Essen-Werden. Ein Essener Projektentwickler hat das Kardinal-Hengsbach-Haus vom Bistum gekauft. Wer dahinter steckt und was mit dem Gelände passieren soll.
Im Frühjahr diesen Jahres ließ eine Nachricht die Werdener Bürgerschaft aufmerken: Der Essener Immobilien- und Projektentwickler FC Real Estate hat das Kardinal-Hengsbach-Haus vom Bistum Essen gekauft. Seither fragen sich viele, was aus dem früheren Priesterseminar und Tagungshaus mit dem 45.000 Quadratmeter großen Areal wird. Erste Einblicke geben jetzt die Investoren.
Das Märchen vom Tellerwäscher zum Millionär
Zunächst einmal: FC Real Estate gehört zum Netzwerk der Crealize GmbH, einer Kreativschmiede für Start-Up-Unternehmen. Der Ideengeber und Gründer von Crealize ist Jacob Fatih, der Ende der 90er Jahre als Migrant nach Deutschland kam, sich 2009 mit den FitX-Studios einen Namen machte und in der Mountainbike-Branche reüssierte. Auch das Spa Wellnest ist ein Begriff in Essen – Fatih hat es aus der Taufe gehoben. Durch die Crealize Biotop GmbH, mit der die FC Real Estate verbandelt ist, engagiert sich Jacob Fatih letztlich auch im Bereich Immobilienentwicklung.
Soweit der komplizierte Teil der Geschichte, die ein bisschen was von „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ hat. Einfacher ist, was Jacob Fatih mit dem Kardinal-Hengsbach-Haus bzw. dem Grundstück verbindet. Und warum er dort die Villa Franzenshöhe rekonstruieren möchte. Ihn fasziniere, so sagt er, die Geschichte der ehemaligen Eigentümer, der jüdischen Bankiersfamilie Hirschland, die sich trotz starker Repressalien durch die Nazis erst Ende der 30er Jahre zur Emigration in die USA entschloss.
Fatih selbst musste den Iran mit 23 Jahren aus politischen Gründen verlassen. Und eine weitere Parallele: Mütterlicherseits gibt es jüdische Vorfahren. „Außerdem bin ich in Werden heimisch geworden“, bekräftigt Fatih seine Motivation, ausgerechnet die Bistums-Immobilie zu erwerben. „Das ist schon eine Herzensangelegenheit für mich.“ Er sei froh, dass das Bistum der FC Real Estate gegenüber rund 60 Mitbietern den Vorzug gegeben habe. „Unser Konzept hat überzeugt.“
Derzeit bietet das Kardinal-Hengsbach-Haus gut 200 Geflüchteten aus der Ukraine eine Heimstatt. „Da ich weiß, was Flucht bedeutet, war es keine Frage, als OB Thomas Kufen auf uns zukam mit der Bitte, das Haus zur Verfügung zu stellen“, sagt Jacob Fatih. Es sei damit zu rechnen, dass der Zuwandererstrom auch noch längere Zeit bestehen bleibe.
Wie eine spätere Nutzung aussehen wird, dazu gebe es verschiedene Überlegungen, teilt Hans Reidick, Architekt und Geschäftsführer von FC Real Estate, mit. Die weitläufigen Gebäude der ehemaligen Tagungseinrichtung könnten von Firmen aus dem Gesundheits- oder Bildungswesen genutzt werden. Modernisierungen und Anpassungen im Gebäude, immer unter Wahrung des historischen Bestands, seien nicht ausgeschlossen. Reidick: „Das hängt aber stark von den späteren Nutzungen ab.“
Werdener Historiker forscht zur Geschichte der Villa
„Viele sind der Ansicht, dass für den Bau des Kardinal-Hengsbach-Hauses die Villa Franzenshöhe abgerissen wurde, dem ist aber nicht so. Sie stand noch fünf Jahre“, klinkt sich Norbert Fabisch ein. Der Werdener Historiker ist Experte für die Geschichte der Bankiersfamilie Hirschland und ihr Leben auf der Dahler Höhe. Fatih und Reidick haben ihn mit ins Boot geholt, um mit seiner Hilfe einen möglichst detailgetreuen Aufbau der einstigen Villa – im Volksmund „kleine Villa Hügel“ – realisieren zu können.
Auch soll dem öffentlichen Park zu neuer Blüte verholfen werden. Was Norbert Fabisch, der seine umfangreichen Forschungserkenntnisse gerade für ein Buch aufbereitet, sehr freut. So könne auch das unter Denkmalschutz stehende Teehaus, das 1923 von Georg Metzendorf, dem Architekten der Margarethenhöhe, konzipiert wurde, wieder erstrahlen. „Es könnte so ein Kleinod wie das Dingerkus-Haus werden“, schwärmt Fabisch und berichtet von herunterfahrbaren Fensterfronten, die sich Bankier und Kunstmäzen Georg Hirschland extra einbauen ließ. „Zuletzt nutzte das Bistum das Haus als Schreinerwerkstatt.“ Mittlerweile steht es leer und wird von Gestrüpp umwuchert.
Ein Haus für Geflügel, ein kleiner Ausschichtsturm, der wohl als Wasserspeicher diente, Gewächshäuser, Nutzgärten, ein See und ein Tennisplatz gesellten sich zum Teehaus hinzu, berichtet Fabisch. „Und die Hirschlands hatten das erste beheizte Freibad in Essen. Darin soll, aber das ist unbestätigt, noch Kardinal Hengsbach geschwommen sein.“ Ebenso wie die Villa, die zunächst eine Bibliothek beherbergte, sei dem Bistum aber der Unterhalt des Schwimmbeckens zu teuer geworden. Die Villa wurde abgerissen, das Becken zugeschüttet.
Das Motto: Ökologisch, ethisch, sozial
„Eine Fehlentscheidung“, findet Architekt Reidick und möchte das Gebäude nach altem Vorbild wieder herstellen. Aber in nachhaltiger Bauweise und energetisch auf dem neuesten Stand, getreu dem Motto von Crealize Biotop: ökologisch, ethisch, sozial. Einziehen sollen Firmen aus dem Veranstaltungsbereich. Außerdem soll eine Ausstellung die Geschichte der Villa und die Verdienste der Familie Hirschland für die Stadt Essen würdigen.
Wirtschaftlich tragen müsse sich das ganze Projekt natürlich schon, sagt Jacob Fatih. Im Randbereich des Areals sollen Wohnimmobilien entstehen. Allerdings keine der von vielen Bürgern befürchteten Betonwürfel. Reidick: „Wir sind in Gesprächen mit der Stadt, wie wir unsere Vorstellung von nachhaltigem Bauen dort am besten verwirklichen können.“