Essen. Am Essener Hallo-Friedhof, der auch ein islamisches Grabfeld beherbergt, gibt es in Pandemie-Zeiten häufig Konflikte – zuletzt vor einer Woche.

Mehr als zwei Dutzend Friedhöfe gibt es in Essen. Sie sind Orte des stillen Gedenkens und der Ruhe, oft auch grüne Oasen mitten in der Großstadt. Aber in Zeiten der Pandemie liegen wohl auf keinem Friedhof Trauer und Stress so eng beieinander wie auf dem Friedhof am Hallo, der auch das große islamische Grabfeld beherbergt. Ausgerechnet bei würdevollen Anlässen wie Beisetzungen führt die Einhaltung der Corona-Vorschriften hier immer wieder zu aufwühlenden Konflikten, die vielfach nur Verlierer zurücklassen. Der letzte Vorfall passierte in der Karwoche.

Es ist der 31. März, ein Mittwoch. Bernd Steinau (62) hatte um zwölf Uhr auf dem Nordfriedhof Altenessen gerade an der Beerdigung seines Schwiegervaters teilgenommen und wollte anschließend zusammen mit sechs Angehörigen noch ein weiteres Familiengrab auf dem Hallo-Friedhof besuchen. Doch als die kleine Gruppe gegen 13.45 Uhr in Stoppenberg eintraf, hätten Ordnungskräfte der Stadt ihnen den Zutritt nicht erlaubt. Der gesamte Friedhof sei zu diesem Zeitpunkt gesperrt gewesen. Dem pensionierten Diplom-Kaufmann sei sofort klar gewesen, dass es Probleme mit muslimischen Trauergästen gab. Zwei Dutzend Autos seien auf dem Parkplatz zum Teil ziemlich provokativ abgestellt worden.

„Ich empfinde es als unerträglich, dass unserer Gruppe der Zugang zum Friedhof verwehrt wurde“

„Ich empfinde es als unerträglich, dass unserer Gruppe, die wir uns korrekt verhalten haben, der Zugang zum Friedhof verwehrt wurde“, empört sich Steinau in einer Zuschrift an diese Redaktion und an den OB. Und er fügt hinzu: „Dies war umso ärgerlicher, da zwei Personen unserer Gruppe extra aus Hessen, zwei weitere aus Bayern angereist waren, um das Grab ihrer Mutter und Großmutter zu besuchen.“

Nach Darstellung der Stadt Essen sei an besagtem Mittwoch in der Mittagszeit eine Beisetzung auf dem muslimischen Grabfeld terminiert gewesen. Weil es bereits im Vorfeld Hinweise auf drohende Verstöße gegen die Corona-Regeln gegeben habe, habe das Ordnungsamt zehn Einsatzkräfte zum Friedhof geschickt. Höchstens 25 angemeldete Personen dürfen in Essen wegen der Pandemie an einer Beisetzung teilnehmen - egal ob katholisch, evangelisch, muslimisch oder konfessionslos.

Nach Angaben der Ordnungskräfte hatten sich nahezu 100 Trauergäste eingefunden

„Die gesamte Trauergemeinde bestand hingegen aus nahezu hundert Personen“, zitiert Stadtsprecherin Jasmin Trilling den Einsatzbericht der Ordnungskräfte. Der Konflikt habe sich an der Frage entzündet, ob statt der erlaubten 25 Personen ausnahmsweise fünf weitere Angehörige mit auf den Friedhof gedurft hätten. Etwa 50 bis 60 Trauergäste, die sich zuerst im Hintergrund aufhielten, seien hinzukommen und hätten auf die Ordnungskräfte eingeredet.

Zwar habe die Lage beruhigt werden und die Beisetzung beginnen können. Aber weil zu befürchten gewesen sei, dass Trauernde nun unerlaubt den Friedhof hätten betreten können, sei der Haupteingang sicherheitshalber um 13.15 Uhr für jedermann verschlossen worden.

„Mit dem Argument, dass man alle gleich behandeln müsse, wurde unserer Gruppe durch das Ordnungsamt das Betreten des Friedhofs verweigert“, berichtet Bernd Steinau. Er macht „unverschämte“ Störenfriede für die zugespitzte Situation verantwortlich und tadelt gleichzeitig die Behörde. „Wieder einmal hat sich die Stadt Essen Besuchern und Bürgern als unfreundliche, sehr ungastliche und handlungsunfähige Stadt gezeigt.“

„Unfreundlich, ungastlich, handlungsunfähig“? – Stadt Essen weist Vorwurf zurück

Die Stadt Essen weist diesen Vorwurf entschieden zurück und verweist auf ihre Deeskalationsstrategie, die auch jenem Mittwoch am Hallo-Friedhof erfolgreich gewesen sei. „Die Corona-Vorschriften sind durchgesetzt worden“, betont die Stadtsprecherin. Nach Ende des Einsatzes sei der Friedhof gegen 14 Uhr – also nach 45-minütiger Schließung – wieder geöffnet worden.

Bernd Steinau, der in Essen ehrenamtlich sehr aktiv ist, auch in der Erwachsenenbildung für junge Migranten, spricht sich im Einzelfall für eine strengere Vorgehensweise gegen Corona-Störer aus. „Notfalls durch Platzverweise der Polizei, um ein Zeichen der Entschlossenheit zu setzen.“ Gegen 14.20 Uhr habe er mit seinen Verwandten den geplanten Friedhofsbesuch am Hallo unverrichteter Dinge abgebrochen. Denn das Tor sei bedauerlicherweise immer noch verschlossen und eine baldige Öffnung anscheinend nicht zu erwarten gewesen.