Essen-Heidhausen. Auf dem Pastoratsberg in Heidhausen wurde durch Erdarbeiten die Ringwallanlage „Alteburg“ beschädigt. So soll das Bodendenkmal gerettet werden.

Werden ist uralt. Im Abteistädtchen ist man sehr stolz auf die beeindruckende Geschichte. Doch nun sitzt allen der Schreck in den Gliedern, denn eine der für die Archäologie interessantesten Stätten Essens wurde beschädigt. Hoch über der Ruhr thronte einst eine fränkische Fliehburg zum Schutz vor anstürmenden Feinden. Nun versucht die Archäologie, den Schaden an dem nahezu noch unerforschten Bodendenkmal „Alteburg“ zu begrenzen.

Grabungsfirma soll Sicherungsmaßnahmen durchführen

Rechtsanwalt Gerd-Ulrich Kapteina berät den Eigentümer des betroffenen Grundstücks. Als Rechtsexperte in Sachen Denkmalschutz gehört er außerdem dem Arbeitskreis Essen 2030 an und ist dessen Sprecher.
Rechtsanwalt Gerd-Ulrich Kapteina berät den Eigentümer des betroffenen Grundstücks. Als Rechtsexperte in Sachen Denkmalschutz gehört er außerdem dem Arbeitskreis Essen 2030 an und ist dessen Sprecher. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Für den Grundstückseigentümer erklärt Rechtsanwalt Gerd-Ulrich Kapteina, dass zum Haus ein Stück Wald gehöre. Im Zuge seiner Verkehrssicherungspflicht habe der Eigentümer aufgrund umgestürzter Bäume und Totholz handeln müssen. Er habe Waldarbeiter damit beauftragt, das Holz abzutransportieren. Dafür sei ein forstwirtschaftlicher Weg angelegt worden, auch Rückegasse genannt. Dort sei man auf alte Mauern gestoßen. Bis dahin habe keiner im Waldboden Schutzwürdiges vermutet.

Nachdem er alarmiert worden war, ließ Stadtarchäologe Dr. Detlef Hopp die Arbeiten sofort stilllegen. Er verschaffte sich einen ersten Überblick und wird nun gemeinsam mit dem Grundstückeigentümer eine Lösung finden. Hier gibt das Landesdenkmalschutzgesetz den Rahmen vor: Eine qualifizierte Grabungsfirma ist zu beauftragen, die unter archäologischer Fachaufsicht vorsichtige Sicherungsmaßnahmen durchführt. Erst dann kann man beurteilen, wie groß der Schaden wirklich ist und wie er aus fachlicher Sicht behoben werden kann. Qualität soll hier vor Schnelligkeit gehen.

„Alteburg“ war Ort kriegerischer Auseinandersetzungen

Der betroffene Abhang vor dem Eingriff durch die Waldarbeiter.
Der betroffene Abhang vor dem Eingriff durch die Waldarbeiter. © Privat | Wildkamera

Die Ringwallanlage oben auf dem Pastoratsberg umfasst ein großes Areal von rund sechs Hektar Fläche. In Urkunden des Mittelalters wird sie wiederholt genannt. Der dazugehörige Bach wird als „burgbeki“ bereits in einer Schenkungsurkunde aus dem Jahr 801 erwähnt. Es ist aber davon auszugehen, dass die Burg deutlich älter ist. Jüngste Untersuchungen und Funde belegen einen eisenzeitlichen Ringwall, der wahrscheinlich im 3. bis 1. Jahrhundert vor Christus genutzt wurde und dann zerfiel.

Im 7. oder 8. Jahrhundert nach Christus wurde die „Alteburg“ erneut wehrhaft ausgebaut. Die Befestigung bestand aus einem teils doppelten Wallsystem mit vorliegenden Gräben und diversen Toranlagen wie dem Haupt- und dem Wassertor, dem Stein- und dem Holztor. Wohl gehörte zur Befestigungsanlage auch eine Vorburg, die aber heute kaum noch zu erkennen ist. Durch starke Brandspuren im Bereich des Haupttores und Zerstörungen an den Mauern konnte nachgewiesen werden, dass die „Alteburg“ wenigstens einmal im Mittelpunkt kriegerischer Auseinandersetzungen gestanden hat, vermutlich zwischen Franken und Sachsen.

Verborgene „Schätze“ werden automatisch Eigentum des Staates

Eine Rekonstruktion des Steintores der „Alteburg“ auf dem Pastoratsberg aus den 1930er Jahren.
Eine Rekonstruktion des Steintores der „Alteburg“ auf dem Pastoratsberg aus den 1930er Jahren. © Stadtarchäologie | Dr. Detlef Hopp

In der Publikation „Geschichten aus der Werdener Geschichte“ hielt Stadtarchäologe Hopp 2016 fest: „Auf dem Pastoratsberg bestanden in der Vor- und Frühgeschichte Siedlungen und sogar eine Burganlage. Diese aber zu erforschen, ist eine Aufgabe für die Zukunft.“ Überraschend könnte diese Zukunft jetzt schon gekommen sein. Der 64-Jährige gibt an, dass er ohnehin mit dem Gedanken gespielt habe, nach seiner Pensionierung an der „Alteburg“ zu forschen. Nun drängt aber die Zeit, denn eine große Sorge bleibt.

Weitere Zerstörungen sind zu befürchten durch unbedachte Schaulustige und vor allem durch Raubgräber, die illegale Nacht- und Nebelaktionen durchführen und sich nicht an wissenschaftliche Vorgaben halten. Eine bei archäologisch interessanten Stätten ständig lauernde Gefahr. Auch in NRW gilt die rechtliche Regelung des sogenannten „Schatzregals“. Herrenlose, bis zum Zeitpunkt des Fundes im Boden verborgene „Schätze“ werden automatisch Eigentum des Staates. Das provoziert offenbar kriminelle Energien. Am besten sind Bodendenkmäler daher geschützt, wenn sie unangetastet im Boden verbleiben können.

Untergegangenes als Zeugnis der Geschichte

Die Heidhauser Alteburg ist seit 1999 eingetragenes Bodendenkmal und in der Denkmalliste Essen als laufende Nr. BoD 34 zu finden.

Bodendenkmäler sind Zeugnisse der Geschichte. Häufig handelt es sich um alte Bestattungsplätze oder Kultorte, aber auch um untergegangene Siedlungen, Befestigungsanlagen oder Handelsplätze.

Ihre Relikte lassen Rückschlüsse auf die Geschichte und Lebensweise unserer Vorfahren zu. Nur in Notfällen oder bei übergeordnetem Interesse ist eine Sondage oder Ausgrabung unter Aufsicht einer archäologischen Fachkraft durchzuführen.

Bodendenkmäler werden bislang nicht ins Grundbuch eingetragen

Vielleicht gibt es bei allem Unglück die leise Hoffnung, dass man Positives aus der misslichen Situation ziehen könnte. Der Eigentümer des Grundstücks habe bereits zugesagt, den Stadtarchäologen in seiner Arbeit zu unterstützen, sagt Denkmalrechtsexperte Gerd-Ulrich Kapteina, der auch Sprecher des Arbeitskreises Essen 2030 ist. Dass der Eigentümer nichts von dem Denkmal unter seinen Füßen wusste, erklärt Kapteina so, dass es in NRW bisher nicht vorgeschrieben sei, Bodendenkmäler auch ins Grundbuch einzutragen.

Nach etlichen ähnlich gelagerten Fällen von unbeabsichtigten Beschädigungen solle das entsprechende Gesetz jetzt aber geändert werden. Denn anders als Baudenkmäler seien Bodendenkmäler oft aufgrund von Einebnung oder Überbewuchs selbst dem fachkundigen Auge nicht mehr erkennbar, schon gar nicht in ihrer räumlichen Ausdehnung. Daher plädiert Gerd-Ulrich Kapteina dafür, dass Eigentümer von Bodendenkmälern von behördlicher Stelle informiert und begleitet werden sollten, um zukünftig solche Unfälle zu vermeiden.