Essen-Werden. Bürger der Laupendahler Landstraße in Werden sprachen zum Flut-Jahrestag mit Dezernent Christian Kromberg und Feuerwehrchef Thomas Lembeck.
Seine in dieser Zeitung geäußerte Forderung nach mehr Eigenverantwortung der Bürger stieß zunächst auf Empörung. Doch Christian Kromberg kann darstellen, dass es ihm ausschließlich darum geht, die Essener zu sensibilisieren und fit zu machen für zukünftige Katastrophen. In der Gaststätte Lujo am Baldeneysee trifft der Ordnungsdezernent in Begleitung von Feuerwehrchef Thomas Lembeck am Jahrestag der Jahrhundertflut von 2021 auf Anwohner der Laupendahler Landstraße.
Holger Kleine hatte eingeladen: „Für uns alle war das eine herausfordernde Situation. Das möchte keiner von uns noch einmal erleben.“ Rund 25 seiner Nachbarn warten gespannt auf Antworten: „Was hat die Stadt Essen seit der Hochwasserkatastrophe getan beziehungsweise wird noch tun?“
Stadtteil Essen-Werden hat jetzt seine Sirene
Für Christian Kromberg steht außer Frage, dass Fehler gemacht wurden: „Wir als Stadt müssen da besser werden. Wir waren nicht ausreichend vorbereitet, hatten noch kein Sirenensystem aufgebaut an der Ruhr, um die Bevölkerung zu alarmieren. Werden hat jetzt seine Sirene.“
Thomas Lembeck macht deutlich, wie zukünftig die Kette funktioniert: „Wir wecken Sie mit der Sirene, wir informieren über die Nina-App, wir reden mit Radio Essen, wir teilen Infos über die sozialen Medien.“ Auch setze man zukünftig auf „Cell Broadcast“. Zur Warnung würden Textnachrichten an alle Empfänger innerhalb einer Funkzelle versendet: „Wir erhoffen uns so deutlich mehr Aufmerksamkeit.“
Es gibt großes Lob für die Freiwillige Feuerwehr und die vielen Helfer, die sich spontan meldeten. Das mit den finanziellen Soforthilfen habe bestens geklappt, die Verwaltung habe da tolle Arbeit geleistet. Christian Kromberg nimmt das Lob gerne mit und gibt auch eins zurück: „Die Eigeninitiative der Bürger beim Aufräumen war vorbildlich.“
Anwohner Rainer Henselowsky berichtet, Martin Mittweg von der Freiwilligen Feuerwehr Werden habe ihn gewarnt: „Gehen Sie in den Keller, vielleicht können sie noch was retten.“ Doch dann sei alles ganz schnell gegangen und auch das Erdgeschoss geflutet worden. Sein Nachbar Thorsten Gerigk fragt: „Warum hat der Ruhrverband nicht Bescheid gegeben, dass er flutet? Dann hätte man mit Lautsprecherdurchsagen warnen können.“ Man könne von Glück sagen, „dass niemand im Keller ersoffen ist.“
In Essen fehlten Einsatzkräfte der Feuerwehr
„Wir haben uns ordentlich beschwert bei denen, die die Talsperren geöffnet haben“, kommentiert dies Lembeck. Kromberg gibt zu: „Wir haben zwar gewusst, was von oben runter kommt. Aber wir wussten nicht, was das unten anrichten wird.“
Thomas Lembeck nickt: „Aufgrund der uns vorliegenden Informationen haben wir Einsatzkräfte nach Euskirchen geschickt. Die Kameraden haben dort viele Menschenleben gerettet. Aber sie fehlten bei uns in Essen. Das nehme ich auf meine Kappe.“
Betroffene sehen ein Versagen des Ruhrverbandes
Doch alle sind sich einig. Nicht die Stadt Essen oder ihre Feuerwehr haben versagt. Vielmehr müssten hier Bund, Land und Ruhrverband Rede und Antwort stehen, wie Henselowsky betont: „Am 9. Juli hat der Ruhrverband eine 94,5 prozentige Füllung seiner Talsperren vermeldet. Da hätte man kontrolliert ablassen können. Das wurde versäumt.“ Er deutet an, die Katastrophe habe beim Ruhrverband offenbar zu personellen Konsequenzen geführt.
Christian Kromberg zeigt sich nachdenklich: „Meine Sorge ist, dass bei Warnung niemand reagiert. Wir haben das verlernt.“ Das gelte nicht für die sensibilisierten Bewohner der Laupendahler Landstraße. Aber was, wenn er dreimal warne, und es passiere dann doch nichts? Wer nehme das noch ernst beim vierten Mal? Ein heikles Thema, die Werdenerin Claudia Jöllenbeck ist aufgewühlt: „Wir waren im Keller, um Dinge zu retten, und sind erst auf den letzten Drücker raus. Es ist ein Wunder, dass bei uns in der Straße keiner gestorben ist. Da kann man gar nicht oft und früh genug warnen.“
Es bleibt ein umfassender Aufgabenkatalog
Was den Dezernenten noch umtreibt: „Wie können die Bürger sich baulich schützen? Dürfen wir zukünftig so nah am Ufer bauen lassen? Sollten wir Schutzwände kaufen, wie es sie in Köln gibt? Wie können wir die Stadt resilienter gestalten, Stichwort Schwammstadt? Wie können wir genügend Sandsäcke und Personal vorhalten?“
Ein umfassender Aufgabenkatalog. Thomas Lembeck spricht nach dreistündiger Diskussion eine Gegeneinladung aus. Am 13. Juni 2023 wird man sich in der Hauptwache an der Eisernen Hand wiedersehen.