Essen. Stadt und Steag feiern nach drei Jahren Bau die fertige Osttrasse für Essens Fernwärmenetz. Doch auch hier hinterlässt die Energiekrise Spuren.

Die Ausbaupläne zur Fernwärme-Versorgung in Essen, sie legen sich auf der Stadtkarte wie ein Hufeisen ums bestehende Leitungsnetz – wie passend. Denn die Technik, bis zu 130 Grad heißes, zentral erhitztes Wasser durch 70 Zentimeter dicke Rohre in die Wohngebiete zu jagen, gilt als Glücksfall in der Energieversorgung, ebenso komfortabel wie klimafreundlich. Stadt und Energiekonzern Steag machen deshalb beim Ausbau gemeinsame Sache und konnten am Donnerstag nach drei Jahren Bauzeit die Fertigstellung der sechs Kilometer langen Osttrasse feiern. Die Energiekrise war aber auch dort nicht weit.

Krisenstimmung auch beim Feiern

Kein Termin in Sachen Energieversorgung ohne mahnende Worte: „Es hängt von uns ab, wie stark die Krise ausfällt“, sagte Stadtwerke-Chef Peter Schäfer bei der kleinen Feier zum Bau-Abschluss der Osttrasse für die Fernwärme.

Für den Oberbürgermeister Thomas Kufen zeichnet sich die Herausforderung ab, dafür zu sorgen, „dass wir als Gesellschaft zusammenbleiben“. Alle Sparappelle und Einspar-Kataloge dienten vor allem dem Ziel, im Falle eines Falles Schlimmeres zu verhindern.

Zuletzt hatte die Stadt angekündigt, kommende Woche einen regelmäßig tagenden Krisenstab für den Fall einer „Gasmangellage“ ins Leben zu rufen. „Das Beste ist“, so der OB, „wenn wir am Ende für den Papierkorb gearbeitet haben“.

Am deutlichsten werden das die Fernwärme-Kunden selber spüren, wenn die Preisexplosionen auf dem Energiemarkt demnächst auch auf ihre Heizungs-Abrechnung durchschlagen. „Es wäre“, sagt Matthias Ohl, „unrealistisch zu glauben, dass die Effekte an uns vorbeigehen“. Wie deutlich der Preis pro Kilowattstunde Fernwärme steigt, vermag der Geschäftsführer der Steag Fernwärme Essen GmbH noch nicht zu sagen, das Plus wird aber wohl beachtlich ausfallen.

Umstellung auf Gas in Kraftwerken muss warten: „Die Versorgungssicherheit geht vor“

Und auch bei der vielbeschworenen Klimafreundlichkeit gilt es derzeit, Abstriche zu machen: So liegt der Plan, das zur Fernwärme-Produktion genutzte Steinkohle-Kraftwerk in Herne vom Netz zu nehmen, einstweilen auf Eis. Auch die fest eingeplante Umrüstung der beiden Essener Heiz-Kraftwerke in Vogelheim und Rüttenscheid von Öl bzw. Kohle auf Erdgasfeuerung stockt. „Wir stellen alles auf den Prüfstand“, so Ohl – zumindest bis auf weiteres, denn: „Die Versorgungssicherheit geht vor.“

Unterm Strich bleibe es gleichwohl bei den Vorteilen der Fernwärme, sie sei „ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz“, betont Stadtwerke-Chef Peter Schäfer, und der Ausbau des Netzes „der richtige Weg in verdichteten Innenstadtlagen“.

Die ersten sind schon an die Osttrasse angeschlossen: Aldi, TÜV und 1300 Haushalte

Mit der Osttrasse, die von der Kleinen Stoppenberger Straße im Nordviertel über Frillendorf, Huttrop und Bergerhausen bis zur Paulinenstraße in Rüttenscheid reicht, ist, wenn man so will, eine neue ergänzende Hauptschlagader für die Fernwärme entstanden: Zu gut 99 Prozent liegen die voluminösen Leitungen unter der Erde und werden bis zum Ende der 2020er Jahre eine Wärmeleistung von 120 Millionen Kilowattstunden an Industriekunden und in diverse Wohnquartiere liefern.

Dabei sind die ersten schon jetzt am Netz: Aldi mit seinem neuen Campus und der Tüv, aber auch 1300 Haushalte, angeschlossen meist über Wohnungsbaugesellschaften. Bis das Netz sich in der Endausbaustufe hin zu den angepeilten etwa 18.000 Haushalten verzweigt, dürfte es aber noch gut und gerne knapp zehn Jahre dauern: Fernwärme in die Stadt zu bringen, ist nichts für Ungeduldige.

12 der investierten 60 Millionen Euro kommen aus Fördertöpfen von Bund und EU

Und es ist auch nichts, was sich ohne Zuschüsse rechnet: Von der Gesamtinvestition in Höhe von 20 Millionen Euro stammen immerhin 12 Millionen aus Fördertöpfen des Bundes und der EU. Profitieren werden vom Gestattungsgebiet für die Fernwärme am Ende Essener Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger in 35 der 50 Stadtteilen. Ländlich geprägte Quartiere gehören dagegen nicht dazu: Der Ausbau dort würde sich für die Energieversorger nicht rechnen.