Essen. Kampf den Aerosolen: Essener Kinos und Theater versprechen Besuchern dank moderner Lüftungssysteme Sicherheit. Atemluft wird ständig ausgetauscht
„Bleiben Sie im Theater. Zuhause ist es viel zu gefährlich.“ Das Motto eines Facebook-Post aus der Schweiz macht in den Sozialen Medien derzeit die Runde. Er listet die Orte auf, in denen sich Züricher zwischen den 24. September und 7. Oktober mit Covid-19 angesteckt haben sollen. Ganz oben auf der Liste: der eigene Haushalt. Auf der letzten Position rangieren Kino, Theater und Konzert. Ansteckungszahl: null.
Mag die Erkenntnis auch nur bedingt auf NRW-Städte übertragbar sein, unterstreicht sie doch einmal mehr, was sich Theater, Konzerthäuser und Kinos im Lande derzeit auf die Fahnen schreiben. Dank ausgeklügelter Hygienekonzepte, verkürzter Vorstellungen und stark reduziertem Platzangebote verspricht man dem Publikum ein Höchstmaß an Sicherheit. Der Besuch einer Kulturveranstaltung sei um ein vielfaches ungefährlicher ist als ein Aufenthalt im Geschäft oder Restaurant, heißt es unisono. Und doch geht die Angst um, dass die nächste Runde von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten neuerliche Beschränkungen bringen könnte.
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Dabei wird in den Kulturstätten der Stadt nicht nur peinlichst genau auf Abstand, das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckung und die Rückverfolgung geachtet. Vor allem die leistungsstarken Belüftungsanlagen gelten in Corona-Zeiten als besonderer Trumpf im Kampf gegen die Ansteckungsgefahr. In Vor-Corona-Zeiten dafür gedacht, dem Publikum ein komfortables Wohlfühlklima zu schaffen, sind sie nun das A und O der Sicherheitsstrategie.
Dass die Belüftungsanlagen eine effektive Waffe im Kampf gegen Aerosole sind, kann Reinhard Hühne, technischer Direktor des Aalto-Theaters, mit eindrücklichen Zahlen belegen. Nach Angaben Hühnes werden beispielsweise im Aalto 45.000 Kubikmeter Frischluft pro Stunde in den Zuschauerraum geleitet und die verbrauchte Luft unter der Decke abgeführt. Die Leistung sei auf einen vollbesetzten Saal ausgerichtet und sorge dafür, dass das gesamte Luftvolumen bis zu 40 Mal pro Stunde komplett ausgetauscht wird.
Im Aalto kommt die Frischluft aus der Rückenlehne der Zuschauersessel
In der aktuelle Situation, in der gerade noch ein Fünftel der Plätze im Zuschauerraum besetzt sein dürfen, würde sich diese Leistung um ein Vielfaches erhöhen, erklärt Hühne. Heißt: „Die Luft im Aalto wird bis zu 100 Mal pro Person und Stunde ausgetauscht.“ Die derzeit als kritisch gehandelte Atemluft-Kontakt-Zeit von 15 Minuten würde somit weit unterschritten. „Da sind wir sowas von drunter“, betont Hühne. Anders als in vielen anderen Theatern kommt die Frischluft auch nicht aus Lüftungsschächten im Boden, sondern wird direkt über die Rückenlehne der Sitze in den Raum geleitet Das System hat der finnische Architekt Alvar Aalto noch mitentwickelt. Es sei einmalig und sorge für ein optimales Mikroklima, erklärt Hühne.
Auch in den anderen Häusern der Theater und Philharmonie sieht man sich belüftungstechnisch gut aufgestellt. Im Grillo-Theater werden 20.000 Kubikmeter Frischluft pro Stunde zugeführt. Statt der 40 Kubikmeter Frischluft pro Person und Stunde würde sich die Zahl bei der derzeitiger Besetzung auf mindestens 200 erhöhen, erklärt Hühne.
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In der Philharmonie, die statt der rund 1900 Plätze derzeit gerade mal 250 Stühle besetzen darf, sorgen zwei Anlagen mit jeweils 40.000 Kubikmeter Leistung für Belüftung, die zwecks Geräuschdämpfung während des Konzertes allerdings nicht voll aufgedreht werden. Auch hier sei bei momentaner Besucherzahl mit einem Luftaustausch zu rechnen, der um ein Vielfaches über dem Soll von 30 Kubikmeter pro Person und Stunde liege, sagt Hühne.
„Die Luft von außen wird zu 100 Prozent in den Zuschauerraum gebracht“
Wie alle TuP-Spielstätten bringt auch der Essener Kinopalast Lichtburg 100 Prozent Frischluft in den Raum und mischt keine Umluft bei, wie es in manchen Anlagen inzwischen gehandhabt wird, weil das Heizenergie spart und deshalb als umweltfreundlich gilt. „Die Luft von außen wird zu 100 Prozent in den Zuschauerraum gebracht und muss dann natürlich komplett erwärmt werden“, sagt Lichtburg-Theaterleiter Bernhard Wilmer. Schon vor Wochen war auch eine Studie im Auftrag des Hauptverbandes Deutscher Filmtheater zu dem Ergebnis gekommen, dass die Ansteckungsgefahr in Kino weit geringer ist als im Büro – solange während des Films nicht geredet wird.
Dieser Erkenntnis schließt man sich auch im Rathaus-Theater an. „Theatersäle sind keine Infektionsherde“, betont Bühnenchef René Heinersdorff in einer eingespielten Videobotschaft. Die Kulturorte seien vom Gesetzgeber schließlich verpflichtet, „und zwar schon vor Corona, alle fünf Minuten die komplette Luft im Saal auszutauschen“. Es brauche deshalb nicht viel Mut, ins Theater zu gehen, betont Heinersdorff: „Sie können beruhigt kommen.“