Essen. Modellflugsportler klagen über Handgreiflichkeiten und Drohungen von Besuchern des Islam-Friedhofs. Die SPD macht das Grabfeld zum Politikum.

Der seit Längerem schwelende Konflikt zwischen Besuchern des Islamischen Grabfeldes auf dem Hallo-Friedhof und den Modellflugfreunden des FSC Essen Nord Ost in unmittelbarer Nachbarschaft hat an Schärfe zugenommen. Jugendwart Matthias Goray prangert Handgreiflichkeiten, Beschimpfungen und Bedrohungen an. „Wir haben auf dem Vereinsgelände keine Sicherheit mehr“, sagt er. Vorläufiger Höhepunkt der Eskalation: Am 17. April hätten mehrere Männer ihn massiv bedroht, einer von ihnen habe ihm schließlich ins Gesicht gespuckt.

Die Polizei bestätigt, dass sie in diesem Fall ermittele. Nach der mutmaßliche Spuck-Attacke sei eine vorsätzliche Körperverletzung angezeigt worden. „Die Beamten haben Beweismittel und Spurenträger gesichert“, so Sprecher Pascal Schwarz-Pettinato.

Jugendwart des Sportklubs: Neunjähriger wurde geschubst, seine Maschine beschädigt

An diesem Mittwoch (9. Juni) sei es zu einem weiteren gravierenden Zwischenfall gekommen, berichten die Modellflugsportler. Ein gerade erst neun Jahre alter Junge sei von aggressiven Friedhofsbesuchern geschubst worden, dadurch sei seine kleine Maschine vom Typ Cessna abgestürzt und beschädigt worden. „Der Motor wurde herausgerissen“, so Goray.

Modellflug und Hallo-Friedhof

Der Flugmodell-Sportclub (FSC) Essen Nord Ost (aktuell 65 Mitglieder) besteht seit 1984. Zu den maßgeblichen Förderern des Vereins zählte der damalige OB Peter Reuschenbach (SPD).

Das 15.000 Quadratmeter große Vereinsgelände liegt auf einer beim U-Bahnbau entstandenen und begrünten Abraumhalde.

Auf dem Hallo-Friedhof nebenan befindet sich seit 1971 ein Islamisches Grabfeld, das inzwischen zu den größten in Deutschland zählt. Hier werden Muslime aus ganz NRW beigesetzt. Das zweite islamische Grabfeld in Essen ist auf dem Nordfriedhof in Altenessen.

Die Zahl muslimischer Beisetzungen hat in Essen in den vergangenen Jahren stark zugenommen.

Jahrzehntelang gab es ein friedliches Nebeneinander von Friedhof und Modellflug. Jetzt fühlen sich Besucher des Islamischen Grabfeldes zunehmend durch die Modellflieger gestört. Der Jugendwart wiederum fühlt sich seit den Attacken schutzlos und wirft der Stadt Essen vor, ihrer Ordnungspflicht nicht nachgekommen zu sein. „Unser Kleinod ist eigentlich tot“, sagt er.

Geballte Faust, Stinkefinger und eine Flut an Beleidigungen

Das Modellfluggelände des FSC Essen befindet sich neben dem Hallo-Friedhof
Das Modellfluggelände des FSC Essen befindet sich neben dem Hallo-Friedhof © OH

Der Spuck-Attacke am 17. April seien wüste Beschimpfungen vorausgegangen. Einer der Angreifer habe ihm die geballte Faust vors Gesicht gehalten, ein anderer den gestreckten Mittelfinger. „Ich wurde als Rassist, Ungläubiger und Muslimhasser beschimpft“, berichtet Goray. Und fügt hinzu: „Ein derartiges Gewitter an Beschimpfungen habe ich noch nie erlebt.“ Der Jugendwart weist daraufhin, dass das Betreten des Vereinsgeländes verboten und bei laufendem Trainingsbetrieb sogar gefährlich sei.

Der Konflikt zwischen Friedhofsbesuchern und dem angrenzenden Modellflugverein seien der Friedhofsverwaltung, dem Ordnungsamt und der Polizei bekannt, teilt Stadtsprecherin Jasmin Trilling mit. Nun werde gemeinsam an einer Lösung gearbeitet, mit dem Vereinsvorstand habe es bereits einen Gesprächstermin gegeben. Als Schwerpunkte des Konfliktes nennt die Stadtsprecherin das wilde Parken im Bereich des Modellflugplatzes und das Überfliegen des Friedhofs.

SPD Zollverein macht Islam-Friedhof zum Politikum: „Wir sind mit dem Latein am Ende“

Unterstützung bekommen die Modellflugfreunde aktuell aus der Politik. Die SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung VI/Zollverein hat beantragt, das FSC-Pachtgelände nicht mehr als Erweiterungsfläche für den Hallo-Friedhof anzusehen und aus dem Nutzungsplan „Friedhöfe“ herauszunehmen.

Damit macht die Zollverein-SPD das Islamische Grabfeld zum Politikum. Sie dringt darauf, die Erweiterung des Friedhofs zu beenden und für muslimische Beisetzungen künftig andere Friedhofsflächen außerhalb des Zollverein-Bezirks zu erschließen. Angesichts etlicher Zwischenfälle bei muslimischen Beisetzungen spricht SPD-Fraktionschef André Vollmer nun Klartext: „Wir sind mit dem Latein am Ende.“

Beisetzungen auf dem Islamischen Grabfeld am Hallo-Friedhof entwickelten sich zunehmend zu Großveranstaltungen. „Es kommt zu Belästigungen von Anwohnern“, so Vollmer. In der Zeit des harten Corona-Lockdowns hätten Beschwerden massiv zugenommen. Aufgrund der strengen Ordnungsmaßnahmen bei muslimischen Beerdigungen seien etliche Besucher des christlichen Teils des Hallo-Friedhofs daran gehindert worden, die Gräber ihrer Angehörigen aufzusuchen. Die SPD sieht „erheblichen Handlungsbedarf“.

Selbst Gespräche mit muslimischen Bestattern und Imamen hätten nicht gefruchtet

Das Islamische Grabfeld auf dem Hallo-Friedhof: Die SPD Zollverein dringt auf einen Erweiterungs-Stopp und fordert die Erschließung geeigneter Grabfelder außerhalb von Schonnebeck, Katernberg und Stoppenberg.
Das Islamische Grabfeld auf dem Hallo-Friedhof: Die SPD Zollverein dringt auf einen Erweiterungs-Stopp und fordert die Erschließung geeigneter Grabfelder außerhalb von Schonnebeck, Katernberg und Stoppenberg. © OH

In der Vergangenheit habe es intensive Versuche gegeben, muslimische Friedhofsbesucher zur Mäßigung zu bewegen. Aber selbst Gespräche mit muslimischen Bestattern und Imamen hätten nicht gefruchtet.

Nach Auffassung der SPD soll die beim Stadtbetrieb Grün und Gruga angesiedelte Friedhofsverwaltung außerhalb des Zollverein-Bezirks (Schonnebeck, Stoppenberg, Katernberg) gelegene Friedhöfe unter die Lupe nehmen. Neue Islamische Grabfelder setzten aufgrund der großen „Massen an Trauergästen“ ausreichende Parkmöglichkeiten außerhalb klassischer Wohngebiete, sehr gute Erreichbarkeiten durch Rettungswagen sowie Sanitäranlagen voraus.

Eine Lanze bricht der SPD-Politiker ausdrücklich für den Modellflugverein. „Die Hobbypiloten sollen weiterhin ungestört fliegen können.“