Essen-Werden. . Das dunkle Kapitel in der Geschichte der Abtei Werden: 117 Jahre lang prägte das Zuchthaus das Stadtbild. Wie die Gefangenen lebten und litten.

Die Geschichte der Abtei Werden steht im Mittelpunkt zahlreicher Veröffentlichungen – bau- wie kirchengeschichtlicher. Die Nutzung des Komplexes als Gefängnis ist dort bestenfalls eine Randnotiz. Ein ungeliebtes dunkles Kapitel. Zu Unrecht, findet Norbert Fabisch. Immerhin 117 Jahre, bis 1928, war die Strafanstalt in der alten Abtei und heutigen Folkwang Universität der Künste ein prägendes Element im Stadtbild.

Ein erster Ansatz, die Gefängnis-Historie Interessierten nahe zu bringen, ist eine kleine Ausstellung, die Fabisch für die Vitrinen im Rathaus Werden konzipiert hat. Die könnte, so hofft der pensionierte Geschichtslehrer, später von der Hochschule übernommen werden. Die Ausstellung informiert über die „Königlich-Preußische Strafanstalt zu Werden an der Ruhr“. Ab Freitag, 10. März, ist sie zu sehen.

Zwangsarbeit im Zuchthaus

Die Enteignung kirchlicher Güter traf 1802 auch die Reichsabtei, sie wurde aufgehoben und Werden fiel an Preußen. In dem weitläufigen Klosterbau wurde 1811 das erste Zuchthaus der rheinischen Region eingerichtet – für bis zu 1000 Straftäter. „Bis 1800 gab es die Leibstrafe, die Leute wurden an den Pranger gestellt oder ihnen wurden Gliedmaßen abgehackt. Die Inhaftierung von Schwerverbrechern und die Zwangsarbeit in Zuchthäusern kam erst allmählich auf“, berichtet Fabisch, der vor gut zwei Jahren durch eine alte Postkarte auf das Thema aufmerksam wurde und seither in verschiedenen Archiven recherchiert hat.

Zur Erinnerung an Ihren unfreiwilligen Aufenthalt in der Strafanstalt Werden“ – diese Postkarte war Ausgangspunkt der Forschung von Norbert Fabisch.
Zur Erinnerung an Ihren unfreiwilligen Aufenthalt in der Strafanstalt Werden“ – diese Postkarte war Ausgangspunkt der Forschung von Norbert Fabisch. © Heinz-Werner Rieck

„Zur Erinnerung an Ihren unfreiwilligen Aufenthalt in der Strafanstalt Werden“, lautet die Postkarten-Botschaft des Anstaltsleiters für Entlassene. „Das sollten die sich wohl zur Besserung aufs Regal stellen“, sagt Fabisch. „Doch die wenigstens kamen raus.“

Üble hygienische Verhältnisse

Und das lag vor allem an den hygienischen Verhältnissen. Die Fäkalien wurden bis 1819 in Gruben gesammelt – und verseuchten die Brunnen. In den Gemeinschaftszellen wurden 50 bis 60 Leute zusammengepfercht – Krankheiten wie Typhus verbreiteten sich rasant. Die Gefangenen waren unterernährt, wurden bei Fehlverhalten schwer misshandelt. „Die Sterberate war hoch. Und in längere Haft kam man schon für Diebstahl.“

Bis 1842 waren auch Frauen inhaftiert. Kontakte zu den männlichen Gefangenen waren zwar verboten, sie gab es aber sehr wohl: Davon zeugen eine „Entbindungsstube“ und ein umfangreiches Geburtenregister. „Wenn die Kinder überlebt haben, kamen sie in Findelhäuser“, weiß Fabisch. Der auch von einer Initiative der Werdener Honoratioren berichtet: Es gab eine Gesellschaft zur sittlichen Besserung der Häftlinge. „Viel gebracht hat es nicht“, erklärt der Werdener, „ab 1850 ließ der Elan deutlich nach“. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts gab es einen umfangreichen Umbau zur typischen Gefängnisarchitektur mit Umwehrungsmauern. Die Lebensverhältnisse besserten sich etwas.

Inhaftierung von Honoratioren etwa der Firma Krupp

Kuriosum 1923: Die Inhaftierung von Honoratioren – etwa Direktoren der Firma Krupp und des Werdener Bürgermeisters Breuer – zur Durchsetzung von Reparationsforderungen in der französischen Besatzungszeit. „Beköstigt hat sie der Küchenchef des Hotels Kaiserhof“, kann Fabisch belegen. Übrigens nicht die einzige Anekdote, die die Ausstellung zu bieten hat. Acht Wochen lang ist sie im Rathaus Werden zu den Öffnungszeiten zu besichtigen.