Essen-Heidhausen. Warum die Jungpolitiker Elias Hahn und Yannick Lubisch für einen Ausgleich zwischen der Schutzwürdigkeit alter Häuser und den Investoren werben.
Überall im Essener Süden wird im großen Stile gebaut, immer mehr Grünflächen werden versiegelt. Die Gemüter erhitzen sich über Kaiser-Friederich-Haus, Villa Ruhnau oder den Abriss alter Häuser in Heidhausen. Wie denkt eigentlich die junge Politikergeneration über den „Ausverkauf“ von alter Bausubstanz und Natur? Ein Ortstermin mit Yannick Lubisch und Elias Hahn in Heidhausen.
Der 25-jährige Ratsherr Yannick Lubisch ist Sprecher der CDU im Umweltausschuss. Elias Hahn ist ein Jahr jünger, Bezirksvorsitzender der Jungen Union, von Kindesbeinen an im Nabu und sehr an Denkmalschutz interessiert. Beide möchten an der gefühlten Unwucht zwischen Schutzwürdigkeit und Interessen des Investors arbeiten. Sie werben für mehr Mit- statt immer nur Gegeneinander. Dafür müssten sich aber beide Seiten bewegen.
Gebäude machen den Charakter von Nachbarschaft aus
Ein Beispiel: An der Velberter Straße hatte eine Gärtnerei mit großen Gewächshäusern und Blumengeschäft ihre Heimat. Alles verschwunden. Hier werden ein Gebäude mit über 20 Wohneinheiten und dahinter noch vier Einfamilienhäuser entstehen. Die Lage ist begehrt, trotz der Bundesstraße vor der Tür. Gerade ist man dabei, dass angrenzende Gründerzeithaus abzutragen. Die Nachbarschaft spekuliert nun, dass auch die Tage der sich anschließenden „Schrottimmobilie“ gezählt seien. Elias Hahn schüttelt den Kopf: „Solche Gebäude machen doch den Charakter der Nachbarschaft aus. Ich finde nicht, dass die aktuell erfolgende Bebauung noch ortstypisch genannt werden kann.“ Das Ganze spiegle eine allgemeine Tendenz wider.
Wird in Heidhausen und Fischlaken zu viel gebaut? Yannick Lubisch sagt: „Die Menschen haben Angst, dass ihre Heimat zerstört wird. Viele fühlen sich da regelrecht hilf- und machtlos. Bei Streitthemen wie Kaiser-Friedrich-Haus oder Villa Ruhnau war und ist großes Misstrauen der Bevölkerung zu spüren. Das führt zu teils dubiosen Verschwörungstheorien.“
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Ein emotionales Thema. Elias Hahn formuliert es so: „Ein altes Haus, das abgerissen wird, ist unwiederbringlich verloren. Unserer Meinung nach muss viel mehr für den Schutz erhaltenswerter Gebäude getan werden. Seit 1991 wurde die Denkmalliste kaum noch aktualisiert. Es ist auch schade, dass die Stadt Essen den Denkmalschutz derart knapp hält, wir freuen uns aber auf die neue oberste Denkmalpflegerin Ina Hanemann.“ Yannick Lubisch ergänzt: „Wir werden demnächst das Gespräch mit Frau Hanemann suchen, und zwar gemeinsam mit unserem Landtagsabgeordneten Fabian Schrumpf.“
Im Bestand bezahlbaren Wohnraum schaffen
Zu den Aussagen der Verwaltung, hier müsse dringend geförderter Wohnraum her, sagt Hahn: „Man kann ja auch im Bestand bezahlbaren Wohnraum schaffen.“ Yannick Lubisch sieht auch die These kritisch, dass die rasant steigende Entwicklung am Wohnungsmarkt so weitergehe wie bislang: „Wir machen gerade schwierige Zeiten durch und die Immobilien-Preise klettern weiter.“
Positive Beispiele für den Erhalt alter Bausubstanz
Yannick Lubisch betont: „Denkmalschutz ist auch eine Art von Verbot. Wir möchten nicht mit Verboten arbeiten, sondern Förderanreize setzen.“Elias Hahn ergänzt, Denkmalschutz werde zwar von vielen Eigentümern als Knebel verstanden, dabei gewinne man durchaus Freiheiten. Es gebe ja durchaus positive Beispiele wie den Heidhauser Ratskrug oder das benachbarte Rathaus, wo Bauherren unter großem Einsatz alte Bausubstanz erhielten.Ratsherr Lubisch verweist auf das Postgebäude in Werden: „Schnell beruhigten sich die Gemüter, als der Investor klarstellte, dass die stadtbildprägende Fassade nicht nur erhalten bleibt, sondern noch renoviert wird.“
Von der rein wirtschaftlichen Sichtweise abgesehen, erlebt Lubisch, dass seine Mitbürger „Nachverdichtungen bis hin zur Charakterlosigkeit“ als schmerzliche Einschnitte empfinden: „Flächen werden versiegelt und das Stadtbild wird immer betonlastiger. Das ist nicht nachhaltig.“ Hahn ergänzt: „Das Standardmodell ist doch, dass ein Flurstück erworben wird, dass vielleicht zu 20 bis 25 Prozent versiegelt ist. Dann wird dann zu 80 Prozent oder mehr bebaut.“
Durch diese Vorgehensweise würde es immer enger in den bislang locker bebauten Stadtteilen Fischlaken und Heidhausen. Die Natur werde aus den Wohngebieten heraus gedrängt, zum Beispiel auch Insekten. Die Menschen wiederum ziehe es nach draußen, gerade jetzt in Pandemiezeiten: „Spaziergänge und Wanderungen boomen. Doch die Jägerschaft berichtet uns, dass das Wild kaum noch zur Ruhe kommt.“
Investoren sollen offen sein für die Anliegen der Bürger
Elias Hahn schlägt vor, von Anfang an Klarheit zu schaffen: „Die Proteste der Bevölkerung kommen oft erst dann, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Warum kann man nicht mit offenen Karten spielen? Denkmalschutz ja oder nein? Man muss den Stadtteil mitnehmen.“ So verständlich das sei, wenn Investoren mit ihren Plänen hinterm Berg hielten, so kontraproduktiv sei das für Gemeinschaftsgefühl. Schnell entstehe da ein „Wir da unten gegen die da oben“. Dabei müsse ein Investor doch auch ein Interesse an Offenheit haben: „Er möchte doch wissen, was gespielt wird. Oft geht es um sehr viel Geld.“
Die Verwerfungen durch die harten Maßnahmen gegen das Virus bereiten Elias Hahn und Yannick Lubisch Sorgen: „Das Heimatgefühl geht verloren durch Vereins-Sterben und Kneipen-Sterben, durch den Wegfall von sozialen Treffpunkten. Das erzeugt Ohnmachtsgefühle bei den Bürgern. Wir freuen uns sehr, dass die Boulebahn am Heidhauser Platz als neue Stätte der Begegnung bald eröffnet werden kann. Doch dies darf nur ein erster Schritt sein.“