Essen-Stadtwald. In der Diskussion um den Erhalt der historischen Eyhof-Siedlung in Essen-Stadtwald wird Kritik laut: Bei Neubauten droht doppelter Mietpreis.
Seit über einem Jahr gibt es heftige Diskussionen um den geplanten Abriss von Altbauten an der Angerstraße in Essen-Stadtwald, die eine Achse der historischen Eyhof-Siedlung bilden. Jetzt hat die Eigentümerin, die GE-WO Osterfelder Wohnungsgenossenschaft, Politikern bei einer Online-Konferenz Pläne für Neubauten vorgestellt. Die Reaktion der Politiker überrascht.
Unter städtebaulichen Gesichtspunkten kamen die Pläne – dem Vernehmen nach stehen drei Varianten zur Auswahl – bei den Vertretern der Parteien gut an. Vorgesehen sind offenbar fünf dreigeschossige Gebäude, die teils durch Gauben und Balkone viergeschossig wirken, mit über 30 Wohnungen und einer Tiefgarage. Bei der Dachgestaltung sind offenbar Sattel- oder Walmdächer angedacht, hinter den Häusern eine Grünfläche mit Spielgelegenheiten.
Wohnungsgenossenschaft will die Pläne derzeit noch nicht veröffentlichen
Die GE-WO Osterfelder Wohnungsgenossenschaft wollte die vorläufigen Pläne dieser Redaktion auf Anfrage noch nicht zur Verfügung stellen. Man wolle die Rückmeldung des Gestaltungsbeirats im Arbeitskreis Essen 2030 abwarten und dessen Vorschläge gegebenenfalls einarbeiten, heißt es seitens der Genossenschaft. Laut Gerd-Ulrich Kapteina vom Arbeitskreis Essen 2030 beschäftigten sich derzeit zwei externe Architekten mit den Plänen, die Ergebnisse sollen Anfang April vorliegen.
Vertreter von CDU, Grünen, SPD und der Linken sehen die Entwürfe übereinstimmend optisch als ganz gelungenen Kompromiss zum Erhalt des Siedlungscharakters. „Planungsamt und Wohnungsgenossenschaft befinden sich offenbar in einem fruchtbaren Austausch“, so Dorothea Blümer, Ratsfrau der Grünen. Vertreter von SPD und Linken kritisieren aber, dass sich die Quadratmeterpreise durch den Neubau im Vergleich zu heute quasi verdoppeln würden.
Der Quadratmeterpreis würde sich durch die Neubauten verdoppeln
Während der Quadratmeterpreis derzeit zwischen sechs und sieben Euro liegt, wie Werner Weber, der dort wohnt, bestätigt, sei bei den Neubauten von über zwölf Euro die Rede. „Das wird sich kaum noch jemand von den derzeitigen Bewohnern leisten können“, vermutet SPD-Ratsherr Philipp Rosenau, der die Diskussion über eine Erhaltungssatzung für die Eyhof-Siedlung – am Donnerstag, 18. März, auf der Tagesordnung des Stadtplanungsausschusses – von der Frage der finanziellen Belastung der Bewohner getrennt sieht.
Fortsetzung der Gartenstadt-Architektur
Der Architekt der Siedlung Stadtwald, wie die Eyhof-Siedlung auch genannt wird, Josef Rings (1878-1957), war von 1912 bis 1919 im Baubüro Krupp tätig und hat auch mit Georg Metzendorf, dem Architekten der Margarethenhöhe, zusammengearbeitet.Während die Margarethenhöhe vor dem Ersten Weltkrieg entstand, fand die Gartenstadt-Architektur in den 1920er Jahren ihre Fortsetzung in der Eyhof-Siedlung in Stadtwald.
Laut Rosenau hätte man es seitens der SPD begrüßt, wenn an der Angerstraße wenigstens zum Teil öffentlich geförderte Wohnungen entstehen würden. „Wir mussten aber feststellen, dass die bisher geplanten Grundrisse – die meisten Wohnungen sollen zwischen 80 und 100 Quadratmeter groß sein – gar nicht förderungsfähig sind.“ Der Aspekt, dass eine Sanierung der teils von Feuchtigkeit betroffenen Häuser angeblich rund drei Millionen kosten würde, die Neubauten aber das Vierfache, berge auf jeden Fall noch Diskussionsbedarf.
Linke befürchten Verdrängung der jetzigen Bewohner
Wolfgang Freye, sachkundiger Bürger für die Linken im Planungsausschuss, geht noch weiter. Er vermutet, dass die Steigerung der Mieteinnahmen eines der Ziele des Neubauprojektes sei. „Bei einer Sanierung der alten Häuser, die zugegebenermaßen nicht einfach wäre, könnten die Mieten um höchstens 20 Prozent in drei Jahren steigen. Durch den Neubau kann die GE-WO Wohnungsgenossenschaft mehr als 100 Prozent Mietsteigerung umsetzen. So wird preiswerter Wohnraum in Stadtwald vernichtet“, kritisiert Freye und befürchtet, dass die jetzigen Bewohner verdrängt werden könnten.
Unter städtebaulichen Gesichtspunkten sieht Freye die Entwürfe mit gemischten Gefühlen. „Die Planungen fügen sich schon ganz gut in die Umgebung ein. Aber die Häuserzeile rund um den Torbogen wird den Charme alter, gewachsener Strukturen verlieren.“ Die Fraktion „Die Linke“ frage, inwieweit das Projekt mit der Satzung der Genossenschaft GE-WO vereinbar sei, in der als gemeinnütziger Zweck „die Förderung ihrer Mitglieder durch eine gute, sichere und sozial verwertbare Wohnungsversorgung“ genannt sei.
Anwohner sieht die soziale Durchmischung durch die Neubauten gefährdet
Das sieht Bewohner Werner Weber ähnlich. Er hält das Neubauprojekt auch aus ökologischen Gründen für fragwürdig und schließt rechtliche Schritte nicht aus. Zudem ist er enttäuscht über den Umgang der GE-WO mit den Mitgliedern. „Uns hat man die Pläne noch nicht präsentiert. Trotz Anfrage hat es noch kein Gespräch gegeben.“ Weber fürchtet angesichts der zukünftigen Preise um die soziale Durchmischung der Siedlung. „Das könnte und will ich mir auch gar nicht leisten“, sagt er. Zudem sei es für ihn keine Option, zweimal umzuziehen.
CDU-Ratsherr Sven Köhler findet die vorgestellten Plänen aus städtebaulicher Sicht gut. Die Preiserhöhungen sieht er weniger dramatisch als die Vertreter von SPD und Linken. „Bei einer Sanierung wäre auch ein Quadratmeterpreis von neun bis zehn Euro herausgekommen, damit ist der Unterschied zu den genannten zwölf Euro dann nicht mehr so groß.“