Essen-Kettwig. Im Juli 2021 sorgte das Hochwasser der Ruhr in Essen-Kettwig für schwere Zerstörungen. Wie ein betroffenes Ehepaar sein Heim wieder herrichtete.
Zunächst hatten sich Christina und Gerhard Hoffmeister keine großen Sorgen gemacht, als vor einem Jahr tagelanger Dauerregen die Ruhr ansteigen ließ. Zwei Pumpen im Keller sorgten bei drückendem Grundwasser in so einem Fall stets für Abhilfe. In diesem Sommer beobachten die beiden Kettwiger den Fluss dagegen mit sorgsamer Aufmerksamkeit. Das Hochwasser, das ihr Fachwerkhaus in Vor der Brücke Mitte Juli 2021 fast zunichte machte – es hat seine Spuren nicht nur am Gebäude hinterlassen.
„Ich höre noch das Rauschen“, sagt Christina Hoffmeister. Und je näher der Stichtag rücke, desto eindrücklicher wird die 73-Jährige an die Ereignisse der Jahrhundertflut vom 14./15. Juli 2021 erinnert. „Bisher hat man ja nur funktioniert, um alles wieder in Ordnung zu bringen. Jetzt kommen die Erinnerungen wieder hoch.“ Die Tür zum Waschraum, die sie am Morgen aufmachte, um nach dem gurgelnden Geräusch zu schauen – und gleich wieder zuschlug. Da war das schlammige Ruhrwasser bereits ins Haus an der Straße Zur Alten Fähre eingedrungen.
Einrichtung und Holzdielen waren voll Wasser gesogen
Dann ging alles ziemlich schnell. Die Feuerwehr räumte die Häuser an den flussnahen Straßen. Ein paar Habseligkeiten und die Katze griff sich das Paar, bevor es zusehen musste, wie der Pegel der Ruhr immer weiter stieg. „Der Keller stand vollkommen unter Wasser, im Erdgeschoss stieg es bis gut 1,50 Meter hoch“, sagt Gerhard Hoffmeister. Mitten im Fluss sah die Kettwigerin ihren Blumenkübel davonschwimmen. Ein Teil des Gartenzauns war weg. Im Viertel wurde der Strom abgeschaltet, die Betroffenen durften nicht mehr in die Häuser. Hoffmeisters kamen bei Sohn und Schwiegertochter an der Werdener Straße unter.
Kaum jemand ahnte, welchen Schaden das Hochwasser angerichtet hatte, als sich die Ruhr einen Tag später fast wieder in ihr Bett zurückgezogen hatte. „Unser Kühlschrank war auf die Küchenzeile gekippt, die Anrichte aus Weichholz war hinüber“, berichtet Gerhard Hoffmeister. Und überall Schlamm. Im Wohnzimmer war die Ledercouch vollgesogen mit Wasser, braune Suppe auf Regalen, an den Wänden. Die Bücher waren nur noch Matsche, Holztüren und Dielen perdu. Der Esstisch schien es gut überstanden zu haben, die LP-Sammlung des 74-Jährigen dagegen nicht. Aus dem Plattenspieler rann das Wasser, als die Helfer ihn aus dem Haus trugen.
Helfer aus der Nachbarschaft packten mit an
Die Helferinnen und Helfer, sie kamen zahlreich und waren schon kurz nach der Katastrophe vor Ort. „Leute, die wir gar nicht kannten. Sie haben einfach angepackt, rausgeschleppt, gestapelt, Schlamm rausgeholt. So eine tolle Nachbarschaft, wir sind so unendlich dankbar“, erzählt Christina Hoffmeister und muss schlucken: „Wir haben nur auf der Bank sitzen können und haben geheult.“ Seit 1986 lebt das Paar in dem historischen Haus, das um 1840 erbaut wurde und in seiner langen Geschichte sicherlich so manche Stürme und Hochwasser überstehen musste.
Die tosenden Wassermassen der Ruhr – für viele Menschen ein tolles Schauspiel, das sie mit dem Smartphone einfingen. Für die Betroffenen war dies nur nervig, sie empfanden es als unangemessen. „Und dann wurde im Sperrmüll gewühlt. Einer fragte, ob ich ihm nicht unseren Schrank beiseite stellen könnte, er hätte gerade keine Transportmöglichkeit“, erinnert sich Gerhard Hoffmeister und schüttelt den Kopf.
Ärgerlich sei auch gewesen, dass sich zwar der Oberbürgermeister habe am Ort blicken lassen und Container in Aussicht stellte, sich dann von der Stadt aber niemand mehr um den Abtransport der riesigen Sperrmüllmengen gekümmert habe. Gerhard Hoffmeister: „Der Lions Club war vor Ort, hat uns alle unterstützt, wo es nur ging. Mit Elektrogeräten, mit Möbeln, mit Geld.“ In der benachbarten Gaststätte Zur Alten Fähre gab es nicht nur Mittagessen, sondern auch jegliche Unterstützung bei der Organisation von Handwerkern. Bauer im Brahm und andere Landwirte räumten schließlich mit Baggern den Sperrmüll in den Straßen weg.
Bis Weihnachten liefen die Bautrockner im Haus
Dennoch war sich das Rentnerpaar nicht sicher, ob es die Kraft aufbringen würde für den Wiederaufbau. „Einfach abschließen und wegziehen“, das war die erste Reaktion von Christina Hoffmeister, als sie hörte, wie lange es dauern würde, das Haus wieder trocken zu bekommen. Sie wagten es trotzdem.
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Bis Weihnachten liefen die Bautrockner in Keller und Erdgeschoss, während sich das Paar für die nächsten Monate im Obergeschoss einrichtete. Vieles konnte Gerhard Hoffmeister, der als Messe-Designer gearbeitet hat, selbst machen. Dennoch sei es eine Knochenarbeit gewesen, resümiert der Rentner im Rückblick. Zusätzlich habe man für alles in Vorleistung gehen müssen. Die staatlichen Unterstützung für die Flutopfer seien nur kleckerweise gekommen. Im Februar 2022 kam die letzte Zahlung. „Ohne Rücklagen wäre hier nichts gelaufen“, sagt er und fragt sich, wie andere das gepackt haben.
Fragen an die Stadt und den Ruhrverband bleiben
Überhaupt: „Warum haben Stadt und Ruhrverband uns nicht rechtzeitig vorgewarnt? Es war doch abzusehen, dass übers Stauwehr Wasser abgelassen werden musste“, fragen die Kettwiger. Der Ruhrverband habe sich kein einziges Mal in Vor der Brücke blicken lassen. Inzwischen sei zwar alles wieder hergerichtet im Haus, aber ein bitterer Nachgeschmack bleibe. Und das ungute Gefühl, wenn der Fluss wieder einmal stark rauscht.