Essen. In Essen schlägt weiter „Ein Herz für Moria“: Jetzt startet der nächste Hilfstransport nach Lesbos. Warum Waschtische in das Camp gebracht werden
Vor anderthalb Jahren fassten sich einige Essener Freunde „Ein Herz für Moria“ und organisierten einen nachweihnachtlichen Hilfstransport für das gleichnamige Flüchtlingscamp auf der griechischen Insel Lesbos. Aus der hemdsärmeligen Aktion ist inzwischen eine Hilfsbrücke mit vielen Unterstützern geworden, die nun den wiederholten Transport aus Essen nach Griechenland schickt.
Längst sammeln auch Caritas Flüchtlingshilfe und andere Mitglieder des Caritasverbandes Essen Spenden, sorgen für Logistik und bringen das Thema immer wieder in die Öffentlichkeit: So im Advent 2020, als sie ein Moria-Zelt in die Innenstadt stellten, zeigten, wie die Flüchtlinge dort untergebracht sind. Da war das erste Camp gerade einem Brand zum Opfer gefallen, doch seither habe sich die Lage im neuen Moria 2 nicht gebessert, betont Caritasdirektor Björn Enno Hermans: „Die Verhältnisse dort sind weiter untragbar.“
350 Dixie-Klos für 7000 Bewohner
Eine Spendensumme von fast 100.000 Euro habe man im vergangenen halben Jahr aufgebracht und damit dringend benötigte medizinische Geräte und Arzneimittel auf den Weg gebracht. Ebenso wie 1800 Paare Gummistiefel, die zu Jahresanfang im überschwemmten Camp sehr willkommen waren.
Hilfstransport wird durch Spenden ermöglicht
Mit dem Essener Transport werden folgende Hilfsgüter ins Flüchtlingscamp Moria 2 auf Lesbos gebracht: 1 Rollstuhl, 1 Orthese, FFP2-Masken und Schutzkittel. Die Firma Laubinger + Rickmann spendet 60 Waschtische. 700 Workingda Powerbank-Solar-Ladegeräte, die mit Sonnenenergie oder Kurbel aufgeladen werden, hat der Sozialdienst katholischer Frauen (SKF) Essen durch Spenden finanziert. Sie dienen als Handyladegerät und Taschenlampe und sollen an Frauen im Camp gehen. Der Verein „Kunst vor Ort“ hat 400 Spiel- und Kreativtaschen mit Stiften, Blöcken, Murmeln und Spielen für die Kinder im Camp gepackt.
Wer für die Aktion spenden möchte, kann das per Paypal: Fluechtlingshilfe@cse.ruhr (den Wunsch nach einer Spendenquittung bitte im Kommentar angeben); „I do Essen“-App Stichwort: „Ein Herz für Moria“: https://essen.i-do.app oder Überweisung an: Caritas Flüchtlingshilfe: Bank im Bistum Essen IBAN DE45 3606 0295 0000 1026 28, Stichwort: Moria.
Mit dem Lkw, der diese Woche Richtung Griechenland startet, werden nun zum Beispiel 60 Waschtische nach Moria gebracht: aus Edelstahl, höhenverstellbar, hygienisch per Kniedruck bedienbar. Man sollte meinen, dass sanitäre Anlagen zur Grundausstattung eines Flüchtlingscamps gehören, doch Patrick Münz (27) von der Organisation „Leave no one behind“ („Lasst niemanden zurück“) weiß es besser: Er ist seit dem Feuer von Moria vor Ort und berichtet, dass für aktuell rund 7000 Bewohner nur 350 Dixie-Klos bereit stehen und – je nach Funktionstüchtigkeit – zwischen 28 und 40 Duschen. „Es können noch nicht mal alle Bewohner einmal wöchentlich duschen.“ Die Waschtische werde man an große Wassertanks anschließen, um so die hygienische Notlage zu lindern.
Die Kinder von Moria sind oft sich selbst überlassen
Der Sozialdienst katholischer Frauen (SKF) wiederum will den Frauen im Camp helfen, die sich aus Angst vor Übergriffen nachts erst gar nicht zu den Toiletten trauen, wie die SKF-Vorsitzende Annegret Flügel berichtet. 700 Powerbanks sollen ihnen nicht nur als Handyladegerät dienen, sondern dank der eingebauten Taschenlampe ein besseres Sicherheitsgefühl geben.
Und schließlich gehen mit dem Transport 400 Taschen mit Spiel- und Kreativmaterial an die 2000 Kinder von Moria, die oft sich selbst überlassen bleiben, Verhaltensauffälligkeiten oder psychische Probleme entwickeln. „Ihre Lage ist fürchterlich“, sagt Anna-Lena Majoress vom Verein „Kunst vor Ort“, der die Taschen gepackt hat.
Unterricht im ausrangierten Schulbus
Kinder und Jugendliche hat auch Thomas Siepmann im Blick, einer der Gründer von „Ein Herz für Moria“: „Bislang haben wir uns vor allem um medizinische Unterstützung gekümmert, nun ist das Thema Bildung in den Mittelpunkt gerückt.“ Für vier Monate haben sie dem Verein „Wave of hope“ (Welle der Hoffnung) eine Zusage gemacht, damit der seinen Unterricht in ausrangierten Schulbussen oder im Freien anbieten kann.
74 sogenannte NGOs (Nichtregierungsorganisationen), also Vereine, Initiativen, Hilfswerke, seien in Moria aktiv, erzählt Patrick Münz. Die griechische Regierung habe praktisch alle wichtigen Versorgungsaufgaben an sie mitübertragen: Wenn jetzt etwas schiefläuft, weisen die Behörden auf die ehrenamtlichen Helfer.
Etliche Organisationen haben daher ihre Angebote – von der Schule bis zur Klinik – aus dem Camp in die Nachbarschaft verlegt. Leider werde Moria coronabedingt abgeschottet, der Ausgang strikt begrenzt: Mancher darf nicht mal zur Klinik gehen, obwohl er einen Arzttermin hat, sagt Münz. „Die Menschen hier fühlen sich als Spielball der Politik.“ Und darum, verspricht Caritasdirektor Hermans, werde man nicht nur weiter Spenden sammeln, „sondern die skandalöse Situation anprangern, das Thema wachhalten“.