Düsseldorf/Essen. Verdi macht ernst und will einen „Tarifvertrag Entlastung“ für die Beschäftigten der NRW-Unikliniken erzwingen. Was das für Patienten bedeutet.

Nach dem Auslaufen eines 100-Tage-Ultimatums an die Landesregierung macht die Gewerkschaft Verdi ernst. Sie will einen „Tarifvertrag Entlastung“ für die Beschäftigten der sechs Uni-Kliniken erzwingen. „In der Urabstimmung haben sich 98,3 Prozent für einen Streik ausgesprochen. Jetzt werden wir in den Streik eintreten“, sagte Verdi-Landesbezirksleiterin Gabriele Schmidt am Montag, obwohl NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) der Gewerkschaft deutliche Zeichen des Entgegenkommens sendete.

Am 1. Mai hatten die Spitzenkandidaten von CDU, FDP, SPD und Grünen bei der zentralen Maifeier in Dortmund Verständnis für die Forderungen der Uniklinik-Beschäftigen geäußert und zügige Verhandlungen mit dem Arbeitgeberverband des Landes NRW (ADL) befürwortet. „Das reicht aber nicht“, sagte Schmidt. Die Unterstützung aus der Politik komme sehr spät. Es gebe immer noch keine konkrete Verhandlungsperspektive mit dem Arbeitgeberverband.

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„Frust und Enttäuschung“ verspürten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Unikliniken darüber, dass sich die Landesregierung jetzt erst bewege. Zunächst werde Verdi „in geringem Umfang“ die Beschäftigten zu Warnstreiks aufrufen. Eine Ausweitung sei möglich, mit unbefristeten Streiks droht die Gewerkschaft derzeit aber nicht.

Streiks an Uni-Kliniken in NRW: „Tarifvertrag Entlastung“ für Beschäftigte

Der angestrebte „Tarifvertrag Entlastung“ soll die Personalbesetzung in den Kliniken verbindlich regeln, einen angemessenen Freizeitausgleich sicherstellen und die Ausbildungsbedingungen verbessern. Besonders die Personalbesetzung ist Verdi ein Dorn im Auge. Fachbereichsleiterin Katharina Wesenick sprach von einem „Notruf“: Ab einer Relation von sieben Patienten pro Pflegekraft „steige die Sterblichkeit“. Zum Teil sei aber eine Pflege-Fachkraft für bis zu 20 Patienten zuständig. Der Normalzustand gefährde daher die Patienten, nicht der Streik, so Lisa Schlagheck, Pflegerin an der Uniklinik Münster.

Verdi-Landesbezirksleiterin Gabriele Schmidt, hier am Sonntag in Mülheim, verkündete am Montag den Streikeintritt an den Unikliniken in NRW.
Verdi-Landesbezirksleiterin Gabriele Schmidt, hier am Sonntag in Mülheim, verkündete am Montag den Streikeintritt an den Unikliniken in NRW. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Streik-Notdienst-Vereinbarungen liegen inzwischen vor in den Unikliniken Münster, Bonn und Köln. Verhandlungen darüber laufen mit den Kliniken in Essen und Düsseldorf. Aachen hat eine Vereinbarung abgelehnt. Dort würden die Streikenden nun den Notdienst gemäß ihrem Angebot organisieren.

Verdi: Über Intensität der Streiks werde von Woche zu Woche neu entschieden

Über die Intensität der Streiks werde von Woche zu Woche neu entschieden, erklärte Gabriele Schmidt. Die Streiks umfassen nicht nur das Pflegepersonal, sondern auch Beschäftigte in Küchen, Reinigungsdiensten und in anderen Bereichen. Insgesamt arbeiten an den Unikliniken in NRW 36.000 Beschäftigte.

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In einem Brief von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) an die Verhandlungsführer von Verdi, der dieser Redaktion vorliegt, bekräftigte die Landesregierung am Montag, dass sie einen „Tarifvertrag Entlastung“ ermöglichen und die Arbeitsbedingungen in den Kliniken verbessern wolle. Am Mittwoch wollen Land und Verdi verhandeln.

Streik am Uniklinikum Essen über fünf Tage

Am Uniklinikum Essen wird es an den kommenden Tagen zu Einschränkungen in der Patientenversorgung kommen. Wie das Klinikum am Sonntag mitteilte, will die Gewerkschaft Verdi die Einrichtung fünf Tage lang bestreiken.

Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) sprach sich bei der 1. Mai-Demo am Sonntag solidarisch mit den Beschäftigten der Uniklinik aus.
Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) sprach sich bei der 1. Mai-Demo am Sonntag solidarisch mit den Beschäftigten der Uniklinik aus. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Auf der Mai-Kundgebung des DGB am Sonntag auf dem Burgplatz sprach sich OB Thomas Kufen solidarisch mit dem Anliegen der Beschäftigten der Uniklinik aus. „Wir brauchen dringend Verbesserungen im Gesundheitswesen“, sagte er. Kufen appellierte an beide Seiten, nun schnell an den Verhandlungstisch zu kommen, „auch im Interesse der Patienten“.

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Am Montag und Dienstag sind daher zunächst Warnstreiks geplant, ab Mittwoch soll es dann zu Streiks kommen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese auch über diese Woche hinausgehen werden.

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Das Universitätsklinikum rechnet daher mit „erheblichen Einschränkungen“ und befürchtet, auch mit Blick auf die Corona-Lage und die angespannte Situation an benachbarten Krankenhäusern, Auswirkungen über die Uniklinik hinaus.

OPs fallen aus, Ambulanzen schließen

Die Patienten müssten damit rechnen, dass Operationen verschoben werden und auch andere medizinische Versorgungen mit stationären Aufnahmen „nur in deutlich reduziertem Betrieb angeboten werden können“, heißt es in der Mitteilung.

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Die Streiks dürften auch Auswirkungen auf ambulante Behandlungen haben. Mit massiven Einschränkungen und Verzögerungen sei zu rechnen, da Ambulanzen geschlossen werden müssen. Das Uniklinikum Essen weist daraufhin, dass eine Vorab-Information an Betroffene nicht immer sichergestellt werden kann.