Essen. . Spektakulär, ohne zu spektakeln: Das Aalto in Essen wird in diesen Tagen 25 Jahre alt. Es war bei der Einweihung das „modernste Theater der Welt“ und der letzte 50er-Jahre-Bau zugleich. Der finnische Architekt Alvar Aalto entwarf von der Türklinke bis zu den Ledersofas alles selbst.
Als sie vor 25 Jahren in Essen das „modernste Theater der Welt“ (Architekt Harald Deilmann) einweihten, war das Aalto Theater eigentlich ein Oldie: 1959 vom finnischen Architekten und Designer Alvar Aalto entworfen, preisgekrönt, aber immer wieder in die Schublade gelegt und neu bearbeitet, 30 Jahre lang.
Mancher mittelmäßige Entwurf wäre über die Zeit wohl in Vergessenheit geraten. Aalto hat das alles schadlos überstanden: die kommunalpolitische Unentschlossenheit, die Anti-Hochkultur-Proteste, die lange Wartezeit. Wenn sie heute Abend das 25-jährige Jubiläum dieses einmaligen Opernhauses feiern, dann wird ein Wunder der Beharrlichkeit und Zeitlosigkeit gepriesen. Der weiße, bis heute überraschend moderne Bau aus Marmor zeigt sich in glänzender Verfassung – innen wie außen.
Das menschliche Maß dominiert
Es ist ein Haus aus einem Guss, das der 1976 verstorbene finnische Designer und Architekt Essen hinterlassen hat, vom selbst entworfenen Marmortischchen im Foyer bis zur Parkleuchte im Stadtgarten, von den doppelten Türgriffen für große und kleine Gäste bis zu den schwarzen Ledersofas. Die architektonische Grundaussage, so einfach wie überzeugend: bloß keine steife Andacht, keine Säule, keinen Pomp. Selbst der Eingang ist kaum größer als eine normale Haustür.
Das menschliche Maß dominiert, selbst im lichten Foyer, das mit 14 Metern Deckenhöhe überwältigt, ohne einzuschüchtern. Dafür gibt es auch viel zu viel zu sehen, auf den sacht geschwungenen Balkonen, die sich wie Raumskulpturen in den sonst schmucklosen Bau wölben.
Innenraum wirkt trotz 1125 Plätzen intim
Wer das Haus über die Treppe betritt, spürt schnell, dass hier nicht nur ein imposantes Haus für Oper und Ballett entstanden ist, sondern auch eine Bühne fürs Publikum. Sehen und gesehen werden, auch das gehörte zum Konzept von Alvar Aalto. Hier darf jeder für einen Moment die Aufmerksamkeit genießen.
Das „demokratische“ Operngefühl setzt sich im Saal fort. Der in tiefes Nachtblau und Weiß getauchte Raum, dem Amphitheater von Delphi nachempfunden, wirkt selbst mit 1125 Plätzen fast intim und bietet eine überall gleich gute Akustik, auf den teuren wie den billigeren Plätzen.
Aaltos Maßstäbe haben sich auch auf die künstlerische Arbeit übertragen. Unter dem letzten Intendanten Stefan Soltesz gab es keine Nebensächlichkeiten, keine Nachlässigkeiten, sondern beständig hohe Qualität.
Das hat das Haus in die erste Liga des europäischen Opernbetriebs befördert, bei anhaltend hohem Publikumszuspruch. Dem neuen Hausherrn Hein Mulders stellt sich nun die Aufgabe, die Woge des Erfolges ins nächste Jahrzehnt weiterzutragen. Denn Aalto, das heißt: die Welle.