Essen. Erstmals zeigt eine Umfrage, wie stark die Essener Händler unter Corona gelitten haben und was sie sich für eine attraktivere Innenstadt wünschen
Zwei Lockdowns, Maskenpflicht, Click & Meet und schließlich 2G: Wie kaum eine andere Branche hat der Einzelhandel in Essen unter den Corona-Maßnahmen gelitten. „Die Auswirkungen waren durchaus dramatisch“, betont Sven Janssen, der das Firmenkundengeschäft der Commerzbank in Essen leitet. Die Bank hat jetzt die Ergebnisse einer Umfrage vorgelegt, die erstmals zeigt, wie stark die Corona-Krise den Essener Einzelhandel tatsächlich getroffen hat.
Demnach musste fast die Hälfte der Händler in dieser Zeit starke Umsatzrückgänge verkraften. Für 22 Prozent der Befragten war die Corona-Krise sogar existenzbedrohend. Ohne eigene Rücklagen wäre es wohl für noch mehr Geschäfte eng geworden. Jeder dritte Ladenbesitzer musste in der Krise auf sein Eigenkapital zurückgreifen. Befragt wurden Einzelhändler mit bis zu 15 Millionen Euro Jahresumsatz und damit keine großen Ketten.
Fast jeder zweite Händler brauchte staatliche Hilfen
Allerdings, so betont Janssen, spielten auch die staatlichen Hilfen eine wesentliche Rolle dabei, den Einzelhandel durch die Krise zu bringen. Immerhin 42 Prozent der Essener Händler haben diese Hilfen beantragt. „Man muss hier ein großes Lob an die Steuerberater aussprechen, die in kurzer Zeit eine wahnsinnige Arbeitsflut zu bewältigen hatten“, meint Janssen. Dennoch flossen die Gelder in vielen Fällen nicht schnell genug oder deckten längst nicht die laufenden Kosten. Immerhin jeder vierte Händler musste diese Erfahrungen machen.
In der Not wurden Einzelhändler aber auch erfinderisch, wie die Umfrage zeigt. Jeder Dritte veränderte seine Produktpalette, jeder Vierte baute seine Website aus oder setzte verstärkt auf neue Verkaufs- und Werbekanäle wie Social Media. Einige nutzten Möglichkeiten wie Click & Meet, führten Lieferservices ein oder boten Online-Beratungen an. „Es war beeindruckend zu sehen, wie die Händler Lösungen gefunden haben“, sagt Janssen.
Allerdings zeigt die Umfrage auch: Die große Mehrheit, nämlich 62 Prozent, tätigte in der Krise keine Investitionen. „Wenn die Umsätze wegbrechen, dann ist es natürlich schwer, Investitionen zu verantworten“, meint Janssen. „Dennoch sind diejenigen, die investiert haben, heute sicher besser aufgestellt.“
Bargeldloses Bezahlen auf dem Vormarsch
Einen regelrechten Schub gab es in Essen beim bargeldlosen Bezahlen. Bei 38 Prozent der Händler nutzen die Kunden in der Corona-Krise vermehrt kontaktlose Zahlmethoden wie EC- oder Kreditkarte. Das ist deutlich mehr als im bundesweiten Vergleich, wo dies nur 18 Prozent der Einzelhändler beobachtet haben. „Warum Essen hier deutlich vorn liegt, wissen wir nicht. Aber die Händler berichten uns, dass dies der Wunsch der Kunden ist“, so Janssen. Die Ladenbesitzer hätten deshalb entsprechend aufgerüstet. „Die Nachfrage nach EC-Cash-Geräten war sehr hoch“, berichtet der Bankmanager.
Das Meinungsforschungsinstituts Ipsos hatte im Auftrag der Commerzbank die Händler auch zu ihren Zukunftsaussichten befragt. 82 Prozent sahen damals die Zukunft ihres Unternehmens sehr bzw. eher positiv. Das waren etwas mehr als im bundesweiten Vergleich. Allerdings relativiert Janssen das Ergebnis mittlerweile und verweist auf den Zeitpunkt der Befragung Juni bis August 2021. Damals waren nach dem Lockdown die Geschäfte wieder geöffnet, die Inzidenz niedrig und die Impfungen in vollem Gange.
Weitere Ergebnisse der Umfrage
Nach der Wiedereröffnung der Läden im Mai 2021 verzeichneten 44 Prozent der Essener Einzelhändler eine rückläufige KundenfrequenzZwei von fünf der Einzelhändler in Essen – und damit mehr als im bundesweiten Vergleich – haben Kurzarbeit angemeldet. Nahezu jeder zehnte Unternehmer musste Kündigungen aussprechen.Händler konnten der Krise auch Positives abgewinnen: 46 Prozent spürten mehr Kreativität. Mehr Solidarität erlebten 44 Prozent der Einzelhändler. 42 Prozent stellten eine Stärkung des Teamgeistes fest. 32 Prozent der Ladenbesitzer nutzten die Zeit der Krise zur Entschleunigung. Gut ein Drittel nahm sich mehr Zeit für die Familie.
Omikron war noch in weiter Ferne, die 2G-Regel ebenso. „Wenn man die Händler heute fragen würde, wäre der Optimismus wohl eher gedämpft“, weiß Janssen aus Gesprächen mit seinen Firmenkunden. Hinzu kämen Probleme mit Lieferketten und die Sorge, dass Mitarbeiter krankheitsbedingt ausfallen.
Händler wünschen sich mehr Parkplätze in der Innenstadt
Als Folge der Corona-Krise befürchten 70 Prozent der Händler eine Verödung der Innenstadt durch Geschäftsschließungen innerhalb der nächsten fünf Jahre. Die Antwort auf die Frage, was die Stadt dafür tun kann, um die Innenstadt attraktiver zu machen, fällt deutlich aus: Sieben von zehn der Essener Einzelhändler wünschen sich mehr Parkplätze inklusive Elektroladestationen für ihre Kunden. 54 Prozent wünschen sich den Ausbau der Zweirad-Infrastruktur und auch mehr Grünflächen. Das sind allerdings weniger als im bundesweiten Vergleich.