Essen. Während Vivawest noch „Erste Hilfe“ für ausgebrannte Mieter organisiert, keimt die Frage auf: Wie sicher lebt es sich hinter gedämmter Fassade?
Hundert Nachbarn sind weg, über Nacht, einfach so, und sie werden auch nicht wiederkommen. In einer Feuersbrunst, die selbst erfahrene Feuerwehrleute das Staunen gelehrt hat, sind sie ausgebrannt, was an sich schon verstörend genug wäre, aber in das Entsetzen der Mieterinnen und Mieter gleich nebenan mischt sich die Sorge, dass auch sie jederzeit Opfer einer solchen Brandkatastrophe werden könnten. Auch aus anderen Städten melden sie sich an diesem Montag bei Vivawest: „Ist das hier vergleichbar?“
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Die Frage liegt nahe, buchstäblich, denn der Gebäudekomplex, der da in der Nacht zum Montag vis-à-vis der Uni ein Raub der Flammen wurde, er hat wenige Meter weiter westlich einen baugleichen Zwilling: Der gleiche geschwungene L-Riegel, nur noch etwas länger, die gleichen Balkone, die gleiche Fassade. Im Ernstfall das gleiche Problem?
Vivawest: Vorwiegend wurde Mineralwolle verbaut, nicht brennbares Polystyrol
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Die Antwort auf diese Frage muss Vivawest einstweilen schuldig bleiben. Für den Konzern, der NRW-weit in 120.000 Wohnungen rund 300.000 Menschen ein Zuhause gibt, liegt an diesem Montag Priorität Nr. 1 auf der „Ersten Hilfe“ für die betroffenen Mieter. Sie sollen ein Dach über dem Kopf und ein paar Euro im Portemonnaie haben, denn die meisten mussten tatsächlich alles zurücklassen.
Aber natürlich hat auch Vivawest schon recherchiert, was da vor gerade mal sieben Jahren verbaut wurde, als die „Limbecker Höfe“ entstanden – so haben sie das aus 112 Wohneinheiten in mehreren Gebäudekomplexen bestehende Quartier getauft. Das Ergebnis reichen sie mit hörbarer Erleichterung weiter: Nicht etwa – wie von vielen vermutet – der brennbare Kunststoff Polystyrol sei als Dämmstoff genutzt worden, sondern „absolut überwiegend“ Mineralwolle, so betont Vivawest-Sprecher Gregor Boldt, und zwar auch an den Balkonen. Und Mineralwolle gilt -obwohl die Bilder aus der Nacht das Gegenteil zu beweisen scheinen – als vorwiegend nicht brennbar.
Warten auf die Brandermittler: „Diese Zeit müssen wir uns nehmen“
Und überhaupt: Der Bau sei mit den üblichen Auflagen und Abnahmen entstanden, auch was den Brandschutz angeht. Zuletzt seinen die Brandschutztüren im März vergangenen Jahres gewartet worden. Tiefer in bauphysikalische Details will man sich an diesem Brand-Tag nicht vorwagen. „Wir unterstützen die Brandermittlung der Polizei nach Kräften“, sagt Boldt, aber erst aus diesen Erkenntnissen werde man auch geeignete Rückschlüsse ziehen können. Bei allem Verständnis für mediale Neugierde und Mieter-Sorgen: „Die Zeit müssen wir uns nehmen.“
Dabei erwartet nicht nur Vivawest, sondern auch die Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt auf die Ergebnisse: Zu ihnen zählt auch Dirk Miklikowski, Chef der städtischen Wohnungsgesellschaft Allbau, die einst mit dem inzwischen verkauften Großprojekt „Pier 78“ im Univiertel andockte. „Wir sind sehr gespannt, was die Ursachenforschung ergibt“, sagt Miklikowski auf Nachfrage, und natürlich müsse man im Zweifel kontrollieren: „Haben wir ähnliche Systeme verbaut?“
Am Dienstag trifft NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach betroffene Familien
Dass die menschliche und die bauliche Dimension dieser Brandkatastrophe eng zusammengehören, lässt sich auch an einem anderen Umstand ablesen. Es ist NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach, die gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden von Vivawest Uwe Eichner am Dienstag mit betroffenen Familien ins Gespräch kommen will. Mit dabei: Essens Ordnungsdezernent Christian Kromberg und Feuerwehrchef Thomas Lembeck.