13. Auflage von Literatürk holt Autoren wie Zeruya Shalev oder Can Dündar nach Essen. Festival widmet sich Themen wie Flucht und Fremdheit.

Ein deutsch-türkisches Lesefest in politisch aufgeladenen Zeiten wie diesen zu organisieren, hat eigene Herausforderungen. Dass man seit neuestem Autoren wie den früheren Cumhuriyet-Chefredakteur Can Dündar unter Polizeischutz lesen lassen muss – der nach seinem Vorjahres-Auftritt in der Lichtburg deshalb diesmal ins kleinere Astra-Kino ausweicht – ist das eine. Dass man aber auch Bücher vorstellen kann, die in der Türkei gar nicht mehr verlegt werden, wie Dündars neues Buch „Verräter“ ist das andere. Zwei Belege für eine thematische Klammer, mit der „Literatürk“ sein 13. Festival überschrieben hat.

Türkische Presse ist nicht interessiert

Um „Macht und Ohnmacht“ geht es vom 6. bis 15. November. Die eingeladenen Autoren nehmen darin nicht nur Bezug auf die aktuellen Geschehnisse in der Türkei, sondern blicken auf die Verwerfungen in der Welt: Exil-Erfahrungen, Angst, Fremdheit, Flucht und Unterdrückung spielen dabei eine Rolle. Das als deutsch-türkisches Literaturfestival gestartete Projekt hat seinen Focus auf die „Kunst und Kultur der Einwanderungsgesellschaft“ erweitert, will die Problematiken in den internationalen Kontext stellen. Und doch bleibe die türkische Literatur eine „Herzensangelegenheit“, versichert Semra Uzun-Önder. „Es wäre ja absurd, gerade jetzt, wo die Hütte brennt, nicht mehr mit den Leuten zu arbeiten“, fügt Fatma Uzun hinzu. Zusammen mit Johannes Brackmann vom Kulturzentrum Grend und vielen Partnern von der Volkshochschule bis zur Literarischen Gesellschaft Ruhr, vom Grillo-Theater bis zu den Essener Filmkunsttheater, von der Stadtbibliothek bis zum Katakombentheater haben sie ein Programm organisiert, das engagiert, kritisch und politisch auf die Weltlage blickt. Die Folge sei, dass zumindest Kollegen türkischer Medien kaum noch Notiz von dem Festival nehmen würden, berichtet Brackmann. Vielleicht, mutmaßt Semra Uzun-Önder, versammle das Programm zu viele Autoren, für die man von türkischer Seite keine Werbung mehr machen wolle.

Schauspielerin Maria Schrader liest Text von Zeruya Shalev

Neben Can Dündar und Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk, der mit seinem Auftritt in der Lichtburg am kommenden Donnerstag, 19. Oktober, bereits prominent auf das im November folgende Lesefest einstimmt, sind es aber auch Autoren wie die Israelin Zeruya Shalev, die im Iran geborene Shida Bazyar oder der gebürtige Bulgare Ilija Trojawanow, die von der Zerrissenheit und den Traumata eines Lebens voller Grenzzäune und Repressionen erzählen. Bestsellerautorin Zeruya Shalev tut das zur Eröffnung von Literatürk am 6. November, im Filmstudio Glückauf mit ihrem neuen Buch „Schmerz“. Den deutschen Text liest Schauspielerin Maria Schrader, die Shalevs Roman „Liebesleben“ bereits verfilmt hat. Ilija Trojanow schildert in „Nach der Flucht“ eigene und fremde Erfahrungen einer für ihn eigenen Kategorie Mensch: den Flüchtlingen.

Kommt mit ihrem neuen Buch „Schmerz“ nach Essen: Die israelische Autorin Zeruya Shalev.
Kommt mit ihrem neuen Buch „Schmerz“ nach Essen: Die israelische Autorin Zeruya Shalev.

Stimmen junger Autoren mit türkischen Wurzeln kommen ebenfalls zu Wort. Die Berliner Autorin und TAZ-Journalistin Fatma Aydemir hat mit „Ellbogen“ ein bisweilen buchstäblich anstößiges und direktes Generationenporträt aus dem Wedding geschrieben. Burhan Sönmez wiederum arbeitet mit „Istanbul Istanbul“ auch eigene Foltererfahrungen mit einer Gefangenengeschichte aus dem Untergrund auf. Politische Einschätzungen zum „Krisenstaat Türkei“ kann man vom Spiegel-Korrespondenten Hasnain Kazim erwarten. Der ehemalige Nahost-Korrespondenten Michael Lüders hat mit seinen Einschätzungen zum Syrien-Konflikt unlängst Kontroversen losgetreten.

In Gesprächsrunden geht es außerdem um „Kunst und Kultur in Zeiten des Ausnahmezustandes“, eine literarische Bestandsaufnahme jugendlichen Lebens im Ruhrgebiet bietet die Essener Anthologie Wer ich wo bin!?. Ein Panorama erzwungener Migration weltweit, geformt aus über hundert Geschichten unterschiedlicher Autoren, ist zudem in dem Buch „Von Fluchten und Wiederfluchen“ entstanden.

Orhan Pamuk: Die rothaarige Frau, 19. 10., 20 Uhr, Lichtburg.

Zeruya Shalev: Schmerz, 6. 11., 19.30 Uhr, Filmstudio Glückauf.

Ilija Trojanow: Nach der Flucht, 7. 11., 19.30 Uhr, Casa/Grillo-Theater.

Nina George : Das Traumbuch, 8. 11., 19.30 Uhr, Theater Freudenhaus im Grend.

Fatma Aydemir: Ellbogen, 8. 11., 19.30 Uhr, Bahnhof Langendreer/Bochum.

Hasnain Kazim: Krisenstaat Türkei, 8. 11., 20 Uhr, Katakomben-Theater, Girardethaus.

Von Fluchten und Wiederfluchten, 9. 11., 19.30 Uhr, Kulturzentrum Grend.

Über Richtungslosigkeiten. 10.11., 20 Uhr, Stadtbibliothek.

Michael Lüders: Die den Sturm ernten. 11.11., 19.30 Uhr, Stadtbibliothek.

Poetryslam; Die Stützen der Gesellschaft, 11.11., 20 Uhr, Kulturzentrum Grend.

Gesprächsrunde: Kunst und Kultur in Zeiten des Ausnahmezustandes, 12.11. 19 Uhr, Cafe Central im Grillo-Theater.

Shida Bazyar: Nachts ist es leise in Teheran, 13.11., 19.30 Uhr, Medieforum Bistum Essen.

Burhan Sönmez: Istanbul Istanbul, 14.11., 19.30 Uhr, Theater Freudenhaus im Grend.

Can Dündar: Verräter, 15.11., 19.30 Uhr, Astra-Kino.

Premierenlesung der Essener Anthologie: Wer ich Wo bin?,21. 11., 17.30 Uhr, VHS

Alle Termine, Adressen, Eintrittspreise auf www.literatuerk.com