Essen. Vor 50 Jahren organisierten Essener Besuche in der Landesklinik Bedburg-Hau. So entstand ein Verein, der für die Rechte psychisch Kranker kämpft.

Die Essener Kontakte entstanden in einer Zeit des politischen Aufbruchs. Als der junge Journalist Jürgen Thebrath 1972 auf eigene Initiative hin in der Landesklinik Bedburg-Hau recherchierte, fand er bestürzende Lebensumstände der psychisch Erkrankten vor. „Besonders erschütternd war die Einsamkeit der Patienten“, erinnert er sich. Er verfasste einen Artikel für die WAZ, verbunden mit einem Aufruf an die Essener Bürger, sich für die Betroffenen zu engagieren. Die Resonanz war beeindruckend: Innerhalb kurzer Zeit entstand eine Bürgerinitiative, die zunächst Busfahrten für Angehörige in die Landesklinik organisierte.

Essener organisierten Besuchspaten für einsame Patienten in der Landesklinik

Die Zugverbindungen vor 50 Jahren waren so schlecht, dass eine Hin- und Rückreise in die Landesklinik an einem Tag nicht möglich war. Mit den Bussen kamen die Verwandten zu den Patienten. Und für jene, die keine Angehörigen mehr hatten, wurden bald Besuchspatenschaften eingerichtet. Und schließlich wurde vor 50 Jahre der Verein Essener Kontakte gegründet, der eine gute Versorgung von psychisch Kranken in Essen forderte.

„Die Vielfalt unserer Leistungen hat sich also im Laufe der Jahre deutlich erweitert“, sagt Ulrike Geffert von den Essener Kontakten e.V.
„Die Vielfalt unserer Leistungen hat sich also im Laufe der Jahre deutlich erweitert“, sagt Ulrike Geffert von den Essener Kontakten e.V. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

[In unserem lokalen Newsletter berichten wir jeden Abend aus Essen. Den Essen-Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen.]

Am Freitag (12.8.) wird bei der einer Veranstaltung mit 200 geladenen Gästen also nicht allein die Vereinsgründung gefeiert, sondern auch ein halbes Jahrhundert bürgerschaftliches Engagement in Essen. Der Aufsichtsratsvorsitzende Franz-Josef Britz wird dann schildern, wie der Verein nach seiner lebhaften Pionierphase dem Ruf nach mehr Professionalisierung folgte. So entwickelten die Essener Kontakte mit Unterstützung des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) und der Stadt als erster Anbieter in Essen eine breite Angebotspalette: angefangen beim betreuten Wohnen, das ein hohes Maß an Selbstständigkeit ermöglicht und auch Eigenverantwortung und Selbstorganisation der psychisch Erkrankten stärkt.

Von der Beratung bis zur Kreativgruppe

Nach und nach entstanden eine Tagesstätte, ein Pflegedienst, Arbeitsprojekte sowie der bis heute wichtigste Baustein: die Kontakt- und Beratungsstelle. Von Selbsthilfe über besondere Bildungsangebote bis hin zu Kreativgruppen reichen die Angebote: „Die Vielfalt unserer Leistungen hat sich also im Laufe der Jahre deutlich erweitert“, berichtet Ulrike Geffert, ehemaliges Vorstandsmitglied. Die Aufgabenfelder seien so ausdifferenziert, dass die Essener Kontakte inzwischen zwei gemeinnützige GmbHs ausgegründet haben: Contigo-Ruhr und Palette-an-der-Ruhr“.

Unterstützung für psychisch Kranke

Der Verein Essener Kontakte wurde von Menschen gegründet, die für ihre psychisch kranken Angehörigen eine gute Versorgung in Essen sicherstellen wollten. Der Verein unterstützt psychisch Kranke, Behinderte und Genesende und hat sich der Aufklärung der Bevölkerung verschrieben.

Als Träger eines Sozialpsychiatrischen Zentrums in Essen bietet der Verein: die Kontakt- und Beratungsstelle „Treffpunkt“, Psychosoziale Prozessbegleitung, die Regionalgruppe „Verrückt? Na und!“, Leben in Gastfamilien (Liga), Cooles für Kids und die Gemeindepsychiatrische Basisversorgung.

Die Essener Kontakte sind erreichbar unter: 0201-740777 oder per Mail: ; Infos auf: www.essener-kontakte.de

Außerdem schreibe der Verein seit jeher Vernetzung groß, ergänzt Christina Zindel, geschäftsführender Vorstand des Vereins. „Wir kooperieren mit Kliniken, niedergelassenen Ärzten, setzen Angebote der Krankenkassen um, unterstützen das Bündnis gegen Depressionen und stehen als Ansprechpartner für Behörden zur Verfügung.“

Motto der Essener Kontakte: „Verrückt – na und?!“

„Wir kooperieren mit Kliniken, niedergelassenen Ärzten, setzen Angebote der Krankenkassen um, unterstützen das Bündnis gegen Depression und stehen als Ansprechpartner für Behörden zur Verfügung“, sagt Christina Zindel von den Essener Kontakten.
„Wir kooperieren mit Kliniken, niedergelassenen Ärzten, setzen Angebote der Krankenkassen um, unterstützen das Bündnis gegen Depression und stehen als Ansprechpartner für Behörden zur Verfügung“, sagt Christina Zindel von den Essener Kontakten. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Neben der praktischen Unterstützung und der Beratung von Betroffenen und Angehörigen hatte sich der Verein von Anfang an auch der Aufklärung über psychische Erkrankungen verschrieben. „Vor allem freut uns daher, dass wir seitens der Bevölkerung immer mehr Verständnis für die Zielgruppe erfahren“, sagt Christina Zindel. „Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass viele in den Lockdowns während der Coronapandemie selbst erlebt haben, wie belastend soziale Isolation ist.“

Bei den Essener Kontakten komme auch die Lebensfreude nicht zu kurz, so setze der Verein auch fantastische Ideen um: vom „Doggy Day“ über den Tangokurs bis zum Jugend-Theaterstück, Motto: „Verrückt – na und?!“