Essen. Die Pandemie hat den Zusammenhalt der freien Szene in Essen gestärkt. Wie die Bühnen mit einem Online-Auftritt nun „Nähe“ zum Publikum suchen.
Stell dir vor, es ist Welttheatertag, aber alle Bühnen sind geschlossen. 2020 war diese Situation noch eine unerwartete Erschütterung; eine Ausnahmesituation, von der keiner glauben wollte, dass sie ein Jahr und länger andauern könnte. Doch 2021 wird es nicht anders sein. Am 27. März, dem internationalen Welttheatertag, bleiben auch in diesem Jahr alle Vorhänge geschlossen. Und doch soll der seit Jahrzehnten international begangene Feiertag auch in Essen nicht in Vergessenheit geraten. „Wir wollen zeigen, dass es uns noch gibt“, sagt Rainer Besel vom Theater Freudenhaus.
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Die Steeler Bühne ist neben Mitstreitern wie dem Kleinen Theater am Gänsemarkt, der Studio-Bühne, dem Theater Courage oder der Rü-Bühne eines der Freien Theater in Essen, die am Samstag zumindest digital wieder „Nähe“ zu ihrem Publikum aufbauen wollen. Wenn schon nicht mit Neuproduktionen, dann zumindest mit Videostatements, Bildercollagen und kurzen Filmeinspielern, die das Thema Nähe umkreisen. Zwischen 18 und 20 Uhr kann sich das Publikum zuschalten.
Es ist ein Gemeinschaftsaktion und ein wichtiges Überlebenszeichen: Denn unter all den schlechten Nachrichten hat die freie Essener Theaterszene auch eine gute: Sie sind noch da! Und sie sind im Corona-Jahr sogar enger zusammengewachsen, tauschen sich regelmäßig digital aus – und seien so etwas wie eine eingeschworene Notgemeinschaft geworden, erzählt Peter-Maria Anselstetter vom Theater Courage. Dort hat man die Corona-Krise im vergangenen Jahr mit Outdoor-Programmen im Theatergarten überbrückt. Der Sommer war warm, das Publikum hat auch im Herbst durchgehalten – bis Winter und Shutdown kamen. „Es lief gut, aber wir können nicht alles draußen spielen“, sagt Anselstetter.
Auch im Kulturzentrum Grend will man das Open-Air-Angebot im Juli weiter professionalisieren und so endlich auch wieder Einnahmen erzielen. Man wolle gar nicht „in das allgemeine Gejammer verfallen“, sagt Rainer Besel, „aber das Durchhalten wird immer schwieriger“. Drei Mal haben sie im Theater Freudenhaus schon die Wiedereröffnung geplant und doch wieder verschieben müssen. Trotzdem steht das Ensemble Gewehr bei Fuß. „Für den Fall, dass es wieder losgeht, müssen wir vorbereitet sein“, sagt Besel.
„Wenn es wieder losgeht, müssen wir vorbereitet sein“
Auch in der Rü-Bühne hat man nicht aufgegeben und im Herbst zunächst Corona-konforme Formate entwickelt. Mit den November- und Dezember-Hilfen habe das kleine Theater im Girardet-Zentrum den zweiten Lockdown meistern können. „Aber wenn nicht weiter Hilfen kommen, wird’s bald schwierig“, sagt Fritz Jaeger. „Wir werden wahrscheinlich die letzten sein, die wieder spielen dürfen.“
Natürlich freuen sich alle auf den Tag, an dem die Theater wieder öffnen können. Doch die Sorge schwingt mit, dass sich die Lage dann noch lange nicht verbessern könnte. Gerade vor der Übergangsphase fürchten sich viele, wenn das Publikum vermutlich noch zögerlich ist, aber Fördermitteln von Bund und Land nicht mehr fließen.
„Noch ein paar Monate, dann sind alle Reserven aufgebraucht“
Künstler in der Krise
Seit 1961 wird jährlich am 27. März der Welttag des Theaters („World Theatre Day“) gefeiert. Er wurde vom Internationalen Theaterinstitut (ITI) ins Leben gerufen.
In jedem Jahr schicken international renommierte Theaterleute eine Botschaft zum Welttheatertag. Mit dabei waren schon Arthur Miller, Tankred Dorst, John Malkovich oder Isabelle Huppert. 2021 hat Schauspielerin Helen Mirren das Grußwort übernommen. Sie lobt die Kreativität der Künstler, die sich der Krise immer wieder mit neuer Kraft und Energie stellen.
Die Beiträge zum Welttheatertag aus Essen kann man am 27. März zwischen 18 und 20 Uhr unter freieszeneessenstaerken.wordpress.com abrufen.
„Noch ein paar Monate, dann sind alle Reserven aufgebraucht“, sagt auch Johannes Brackmann, ehemaliger Geschäftsführer des Kulturzentrum Grend. Mit Investitionsmitteln aus Förderprogrammen wurden dort in den vergangenen Monaten Luftfilter angeschafft, die doch eigentlich beim Neustart helfen sollten. Durch den seit Monaten geltenden Lockdown konnten die bislang aber gar nicht zum Einsatz kommen.
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Dabei sei die Sehnsucht nach Live-Erlebnissen groß, weiß auch Sigrid Riemer, Geschäftsführerin der Theatergemeinde Essen: „Die Leute wollen endlich wieder raus.“ Noch aber braucht das Publikum wohl einen langen Atem. Auch im Kleinen Theater am Gänsemarkt rechnet man nämlich nicht mit einer raschen Rückkehr zur Normalität. Eine Eröffnung sei frühestens im September realistisch, glaubt Svenja Müller.
Bis dahin gilt die Hoffnung, „dass wir alle noch durch den Sommer kommen“, sagt Brackmann. Für die Zeit danach habe man durchaus „große Pläne“, denn: „Wir wollen keine Almosen, wir wollen spielen“, sagt Peter-Maria Anselstetter.
Hier geht’s zum Welttheatertag-Programm: freieszeneessenstaerken.wordpress.com
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