. Und der ein oder andere taucht ebenso wie Heike Giesbert die Hände in warme Seifenlauge, um einen Ballen umwickelter Wollreste zu einem Stein zu formen. Mehrere Lagen Vlies sorgen für den Halt, Stränge aus Bambus und Seide für die „Maserung“ des Objektes, das vorsichtig zusammengedrückt werden will, wie die 55-Jährige erklärt – „damit sich die Fasern gut miteinander verbinden“. Schon nach wenigen Minuten ist eine Stein-Optik entstanden. „Das Ganze geht auch mit einem echten Stein, der umwickelt wird“, erläutert die Künstlerin, die ihr Wissen über Filztechniken in Kursen weitergibt.

Vorsichtig zusammendrücken: Die Wollreste werden in warmer Seifenlauge zu einer festen Form.
Vorsichtig zusammendrücken: Die Wollreste werden in warmer Seifenlauge zu einer festen Form. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Acryl und Asphaltlack sind die Materialien, mit denen Jürgen Marose (seit 2012 bei der „Kunstspur“ in Tor 2 dabei) Landschaften gestaltet. Das eine auf Wasser basierend, das andere auf Öl. Er schätze die Kombination, Asphaltlack sei zudem fast so fein wie Tusche. „Die Farbe springt bei der Trocknung auf, es entstehen Risse“, beschreibt der 70-Jährige den Prozess, den seine Bilder durchlaufen. Sie zeigen das Meer und die Berge. Diese könnten zwar für sich stehen, doch Marose platziert dort gern kleine wandernde Figuren, „um die Größenverhältnisse besser zu verdeutlichen“.

Abstraktion des weiblichen Körpers

Andeutungen von Figuren oder Körperformen zeigen die neuesten Bilder von Julia Stärz-Wilhelm. Die 49-Jährige, Spezialistin für mit Fineliner ausgeführte Karo-Grafiken, hat sich mehr der Acrylmalerei zugewandt. Vertikale und horizontale Pinselführungen des goldfarbenen Untergrundes werden durch geschwungene Farblinien durchbrochen. Erkennbar darin die Abstraktion des weiblichen Körpers: in einem Fall der Bauch einer Schwangeren. Inspiration sei der Gipsabdruck ihres eigenen Körpers gewesen, als sie in Erwartung ihrer Tochter war. Zur Farbgebung erläutert sie: „Gold strahlt für mich Wärme und Ruhe aus.“ Der runde Bauch sei darin wie ein Kokon eingebettet.

Newcomerin bei der „Kunstspur“: Julia Stärz-Wilhelm zeigt Karo-Grafiken und abstrakte Malerei im Atelierhaus Kunstmeile.
Newcomerin bei der „Kunstspur“: Julia Stärz-Wilhelm zeigt Karo-Grafiken und abstrakte Malerei im Atelierhaus Kunstmeile. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Ausgestellt im Atelierhaus Kunstmeile (Tor 1) sind nach wie vor auch Karo-Grafiken, die teils Schriftzüge beinhalten. Das Zeichnen bleibe ja weiter Mittelpunkt ihres Schaffens, sagt die Autodidaktin.

Verschiedene Schichtungen mit Kunstharz und Wachs

Experimentiert mit Kunstharz und Wachs in ihren Kunstwerken: Berit Kirckskothen. In ihrem Atelier in Tor 1 betreibt sie eine Malschule.
Experimentiert mit Kunstharz und Wachs in ihren Kunstwerken: Berit Kirckskothen. In ihrem Atelier in Tor 1 betreibt sie eine Malschule. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Während Julia Stärz-Wilhelm als Newcomerin an der „Kunstspur“ teilnimmt, ist Berit Kirckskothen bereits regelmäßige Ausstellerin. Die 60-Jährige, eigentlich Volljuristin, ist seit über 20 Jahren hauptberuflich schaffende Künstlerin. Im Tor 1 unterhält sie eine Malschule. Auf Acrylbasis in Verbindung mit Materialien wie Kunstharz und Wachs entstehen abstrakte ebenso wie figürliche Darstellungen und Landschaften. Die Exponate weisen verschiedene Schichten auf, werden unter anderem gekratzt, gespachtelt, verwischt. Die Bildformate sind dabei variabel: von rund über länglich-schmal bis quadratisch. Sie freue sich über die „Kunstspur“, sagt Berit Kirckskothen, biete sie den Besuchern Gelegenheit, konkret Entstehungsprozesse zu hinterfragen.

Inspirationen bei Auslandsaufenthalten gefunden

„Die Leute haben nur darauf gewartet, dass man sich wieder frei auf solchen Ausstellungen bewegen kann“, berichtet zudem Dea Tils (Tor 1) und vergleicht dies mit den vorangegangenen – stark an Corona-Auflagen gebundenen – zwei Veranstaltungsjahren. Sie selbst habe die Zeit der Pandemie genutzt, um bei Aufenthalten in Portugal neue Inspirationen zu bekommen – sowohl in der farblichen Gestaltung wie thematisch.

Dea Tils in ihrem Atelier: Bei der „Kunstspur“ präsentiert sie erste Arbeiten auf Holz (rechts zu sehen).
Dea Tils in ihrem Atelier: Bei der „Kunstspur“ präsentiert sie erste Arbeiten auf Holz (rechts zu sehen). © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

„Gehen und Stehen“ ist das Leitmotiv ihrer jüngsten Arbeiten, die sich mit dem Fortbewegen aus dem Gewohnten sowie dem Innehalten beschäftigen. Collagen mit Fotos zeigen zum Beispiel Bahnhofssituationen. Zudem experimentiere sie gerade mit alten Holzbrettern als Malgrund anstatt der klassischen Leinwand: „Das Holz stammt aus Portugal, von Häusersanierungen.“

Fortsetzung im Norden

Am Wochenende 24. und 25. September sind Ateliers und Werkstätten im Essener Norden von 14 bis 19 Uhr geöffnet.

Für die Besichtigung stellt das Kulturamt der Stadt einen Flyer zur Verfügung. Er enthält Infos über Künstler, Adressen, Öffnungszeiten und Verkehrsverbindungen. Er ist beim Kulturamt, Pferdemarkt 6, in der Touristikzentrale, Kettwiger Straße 2, und im Gildehof erhältlich.

Weitere Infos sowie den Flyer zum Download gibt es auf www.kunstspur.essen.de.

Gespräche mit Kunstschaffenden

Materialvielfalt – die präsentiert auch die Werkstatt für Kamine an der Heckstraße. Zur „Kunstspur“ zeigen erneut verschiedene Kunstsparten ihre Objekte: Skulpturen, Keramiken, Fotos, Druckgrafiken, Malerei, Zeichnungen, Schmuck. Witterungsbedingt ist bereits einer der Kaminöfen angestellt – dazu gibt’s einen kleinen Imbiss, Getränke, Musik – und viele Gespräche.

Ob in Galerien oder Privathäusern: Trotz Pandemie und Regengüssen hat die „Kunstspur“ im Essener Süden die Menschen neugierig auf Kunst und die kreativen Köpfe dahinter gemacht. Am 24. und 25. September geht’s im Norden weiter.