Essen-Werden. Das Fahrrad sicher abstellen, solange man einkauft: Was die Politik für Essen-Werden plant und wie dies bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt.
Der Stadtrat hatte entschieden, dass der Verkehr in Essen bis 2035 gleichmäßig auf Autos, ÖPNV, Fußgänger und Radfahrer verteilt werden soll. Wie schwierig das mit dem Modal Split wird, zeigte nun ein kleines Experiment in Werden. Gerade einmal eine Viertelstunde lang blockierten Radfahrer einen Pkw-Parkplatz. Das löste bei manchem Autofahrer böse Blicke aus.
Die Grünen in der Bezirksvertretung IX hatten nun schon zum zweiten Mal beantragt, an der Werdener Heckstraße fünf Stellplätze für Fahrräder einzurichten. Aber nicht auf dem Bürgersteig, sondern auf einem umgewidmeten Pkw-Parkplatz. Die Grünen zogen ihren Antrag zurück, als eine Abstimmungsniederlage drohte. Was die Werdenerin Henrike Galla erzürnte: „Da entscheiden Senioren über die zukünftige Mobilität junger Familien.“ Ähnlich hatte es der Grüne Fabian Griechen in der BV-Sitzung formuliert: „In der Zukunft wird eine andere Generation sich im öffentlichen Raum bewegen. Diese junge Generation hat ein anderes Mobilitätsverständnis. Der Trend geht hin zum Fahrrad.“
Viele Gleichgesinnte folgten dem Aufruf einer Werdener Radfahrerin
Henrike Galla startete einen Aufruf, dem spontan so viele Gleichgesinnte folgten, dass man locker zwei bis drei Parkplätze hätte belegen können. Alle einte Unmut über die Entscheidung der BV. Dicht drängten sich Fahrräder und Lastenräder auf der Fläche, die sonst ein einziges Auto einnimmt. Henrike Galla blickte sich um: „Was ist, wenn alle gleichzeitig mit dem Fahrrad zum Einkaufen in die Werdener City wollen? Wo wäre Platz für die Räder? Zentral gelegen und nicht irgendwo am Rand?“
Alte Stadtteile wie Werden mit gewachsener Struktur und engen Straßenzügen haben schmale Gehwege. Gerade in der Heckstraße würden auf dem Bürgersteig geparkte Fahrräder nur Fußgängern und Rollstuhlfahrern im Wege stehen. Doch wo sein Gefährt sicher abstellen, solange man einkauft? Für Henrike Galla ist ihr Lastenrad Alltagsbegleiter: „Wir haben auch ein Familienauto, doch damit fahre ich nicht in die Altstadt hinein.“ Der ökologische Ansatz sei ihr wichtig: „Wer wie wir Kinder hat, denkt anders über die Zukunft.“
Kfz-Stellplätze sollen zu Fahrradstellflächen umgenutzt werden
Was die Stadtverwaltung ebenso zu sehen scheint. Dem Rad-Entscheid Essen folgend, sollen bis zum Jahr 2030 im gesamten Essener Stadtgebiet 5000 neue Fahrradstellplätze und 500 Abstellflächen für Lastenräder eingerichtet werden. An Schulen und Sportstätten, in Wohnquartieren und in Einkaufsstraßen. Nur wo es absolut keine geeigneten Alternativen gebe, sollten Kfz-Stellplätze zu Fahrradstellflächen umgenutzt werden, aber maximal zehn Prozent des Straßenabschnitts. Auf einem Kfz-Parkplatz könnten bis zu fünf Fahrräder Platz finden.
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Für die CDU im Bezirk IX hielt Stephan Sülzer fest: „Grundsätzlich verschließen wir uns nicht. Nur an dieser engen Stelle der Heckstraße finden wir es nicht gut.“ Der Radständer vor den „Domstuben“ werde überhaupt nicht genutzt, aber es gebe Platz vor Schwimmbad und Turnhalle: „Da könnten wir uns etwas vorstellen. Das wäre ein zentraler Standort.“ Was Andreas Meitzke von der AfD noch bekräftigte: „Es gibt genug Stellen in Werden. Nur im absoluten Notfall dürfen Pkw-Stellplätze wegfallen, und schon gar nicht vor Edeka.“
Kompromissvorschlag kommt von der CDU
Für Heinz Schnetger (SPD) wäre es ohnehin zielführender, zunächst nicht über einzelne Parkplätze zu sprechen, sondern über zentrale Stellflächen. Aus seinem FDP-Herzen keine Mördergrube machte Gerd Kolbecher: „Wir sollten gezielte Entscheidungen treffen und nicht mit dem Rasenmäher durchgehen. Der Modal Split hat eine Zielsetzung, die an den Wünschen der Bürger völlig vorbeigeht.“ Was die Grüne Hilde Hess-Steinhauer konterte: „Es gibt auch radfahrende und fußgehende Bürger. Wir müssen wegkommen von der Verschmutzung der Luft durch Autoverkehr.“
Dem CDU-Politiker Herbert Schermuly gelang ein Kompromissvorschlag: „Wir sollten eine Bestandsaufnahme machen im Bezirk, wo wir Fahrradstellplätze einrichten könnten, ohne Pkw-Parkplätze zu opfern.“ So soll es geschehen.