Essen. „Haste mal ‘ne Zukunft“: Lesefest stellt Themen wie Rassismus, Populismus und Digitalisierung zur Debatte. Lesungen finden auch online statt.

Wer nach der Zukunft fragt, der muss in diesen Tagen vor allem Ungewissheit aushalten. In Corona-Zeiten zumal, in denen Infektionszahlen und daraus resultierende Verordnungen fast täglich das Leben auf den Kopf stellen, Und so ist schon das Ausrichten eines Lesefestes wie „Literatürk“ ein Zeichen von Perspektive und Zuversicht.

„Haste mal ‘ne Zukunft“ heißt es also vom 9. bis 18. November. Und in die eher lässige Sponti-Sprache mischt sich das wackelige Lebensgefühl einer Gesellschaft, die sich jenseits der Corona-Pandemie mit vielen Herausforderungen konfrontiert sieht – vom Klimawandel über wachsenden Rassismus und autoritäre, antidemokratischen Tendenzen bis zu den Chancen und Risiken der Digitalisierung.

Einige Lesungen finden erstmals ausschließlich online statt

So werden auch einige Literatürk-Lesungen in diesem Jahr erstmals ausschließlich online stattfinden. Live-Lesungen sollen zudem soweit wie möglich über YouTube einer breitem Publikum zugänglich gemacht werden. Denn die Besucherzahlen sind an allen Spielorten Corona-bedingt deutlich auf die Hälfe bis zu einem Drittel der Plätze zurückgefahren. Doch wie so vieles in diesen Tagen stehen die Zahlen unter Vorbehalt. Zukunft ist in diesen Tagen kaum berechenbar.

Um den Verlust aller Sicherheiten geht es denn auch in „Haus aus Stein“ von Asli Erdoğan, die das Festival am 9. November, 19.30 Uhr, im Filmstudio Glückauf eröffnet. Was Gefangenschaft und Folter mit der Physis und Psyche eines Menschen macht, beleuchtet sie in ihrem bereits 2009 erschienenen Roman und erweitert den Text in einem vorangestellten Essay nun mit eigenen Hafterfahrungen.

Es geht um den Reiz und die Absurditäten der digitalen Welt

Korruption, Vetternwirtschaft und Gewalt sind auch in Ilija Trojanows neuen Roman „Doppelte Spur“ an der Tagesordnung. Fake News und Staatenlenker, die sich über das Gesetz stellen, sorgen darin für einen beklemmenden Link in die Gegenwart. Auch hier führt das Corona-Virus Regie: Der Autor wird am 15. November, 19 Uhr, live aus Kroatien zugeschaltet.

Schöne neue Technik-Welt? FAZ-Redakteur und Autor Niklas Maak erzählt in „Technophoria“ von den Schönheiten und Absurditäten der digitalen Welt (18. November, 19.30 Uhr, Zeche Carl.). Während Zoë Beck ebenfalls im Altenessener Soziokultur-Zentrum mit in „Paradise City“ eine Zukunft zeichnet, in der das Leben von Algorithmen gesteuert wird und eine Gesundheits-App beständig alle Vitalfunktionen überwacht (14. November, 19.30 Uhr). Realität und Fiktion mischt der einstige Nahost-Korrespondent Michael Lüders in „Die Spur der Schakale“, einem Thriller über die Macht des Geldes (13. November, 19.30 Uhr, Mathildenhof).

Autoren schreiben über Herkunft, Verlust und Zugehörigkeit

Nach „Hawaii“ führt Cihan Acars Romandebüt. Der Ort mit dem verlockenden Namen ist allerdings kein Inselparadies, sondern ein Problembezirk, in dem sich Acars Protagonist in eine ungewisse Zukunft aufmacht, in der Abstammung und die Zuschreibungen der anderen immer noch für Ausgrenzung sorgen (16. November, 19.30 Uhr, Theater Freudenhaus).

Herkunft, Verlust und gesellschaftliche Rollenzuschreibungen sind auch Themen in „1000 Serpentinen Angst“, dem Roman-Debüt von Olivia Wenzel, die deutsch-deutsche Geschichte und persönliche Angststörungen in einem ganz eigenen Erzählton verhandelt (12. November, 19.30 Uhr, Rü-Bühne). Wie Wenzel gehört auch Meral Kureyshi zu den jungen Stimmen der Literatur, die Fragen nach Identität und Zugehörigkeit unter der „Zukunft“-Überschrift betrachten. „Fünf Jahreszeiten“ heißt ihr Buch, das sie am 11. November, 19.30 Uhr, in einer Online-Lesung vorstellt.

Um die Balance von Nähe und Distanz geht es schließlich in „Marianengraben“, dem Debütroman von Jasmin Schreiber, der nicht nur die Bestsellerlisten erklommen hat, weil er ein Phänomen dieser Tage beschreibt. Die Autorin, selbst Corona-Risikogruppe, präsentiert ihn am 10. November, 19.30 Uhr, in einer Online-Lesung.

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