Essen. Der Druck sei hoch, und die Personalengpässe könnten sogar lebensbedrohlich für die Patienten werden. Essener Pflegekräfte über ihren Traumberuf.
In vertraulichen Gesprächen berichten Essener Pflegekräfte und andere Krankenhausbeschäftigte unlängst, dass sie dem Druck nicht mehr Stand halten und deswegen kündigen – oder ihre Arbeitszeit verringern, „weil wir nicht mehr können“. So wie jene junge Mutter von zwei Kindern, die als Teilzeitkraft eigentlich nur zu gerne wieder ein paar Stunden aufstocken würde, „das ist schließlich mein Traumberuf“. Möglich wäre das aber nur, wenn sich auf der Station etwas ändert, wenn die Arbeitsbelastung sinkt. Vollzeit, das kann sie sich derzeit ansonsten nicht vorstellen: „Ich brauche auch noch Kraft für meine Familie.“ Selbst im Urlaub würden die Mitarbeiterinnen angerufen: „Man kann gar nicht richtig abschalten.“
Junge Menschen werden in der Pflege-Ausbildung verheizt
Corona sei an der Personalmisere übrigens nicht schuld, aber „es setzt noch eins drauf“. Die heikle Personalsituation führe dazu, „dass junge Leute sehr schnell, vielleicht zu schnell Verantwortung übernehmen müssen“, sagen erfahrene Pflegekräfte. „Auch in der Ausbildung werden die Menschen so verheizt, dass keiner mehr Lust hat, weiterzumachen. Junge Leute, die sich drei Jahre durch das System gequält haben, haben keinen Bock mehr.“ Und jene, die ausbilden sollen, müssten sich mitunter um ein halbes Dutzend Auszubildende kümmern: Das schafft Druck und Frust.
Selbst auf Intensivstationen scheint die Lage bisweilen dramatisch: „Wir haben immer mehr Patienten und können sie nicht genug beobachten: Personalmangel überall“, heißt es. Ein Engpass, der in Ausnahmefällen auch schon mal tödlich verlaufen könne, wie eine Pflegekraft mit stockender Stimme berichtet, weil sie aus ihrem Team kurzzeitig abgezogen wurde: „Es sterben Menschen, das geht einfach nicht.“ Nicht für die Patienten, nicht für deren Angehörige und nicht für die Pflegekräfte: „Wissen Sie, was das mit uns macht?“
Streik in der Pflege als Notwehrmaßnahme
Jene, die ihre Situation so schildern, brechen immer wieder in Tränen aus. Die Klagen, der jetzt angedrohte Streik: „Das machen wir nicht aus Spaß, das ist Notwehr“, sagen sie. Die Wut darauf, dass sich trotz vieler Klagen nicht viel geändert hat, ist groß, aber manchen geht die Energie aus: „Wir werden müde zu kämpfen“, sagt eine Krankenschwester, die seit drei Jahrzehnten ihren Job bestreitet. Die Lage belastet nicht nur die Patienten, denen man immer wieder „keine Zeit, keine Zeit“ zurufen müsse, auch die Pflegekräfte nähmen den Druck mit nach Hause, in ihre Familien.
Dass die Krankenhäuser angesichts der Personalnot auf Leiharbeitsfirmen zurückgreifen, sorgt bei vielen Festangestellten für Unmut: Die Zeitarbeitskräfte seien oftmals nicht nur schlechter qualifiziert, „die suchen sich die Einrichtung und die schönsten Schichten aus“.