Essen. Ein Stück Energiewende vor der Haustür: Steag rüstet zwei Fernwärme-Kraftwerke auf Gas um – das spart CO2, wenn auch weniger, als mancher denkt.

In ihrer Werbebroschüre nennen sie sich selbst gern „Klima-Kavaliere“, aber wenn sie bei Steag Fernwärme jemandem die Tür aufhalten, dann führt der eine oder andere Weg nach wie vor noch in den Kohlenkeller. Das muss sich zwingend ändern, soll die Energiewende gelingen, und das Zauberwort dafür heißt „Fuel Switch“. Es bedeutet, die Energieerzeugung auf klimafreundlichere Energieträger umzustellen, und genau das ist jetzt in Essen geplant: Steag stellt zwei Heizkraftwerke auf Erdgas um.

Oder besser: lässt umstellen, denn den Auftrag für die Umrüstung angelten sich die Energieanlagenbauer von Mitsubishi Power Europe. Schon im April sollen die Arbeiten im Heizwerk Essen-Nord an der Daniel-Eckardt-Straße in Vogelheim und im Heizwerk Rüttenscheid an der Walpurgisstraße beginnen.

Gerüstet für einen Betrieb ohne ständige Beaufsichtigung

Geplant ist nicht nur, die Kesselanlagen von Öl (Nord) und Kohle (Rüttenscheid) auf Erdgasfeuerung umzustellen, sondern auch, die Elektro- und Leittechnik umfassend zu modernisieren. Am Ende lässt sich der Betrieb so weitgehend automatisiert und fernbedient steuern.

Fernwärme von Steag

Wer Fernwärme nutzt, braucht keine eigene Heizungsanlage. Stattdessen wird in einem Kraft- oder Heizwerk Wasser erhitzt und über ein Leitungssystem zu den Kunden und nach der Abkühlung von dort wieder weggepumpt.Mit bereitgestellter Wärme-Energie in einer Größenordnung von rund 1,6 Milliarden Kilowattstunden rangiert die in Essen beheimatete Steag Fernwärme auf Platz 1 der Fernwärmeversorger in NRW.Mehr als 90 Prozent der Wärme wird nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt und über ein 700 Kilometer langes Netz in Wohnquartieren, öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern und Gewerbebetrieben bereitgestellt. Nutzen lässt sich Fernwärme allerdings nur im Versorgungsgebiet, das in Essen derzeit ausgebaut wird, aber längst nicht das komplette Stadtgebiet abdeckt.

Zur Anwendung kommt diese Technik derzeit aber noch nicht, denn an der Daniel-Eckardt-Straße befindet sich nicht nur das Heizwerk selbst. Dort ist auch die Lastwarte des überregionalen Steag-Fernwärmenetzes angesiedelt. Die Belegschaft steuert von hier aus die Erzeugung und Verteilung der Fernwärme im gesamten Netzgebiet.

Spitzenlasten in Essen-Nord, Dauerbetrieb in Rüttenscheid

Immerhin zehn Monate Zeit sind für die nun anstehenden Arbeiten inklusive Inbetriebnahme und Probelauf in Vogelheim veranschlagt, ein Heizkraftwerk, das übrigens nicht dauerhaft in Betrieb ist, sondern bei Bedarf nur Spitzenlasten der Fernwärmeversorgung während der Heizperiode abdeckt. Im Schnitt, so heißt es, kommen die einzelnen Kessel auf jeweils rund 300 Betriebsstunden pro Jahr.

Dagegen läuft das Heizkraftwerk an der Walpurgisstraße in Rüttenscheid im Dauerbetrieb und zählt unter anderem die Uniklinik und das Krupp-Krankenhaus zu seiner Kundenschar. Von den vier vorhandenen Heizwasserkesseln werden hier zwei bereits mit Erdgas und zwei noch mit Steinkohle betrieben. Die Umrüstung soll insgesamt elf Monate dauern und erfolgt etappenweise, damit die Fernwärmeversorgung unterbrechungsfrei gewährleistet bleibt.

Eine Ersparnis beim Kohlendioxid zwischen 20 und 45 Prozent

Und die CO2-Ersparnis? Sie liegt nach Angaben von Mitsubishi Power Europe durch die Umstellung von Steinkohle auf Erdgas in Rüttenscheid bei immerhin 45 Prozent, im Heizwerk Nord dagegen mit dem Wechsel von Öl auf Erdgas bei gerade mal rund 20 Prozent, abhängig vom Betrieb.

Das dürfte weniger sein, als mancher sich erhofft. Auch Steag betont, die Erdgas-Nutzung sei in den kommenden Jahrzehnten eben vor allem eine Brückentechnologie – nützlich, so lange erneuerbare Energien nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen, um einerseits die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und andererseits die vereinbarten Klimaziele zu erreichen.

Der CO2-Ausstoß bis dahin – wenn man so will: ein Kavaliersdelikt.