Essen. Romane aus aller Welt, deutsche Literatur und spannende Krimis: Auf diese Neuerscheinungen dürfen wir uns im Jahr 2020 freuen. Ein Überblick.
Bekannte Namen und spannende Debüts prägen den Bücherfrühling: Gegenwärtige Problemlagen werden ebenso verhandelt wie historische Stoffe – die aber gerne mit höchst aktuellen Untertönen.
Internationale Literatur
Woran glauben, worauf hoffen? Literaturnobelpreis-Träger J.M. Coetzee beendet mit „Der Tod Jesu“ (29.1.) seine „Jesus“-Trilogie. Nickolas Butler erzählt in „Ein wenig Glaube“ von der Sogkraft einer Sekte (22.2.). Pascal Mercier (bekannt für den „Nachtzug nach Lissabon“) vermisst philosophisch „Das Gewicht der Worte“ (27.1.). Ebenfalls mit leichter Hand bringt uns Éric-Emmanuel Schmitt („Monsieur Ibrahim“) nun „Felix und die Quelle des Lebens“ (2.3.) näher, Elizabeth Gilbert („Eat Pray Love“) bereist die „City of Girls“ (27.5.) – und trifft im New York der 40er-Jahre auf starke Frauen.
Weibliche Kraft steht im Zentrum gleich einiger bemerkenswerter Romane dieses Frühjahrs: Anna Burns‘ „Milchmann“ (22.2.) wurde mit dem Booker Preis geehrt und reist in Irlands Historie. In den USA wurde Téa Obreht für „Herzland“ (März) über Amerikas Siedlerzeit gefeiert. Laetitia Colombani, die mit ihrem Roman „Der Zopf“ Leserinnenherzen gewann, stellt mit „Das Haus der Frauen“ (26.2.) einen Zufluchtsort mitten in Paris vor. (Noch) ein Geheimtipp ist die Amerikanerin Ottessa Moshfegh, deren Stories „Heimweh nach einer anderen Welt“ verraten (20.1.). Mit dem National Book Award wurde die Amerikanerin Sigrid Nunez für ihren Tierliebhaber-Roman „Der Freund“ (21.1.) ausgezeichnet (der Freund ist übrigens eine Dogge).
Von Menschen im mittleren Alter, die mit sich selbst fremdeln, erzählen Jhumpa Lahiri („Wo ich mich finde“, 19.5.), Anne Tyler („Der Sinn des Ganzen“, 3.3.) und Richard Russo („Jenseits der Erwartungen“, 19.5.). Ebenso David Vann, der in „Momentum“ (9.3.) die letzten Tage vor dem Selbstmord des eigenen Vaters nachzeichnet. Sich selbst sehr treu bleiben auf je eigene Weise die Autoren Philippe Djian („Morgengrauen“, 27.5.) und Nick Hornby, der im neuen Roman mit dem Titel „Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst“ (5.3.) Ehetherapie-Gespräche aufzeichnet. Politisch wird es mit Dave Eggers, der in „Die Parade“ (13.2.) seine gutmenschelnden Protagonisten in ein vom Bürgerkrieg zerrissenes Entwicklungsland schickt.
Ein US-Präsident, der mit gezielten Lügen einen ganzen Kontinent in Aufruhr bringt – „Harte Jahre“ von Mario Vargas Llosa (18.3.) spielt im Lateinamerika der 50er-Jahre und scheint doch höchst gegenwärtig. Immerhin neue Erzählbande gibt es von Richard Ford („Irische Passagiere“, 27.4.) und TC Boyle („Sind wir nicht Menschen“, 17.2.). Zu bester Letzt darf man auf Deepa Anapparas Debütroman „Die Detektive vom Bhoot-Basar“ (27.3.) gespannt sein: ein Krimi aus Kindersicht, mitten aus dem heutigen Indien – und in mehr als 30 Länder verkauft.
Deutsche Gegenwart
Vom frühlingsfrischen Literaturnobelpreisträger Peter Handke gibt es mit „Das zweite Schwert“ eine „Maigeschichte“ schon im Februar (12.2.) – es geht um einen, der auszieht, Rache an einer falsch meldenden Journalistin zu nehmen.
Lutz Seiler, der 2014 für „Kruso“ den Deutschen Buchpreis gewann, erzählt in „Stern 111“ (3.3.) ebenfalls von einem Aufbruch – von Ost nach West. Der ostdeutsche Schriftsteller Ingo Schulze fragt in „Die rechtschaffenen Mörder“ (4.3.), wieso ein „aufrechter Büchermensch“ in die Nähe rechtsradikaler Ausschreitungen gerät. Von „Verwandelten“ (3.2.) der absurden Art kündet Thomas Brussig (wir erinnern uns: „Sonnenallee“!) – zwei Jungs werden zu Waschbären, ein Dorf steht Kopf. Skurril auch Markus Orths (der „Lehrerzimmer“-Autor): Sein „Picknick im Dunkeln“ (27.1.) lässt Stan Laurel und Thomas von Aquin im Dusteren tappen – komische Philosophie oder philosophische Komik?
Ein Gedankenexperiment der ernsthaften Art wagt Ferdinand von Schirach: „GOTT“ fragt, ob Ärzte einem Menschen Beistand leisten dürfen, der Suizid begehen will. Auf der Bühne erfährt das Stück am 25. April im Düsseldorfer Schauspielhaus und am Berliner Ensemble Premiere, als Buch erscheint es am 27. April.
Bleiben wir in der Region: Gleich drei beachtenswerte Romane erzählen aus und vom Ruhrgebiet. Die Essenerin Karosh Taha experimentiert in ihrem neuen Roman „Im Bauch der Königin“ (7.3.) mit der Erzählung von einer alleinerziehenden Mutter, die alle Regeln ihrer kurdischen Community missachtet. In ihrem Debütroman „Elijahs Lied“ (März) schickt die in Essen geborene Amanda Lasker-Berlin drei Schwestern auf eine Wanderung. Und die aus Wetter stammende Eva Sichelschmidt begleitet in „Bis wieder einer weint“ (28.1.) eine Unternehmerfamilie aus dem Ruhrgebiet in historische Tiefen.
Überhaupt sind historische Stoffe zahlreich: In „Ach, Virginia“ (13.2.) berichtet Michael Kumpfmüller von den letzten Tagen im Leben der Virginia Woolf. Ulla Lenze verstrickt in „Der Empfänger“ (22.2.) einen deutschen Auswanderer im Amerika der 40er-Jahre ins Spionagenetz der Nationalsozialisten. Hans Joachim Schädlich zeichnet in „Die Villa“ (10.3.) Aufstieg und Fall eines Unternehmers im Nationalsozialismus nach.
Andere begeben sich auf Reisen ins Heute. Annette Pehnt begegnet in „Alles was Sie sehen ist neu“ (26.2.) einer totalitären Herrschaft. Matthias Politycki reist in „Das kann uns keiner nehmen“ (3.3.) auf den Gipfel des Kilimandscharo. Und der investigative Journalist Ilija wird von zwei Whistleblowern des amerikanischen und des russischen Geheimdienstes kontaktiert: So beginnt Ilija Trojanows „Doppelte Spur“ (29.7.).
Von Generationen und ihren Konflikten künden Anna Katharina Hahns Roman „Aus und davon“ (13.5.) und John von Düffels „Der brennende See“ (19.2.). Großstädtisch kommen Nina Bußmanns Roman „Dickicht“ (13.5.) und Georg M. Oswalds „Vorleben“ (3.2.) daher, der fragt, wie viel Wahrheit die Liebe verträgt.
Und von Daniela Krien, die mit „Liebe im Ernstfall“ den Sommerbestseller 2019 landete, gilt es Stories zu entdecken: Der vergriffene Erzählband „Muldental“ (26.2.) wird von Diogenes neu aufgelegt.
Serienkiller und bunte Tüten – Das bringt die neue Krimi-Saison
Für altersweise Krimi-Kost ist Ingrid Noll bekannt, in diesem Frühling aber fasst sie sich kurz – mit Stories („In Liebe dein Karl“, 22.1.). Jan Costin Wagner erzählt poetisch von einem „Sommer bei Nacht“ (13.2.), Dirk Kurbjuweit vom Serienmörder „Haarmann“ (24.2.) und der französische Schotte bzw. schottische Franzose Martin Walker von einem „Connaisseur“ (22.3.). Nicht Schafe, sondern Menschen ermitteln in Leonie Swanns neuem Krimi „Mord in Sunset Hall“ (25.5.). Donna Leon spürt „Geheime Quellen“ auf (27.5.). Ursula Poznanski legt mit „Grau wie Asche“ (2.3.) Band zwei der „Vanitas“-Reihe vor. Håkan Nesser wird in diesem Jahr 70: Zeit, seinen ersten Roman ins Deutsche zu übersetzen: „Der Choreograph“ (17.2.).
Jürgen Kehrer tauft seinen neuen Wilsberg-Krimi „Sag niemals Nein“ (März) und Gabriella Wollenhaupt ihren neuen Dortmund-Krimi „Ein letzter Grappa“ (Mai). Ebenfalls im Mai erscheint mit „Eine bunte Tüte voller Lügen“ der zweite Band von Christiane Antons’ Reihe um „Yasemins Kiosk“. Und schließlich gibt es von Horst Eckert Neues: „Im Namen der Lüge“ (9.3.) stellt er die Düsseldorfer Verfassungsschützerin Melia Khalid vor.