Essen-Katernberg. Auf der Suche nach einem neuen Zuhause schwärmen Bienen in ganz Essen aus. Das könnte für sie tödlich enden – wären da nicht die Imker.
An einem Ast, am Gitterzaun oder am Autospiegel: Auf der Suche nach einem neuen Zuhause versammeln sich oft Zehntausende Bienen eines Volkes an ungewöhnlichen Orten im Essener Norden – an denen sie nicht überleben könnten. Daher kommen Katernberger Imker zu ihrer Rettung.
„Dieses Jahr war ein Schwarmjahr“, sagt Peter Dethier-Kinkel, zweiter Vorsitzender des „Imkervereins Katernberg und Umgebung“. Allein er habe in diesem Frühjahr und Sommer zehn Schwärme einfangen müssen. Warum in diesem Jahr so viele Völker losgezogen sind, können die Imker nicht sicher sagen. Sie vermuten, dass es mit dem „verrückten“ Wetter in diesem Frühjahr zusammenhängt.
In diesem Jahr sind besonders viele Bienen im Essener Norden ausgeschwärmt
Dass Bienen ausschwärmen, sei prinzipiell nichts Besonderes: Wenn es zu eng wird, verlässt ein Teil des Volkes mit seiner Königin den Bienenkasten, um ein neues Zuhause zu finden. Das restliche Volk bleibt bei einer neuen Jungkönigin. „Da, wo die alte Königin sich hinsetzt, landen auch alle anderen Bienen. Das können bis zu 30.000 aus einem Volk sein. Da wird der Himmel über einem dunkel.“
Das Problem sei, dass ausgeschwärmte Völker in der Stadt kaum eine Chance haben, ein sicheres neues Zuhause zu finden: „Ein hohler Baum wäre zum Beispiel ein geeigneter Ort. Aber solche natürlichen Behausungsmöglichkeiten gibt es kaum. Ich kenne nur einen einzigen Bienenschwarm, der in einer alten Pappel in Katernberg lebt.“
Feuerwehr musste Imkern bei Schwarmrettung in Essen-Karnap helfen
Würden die Imker die Schwärme nicht wieder einfangen, würden sie verhungern. Denn bevor sie losziehen, saugen sie sich mit Honig voll. „Das ist ihr Proviant. Aber der reicht nur für maximal drei Tage. Wenn wir die Tiere nicht einfangen, sind sie dem Tode geweiht, weil sie verhungern.“
An eine Rettungsaktion Ende Mai erinnere sich Dethier-Kinkel noch besonders gut: Ein Bienenvolk versammelte sich in einem Baum an der Arenbergstraße in Karnap. Der Ast hing allerdings so hoch, dass die Imker keine Chance hatten, mit einer Leiter an die Bienen zu kommen – und riefen daher die Feuerwehr.
Essener Imker Dethier-Kinkel: „Die meisten Stiche werden nicht mal dick.“
Mithilfe einer Drehleiter konnte Dethier-Kinkel zu der Traube hinauffahren. „Die Bienen sitzen ganz ruhig auf einem Klumpen. Zuerst haben wir sie nass gesprüht, damit sie nicht davonfliegen können. Dann haben wir einen großen Eimer unter den Schwarm gehalten und am Ast gerüttelt, damit die Bienen in den Eimer fallen. Manchmal schneiden wir auch den ganzen Ast ab.“
Bei der Rettungsaktion ist der Imker in seine Schutzkleidung gehüllt. Ganz vor Stichen ist er dennoch nicht geschützt. Acht Mal wurde Dethier-Kinkel gestochen, insgesamt waren es in diesem Jahr schon mindestens 30 Stiche, schätzt er. Aber: „Ich bin seit sieben Jahren Imker. Irgendwann merkt man das gar nicht mehr.“
Eingefangene Bienenschwärme finden neues Zuhause bei Jungimkern
Wieder am Boden angekommen, werden die Tiere „mit einem Ruck“ in eine spezielle Kiste umgefüllt. Diese hat ein sogenanntes „Flugloch“. Wenn die Königin in der Kiste ist, setzen sich die Bienen nach wenigen Minuten um das Loch herum. „Sie fangen an zu sterzeln. Das bedeutet, dass sie Pheromone freisetzen, die die anderen Bienen, die noch am Baum oder in der Luft sind, zur Kiste locken.“
Insgesamt musste Dethier-Kinkel drei Mal mit der Leiter hoch zum Baumwipfel fahren, bis er alle Tiere eingefangen hatte. Das gerettete Volk fand bei einem Jungimker aus dem Verein ein neues Zuhause.
Gute Bedingungen für Honigbienen in Essen
„Sobald die Tiere in ihrem neuen Bienenkasten sind, fangen sie an Waben zu bauen. Ich habe schon Schwärme gefangen, die es geschafft haben, in 36 Stunden über 20 Wabe zu bauen. Es ist bemerkenswert, welche extremen Leistungen die Bienen erbringen können.“
Diese Leistung sollten die Menschen laut Dethier-Kinkel auch im Hinterkopf haben, wenn sie über den Preis eines Glas Honigs nachdenken. Er sei froh darüber, dass der Stadthonig mittlerweile einen immer besseren Ruf habe: „Früher hat man gedacht: Honig aus dem Ruhrpott? Da ist doch alles verdreckt. Das ist aber schon lange nicht mehr so. Essen ist eine super grüne Stadt.“
Schwarmfänger kommen zur Hilfe
Wer einen Bienenschwarm entdeckt, soll sich ruhig verhalten und Abstand halten, so Dethier-Kinkel. Unter 01714631876 können die Schwarmfänger für den Essener Norden gerufen werden. Sie kommen kostenlos zur Hilfe. Der eingefangene Schwarm findet bei einem Imker aus dem Verein ein neues Zuhause.
Neuer Bienengarten in Katernberg geplant
Wer seinen Balkon oder Garten insektenfreundlicher machen wolle, dem rät Dethier-Kinkel dazu, Insektenhotels aufzustellen und Wildblumen zu pflanzen. „Eine Geranie sieht schön aus, bringt einem Insekt aber gar nichts. Lavendel ist zum Beispiel ganz toll für Bienen und generell alle Insekten.“
Wie ein bienenfreundlicher Garten im Optimalfall aussieht, sollen Bürgerinnen und Bürger bald selbst im Stadtteil erleben können: Die rund 30 Imker des Vereins haben sich dafür eingesetzt, im Zusammenhang mit der Renaturierung des Katernberger Baches einen Bienengarten anzulegen. Dieser solle insektenfreundlich bepflanzt werden und bis zu sechs Bienenvölkern ein neues Zuhause bieten.