Essen. Der Streik von Verdi führt bei Essenern zu Unmut – in ihren Hinterhöfen stapelt sich der Müll. Was hat Vorrang: Sauberkeit oder faire Löhne?

Einen so hohen Müllberg hat Katharina Mohrholz im Hinterhof ihrer Bäckerei noch nicht gesehen. „Der war doppelt so groß wie die Müllcontainer“, sagt sie. Der gigantische Haufen sei einfach nur ekelig gewesen. „Es hat unglaublich gestunken und sah widerlich aus. Nur eine Frage der Zeit bis die Ratten kommen.“

Mohrholz führt mit ihrem Mann die Konditorei Mohrholz in Essen-Frohnhausen an der Berliner Straße, zu der auch ein Café gehört. „Für Gäste war das sicher abschreckend, das Tor zum Hinterhof ist meistens offen, so dass man alles sehen kann“, erzählt sie am Telefon. Mittlerweile hätten die Entsorgungsbetriebe Essen (EBE) den Müll aber abgeholt.

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So wie den Mohrholz ging es vielen Menschen in Essen in den vergangenen Tagen. Weil die EBE zwei Mal gestreikt hat, sind viele Mülltonnen nicht geleert worden. Auch in den sozialen Netzwerken entladen Bürger ihre Wut über Dreck, Gestank und mangelnde Hilfsbereitschaft der EBE.

Wegen des Verdi-Streiks bleibt bei vielen Essenern der Müll liegen – der Unmut wächst

Die EBE begründet die Ausfälle mit den drei Warnstreiks dieses Monats. Im gesamten Stadtgebiet seien Mülltonnen nicht abgeholt worden. Bürger sollten in solchen Fällen die grauen Stadt-Essen-Säcke besorgen, sagt Bettina Hellenkamp. „Sie können fest verschlossene Müllsäcke privater Herkunft an unseren Recyclinghöfen abgeben, aber nur nach Streiktagen.“

EBE-Sprecherin Bettina Hellenkamp
EBE-Sprecherin Bettina Hellenkamp © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Das Ehepaar Mohrholz teilt sich ihre Müllcontainer mit einem Friseursalon und einem Elektrofachgeschäft. „Die Container sind unfassbar groß, so dass man nicht denkt, dass die voll werden können. Letzte Woche hat sich der Müll bis in den Himmel gestapelt“, sagt Mohrholz. Aber das sei nicht ihr einziges Ärgernis mit der EBE.

Mohrholz: In Bredeney war es sauberer als in Frohnhausen

„Direkt vor dem Lokal ist ein öffentlicher Mülleimer. Von der Haltestelle Gervinusstraße kommen oft Leute und werfen da ihren Müll rein. Er quillt ständig über.“ Wenn es dann windig ist, verteilen sich Essenreste, Zigarettenstummel und leere Chipstüten vor ihrem Lokal.

Ein unhaltbarer Zustand, findet sie. „Besonders im Sommer, wenn Gäste draußen sitzen, stört der herumfliegende Müll. Deswegen habe sie schon häufig Kontakt mit der EBE aufgenommen – ohne Erfolg.

Mohrholz betreibt seit sechs Jahren die Konditorei in Frohnhausen, vorher war sie mit ihrem Geschäft 16 Jahre in Bredeney. Dort sei es immer sauber gewesen, erinnert sie sich. „Das liegt aber einzig daran, dass in Bredeney häufiger gekehrt wird. Es ist nicht so, dass Menschen in Frohnhausen mehr Müll auf die Straße werfen.“

Der Müll vor dem Bestattungsunternehmen „sieht nicht gerade repräsentativ aus“

Vor ihrem Büro sei aktuell alles voller Müll, klagt Jessica Dorndorf, die in Kray ein Bestattungsunternehmen führt. Sie hat städtische Müllsäcke neben die Mülltonen gestellt, weil nichts mehr hinein passte. „Dann wurden die in der Nacht aufgeschnitten.“ Der Müll verteilt sich vor ihrer Tür. „Ich sag mal, repräsentativ sieht das nicht aus.“

Der Bezirksbürgermeister von Kray heißt Gerd Hampel. Er ist Angestellter bei der EBE, kümmert sich dort vor allem um die Sperrmülltransporte. „Ich habe gehört, dass es wegen der Streiks viel Ärger mit dem Müll gab“, sagt er. „Dienstag gehts ja weiter mit dem Streik.“

Höhere Löhne oder Sauberkeit vor der Haustüre

Er könne beide Seiten gut verstehen: den Frust der Menschen wegen des vielen Unrats und den Arbeitskampf für bessere Löhne. Welches Gut wichtiger ist, sei eine gute Frage, er wollte sich da auf keine Seite schlagen. „Beides ist wichtig“, sagt er. „Ich hoffe, es gibt eine schnelle Lösung.“

Er rät in dringenden Fällen dazu, bei der EBE anzurufen oder E-Mails zu schreiben. „Dann findet man schon einen Weg, den Müll zu beseitigen.“ Das kann die Konditorin Katharina Mohrholz nicht bestätigen. „Ich habe der EBE telefonisch so gut wie gar nicht erreicht und wenn, dann sagen sie, wir kümmern uns, aber nichts passiert.“

„Da muss man sich nicht wundern, wenn die Ratten Tango tanzen“

An der Mommsenstraße, um die Ecke der Konditorei Mohrholz, lebt die ehemalige Krankenschwester Marion Adam in einem Haus mit 19 Wohnungen. Zwei Wochen haben die EBE den Müll dort nicht abgeholt. „Da muss man sich nicht wundern, wenn die Ratten Tango tanzen“, sagt die 66-Jährige. Sie hatte ihren Müll erst auf den Balkon zwischengelagert und sich dann die städtischen Müllsäcke gekauft, um ihn nach draußen bringen zu können. „Im Hof hat’s grässlich gestunken. Widerlich“, sagt sie.

Diesen Montag, 19. Oktober, habe die EBE den Müll abgeholt, die privaten Müllsäcke neben den Tonnen habe sie nicht mitgenommen. „Da musste sich jemand aus dem Wohnhaus erbarmen und den Rest selber wegbringen“, sagt Adam. Zufrieden kann sie noch immer nicht sein. „Da wo der Müllberg war, liegen überall noch kleine Dreckteile rum.“

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