Ruhrgebiet. . Energie war schon immer das Thema im Ruhrgebiet. Jetzt soll die Region auch die entscheidenden Impulse für die Wende zu erneuerbarer Energie liefern. Eine Fahrt zu den vielen kleinen Projekten zeigt, dass man mit Eis heizen kann, aber auch mit verdorbenen Lebensmitteln.
Einhart im Brahm kam auf die erneuerbaren Energien nicht, weil er die Welt retten wollte, sondern weil er 2200 Schweine zu ernähren hatte. Zucker, Rüben, Raps und Schweine waren seit Jahrzehnten das Rückgrat des Hofes in Essen-Kettwig, und um an Schweinefutter zu kommen, hatte die Familie eine Speiseresteverwertung aufgebaut. Doch dann verbot die EU dies Futter aus Furcht vor Seuchen: Da musste im Brahm die Speisereste entweder an den Nagel hängen (was für ein ausgesprochen gelungenes schiefes Bild) – oder umnutzen zur Produktion von Biogas. „Faulen kann jeder, aber wir holen Energie raus“, sagt Einhard im Brahm.
Und so sammeln heute neun Lastwagen zwei Millionen Tonnen Speisereste jährlich ein. Bei Gaststätten, Supermärkten, Ketten und Kantinen. Zusammengeschmissen mit Schweinegülle und Mist in den Fermentern, gibt das das allerschönste Biogas!
Im Dunkeln zersetzt sich die Mischung und warme Faulgase entstehen. Sie beheizen über eine Kraft-Wärme-Kopplung nicht mehr nur den eigenen Hof, sondern auch Nachbarn in Kettwig und das nahe Schlosshotel Hugenpoet.
Und das ist zweifellos eine sinnvollere Lösung als die Alternative: „Wir hätten die Speisereste auch nach wie vor abnehmen und dann zur Kläranlage fahren können.“ Die Stinkbrühe, die bei der Biogasproduktion zurückbleibt, die kommt auch noch als Dünger auf die Felder. Zusätzlich zum Schwefel. Den muss man heute düngen. Wo leben wir eigentlich? Früher kam der doch im Ruhrgebiet vom Himmel.
Da ist die große Energiewende – und da sind 1000 kleine Beiträge. Wo, wenn nicht im Ruhrgebiet und um das Ruhrgebiet herum? Energie ist seine Herkunft, seine Kernkompetenz und seine Daseinsberechtigung. „Nordrhein-Westfalen ist mitentscheidend für die Energiewende, aber es gibt noch viel zu tun“, sagt Jan Dobertin, Geschäftsführer des „Landesverbandes Erneuerbare Energien“.
Ein älteres Luftbild an der Wand zeigt ein verbrauchtes Stück Land zwischen der Düsseldorfer Straße und dem Bahnhof Haan: ein Industriegelände, auf dem ein Pumpwerk verfiel von 1878. Heute ist es wiederbelebt und sieht gut aus. Wenn man nur ein wenig zuspitzt, kann man sagen: Sie heizen mit Eis. Das geht? „Das geht“, sagt Ralf Mnich: „Das ganze Jahr!“
Der 50-Jährige ist Geschäftsführer des Planungsbüros „PBS&Partner“, eines von mehreren im alten Pumpwerk. Ihre Heizung geht so, grob vereinfacht: Ein Energiezaun hinter dem Pumpwerk absorbiert Wärme aus der Luft und speichert sie im Wasser einer großen Zisterne. Müssen die Büros im Pumpwerk beheizt werden, wird die Wärme aus der Zisterne genommen, bis das Wasser vereist. Müssen die Büros im Pumpwerk gekühlt werden, wird mit der Wärme das Eis wieder aufgetaut. Mnich hat errechnet, bei lang anhaltendem Frost und keinerlei Sonne halte der Speicher als Heizung 25 Tage durch. So entstanden 1000 Quadratmeter ebenso regenerativ wie behaglich beheiztes Industriedenkmal. Und was bedeutet Industriedenkmal? Nackter Backstein, praktisch keine Dämmung.
Anfang 2011 zog der „Weltverband Geothermie“ vom einschlägig hochinteressanten Island (Vulkane!) nach Bochum, das bis dahin nie durch besondere Erdaktivität hervorgestochen wäre. Der Grund war dann auch ein anderer: Angedockt an die Hochschule, entstand dort das „Internationale Geothermie-Zentrum“, ein international vernetzter Forschungsverbund. Wem das grad zu theoretisch ist: Hinterm Institut haben sie eigene Bohrlöcher.
Daraus beheizt sich das ganze Institut mit Erdwärme. Allein: Selbstzweck ist das nicht. Das Forschungsprojekt „Geostar 1“ soll zu einem Erdwärme-System führen, das etwa mit Neubaugebieten mitwachsen kann. Dazu müssen sie aber zum Beispiel noch genau herauskriegen, warum Bohrer manchmal anders bohren als erwartet: „Man weiß ja gerne, wohin man bohrt in der Stadt, um nicht auf die U-Bahn zu treffen“, sagt Professor Rolf Bracke, der Vorstandsvorsitzende des Zentrums.
Noch ein zweites Thema wird erforscht, bei dem das Ruhrgebiet sich richtig nützlich machen kann. Genauer gesagt: der Bergbau. So könnten die riesigen Strecken und Schächte unter Tage genutzt werden als Wärmespeicher. Da unten herrschen schon 30 bis 40 Grad, man könnte Wasser photovoltaisch auf 60 bis 90 Grad bringen und dann in den Gruben speichern. Im Untergrund würden damit italienische Zustände herrschen.
Also, von den Temperaturen her.