Essen. Kunst im öffentlichen Raum hat in Essen seit Jahren einen schweren Stand. Nicht nur der Ankauf von Werken soll nun wieder angeschoben werden.
Ist das Kunst oder kann das weg? Der alte Spruch wird immer wird noch gerne bemüht, wenn sich die öffentliche Meinung mal wieder an kühnen Formen und ungewöhnlichen Materialien reibt. Doch die Frage stellt sich in Essen so gut wie gar nicht, denn es gibt kaum Anlässe dazu: Der Ankauf von Skulpturen, die künstlerische Bespielung des öffentlichen Raums, performative oder temporäre Arbeiten finden entweder gar nicht oder meist nur unterhalb der öffentlichen Wahrnehmungsschwelle statt.
Ermöglicht werden sie vorzugsweise von privaten Initiativen, wie in Kettwig, Werden oder am Moltkeplatz, wo sich bemerkenswerte Kunst-Cluster gebildet haben. Doch das soll sich jetzt ändern.
Neue Kommission soll auch das Museum Folkwang und die Folkwang-Uni einbeziehen
Pünktlich zum 100-jährigen Bestehen des Museum Folkwang und als Auftakt der geplanten Folkwang-Dekade wird ab 2022 ein jährlicher städtischer Kunst-Ankaufsetat zur Verfügung stehen. Außerdem will der Kulturausschuss in seiner Sitzung am 1. Dezember über die Neuaufstellung des Berater-Gremiums diskutieren. Aus der „Jury Kunst im öffentlichen Raum“ soll die „Kommission Kunst im öffentlichen Raum“ werden. Bei der Namensänderung soll es nicht bleiben.
Das Expertengremium, in dem neben verschiedenen Stadt-Ämtern auch das Museum Folkwang, die Folkwang-Universität, die Hochschule bildender Künstler, Untere Denkmalschutzbehörde und Gruga sowie die Bereiche Stadtplanung und Architektur und auch Künstler selber vertreten sein werden, soll künftig auch mehr Einflussmöglichkeiten bekommen.
Ein Neustart steht seit Jahren auf der Agenda. Doch mittlerweile hat das Thema Kunst im öffentlichen Raum schon fast so viel Grünspan angesetzt wie die über die Stadt verteilten Kunstwerke. 2017 hat der Kulturausschuss die Verwaltung deshalb bereits beauftragt, Vorschläge zur Optimierung des Bereichs zu entwickeln. Passiert ist seither vergleichsweise wenig und manches davon unkoordiniert. Mal wurde Albert Hiens Lichtinstallation „Zoo“ am Rüttenscheider Markt mit privaten Spendengeldern wieder ans Leuchten gebracht, mal konnten sich die Werdener Bürger über die Aufstellung von Robert Löcherbachs „Musica und Herold“ freuen. Mal wagte sich ein von Vonovia ausgeschriebener Skulpturenwettbewerb in die Peripherie der Stadt, ins Eltingviertel.
Dass die Kunst im öffentlichen Raum aber breite Wahrnehmung gefunden und Debatten losgetreten hat, wie einst die Aufstellung der umstrittenen Spitzer-Spirale, liegt 25 Jahre zurück. Seither fristet der stählerne Koloss, oft besprüht und vielfach missachtet, sein Dasein am Eingang zum Kennedyplatz. Die geplante Umsiedlung scheiterte an juristischen Vorgaben.
Und auch die Jury für Kunst im öffentlichen Raum, die 1994 im Vorfeld gebildet wurde, fühlt sich seit Jahren mehr oder minder geparkt – und vor allen Dingen arbeitslos. Geld für städtische Neuankäufe hat es lange nicht gegeben. Sponsoren und Förderverein üben Zurückhaltung. Abgesehen von der Nationalbank, die ihr eigenes Programm fährt und nach dem „Uranos“ von Markus Lüpertz vis-à-vis des Grillo-Theaters derzeit in Bredeney die Aufstellung einer Arbeit des Bildhauers Stefan Balkenhol vorbereitet. Dass das honorige Engagement in Kunstkreisen nicht nur Applaus erfährt, dürfte auch an der Grundsatzfrage liegen, wie weit man die ästhetische Ausgestaltung des öffentlichen Raums dem Geld und Gusto einiger weniger Kunstförderer überlassen sollte.
Die Jury für Kunst im öffentlichen Raum will auch selber Ankaufs-Vorschläge machen
„Immerhin bewegt sich überhaupt etwas und sorgt für Diskussionen“, sagt Gerd Mahler, langjähriger Vorsitzender der zumeist zwangsuntätigen Kunst-Jury, der seit Jahren auf Satzungs-Änderungen drängt und zuletzt 2019 noch einmal darum geworben hatte, dem Gremium eine neue Geschäftsordnung und damit mehr Handlungsspielraum zu geben: Die Jury dürfe nicht nur dafür da sein, beratend tätig zu sein und schon auf den Weg gebrachte Projekte abzusegnen, sondern müsse auch selber initiativ werden und dem Kulturausschuss Vorschläge machen können.
Diese Möglichkeit soll es in Zukunft geben. Außerdem soll die Kommission „bei allen Entscheidungen über künstlerische Interventionen oder Installationen von Kunst im öffentlichen Raum und/oder auf städtischen Grundstücken über den Rat beteiligt werden“, heißt es in der Vorlage. Kunst im öffentlichen Raum sei „ein herausragender Bestandteil der Stadtkultur und Stadtentwicklung“ und trage maßgeblich zur Stadtidentität und Identifikation bei. Neben der Aufstellung von Kunstwerken im öffentlichen Raum soll es dabei künftig auch um künstlerische Interventionen und Performances, um temporäre und permanente Werke für Straßen, Plätze, Grünanlagen gehen.
Was sich davon in den nächsten umsetzten lässt, wird sich zeigen. Zunächst einmal soll auch die vernachlässigten Arbeiten wieder aufpoliert werden. Für die Reinigung von Kunstwerken im Essener Stadtgebiet sind zunächst einmal 20.000 Euro veranschlagt.