Essen. 20.000 Überstunden, zu wenig Mitarbeiter und ein hoher Krankenstand: Der Betriebsrat der EBE beklagt Defizite bei der Personalplanung.
Am Montag streikt die Müllabfuhr. Auch die Straßenfeger beteiligen sich am eintägigen Warnstreik, zu dem die Gewerkschaft Verdi die Beschäftigten der Entsorgungsbetriebe Essen (EBE) aufgerufen hat, um im Streit um mehr Geld den Druck auf die Arbeitgeber zu erhöhen. Sympathien werden den Müllwerkern dafür nicht zufliegen. So war es auch, als zuletzt blaue, braune und manchmal auch graue Tonnen über Wochen nicht geleert wurden. „Mitarbeiter wurden beschimpft und angepöbelt“, berichtet André Tielke. Dabei könnten die Kollegen doch am wenigsten dafür, betont der Betriebsratsvorsitzende bei der EBE.
Die Politik hat den Verantwortlichen längst ausgemacht, was im August auf Antrag von SPD und CDU in einen bemerkenswerten Ratsbeschluss mündete: „Oberste Priorität muss die Verlässlichkeit bei der Entsorgung und eine ordentliche Reinigung der Stadt Essen haben. Diese Selbstverständlichkeit unterstreichen wir mit Nachdruck“, heißt es dort an die Adresse der EBE-Geschäftsführer. Gemeint ist Stephan Tschentscher, entsandt vom privaten Müllunternehmen Remondis, das 49 Prozent der EBE-Anteile hält und sich in Kreisen der Politik den Ruf erarbeitet hat, vor allem an Profit interessiert zu sein - koste es, was es wolle.
In der Geschäftsführung trägt Remondis-Mann Stephan Tschentscher die Verantwortung
Remondis-Mann Tschentscher führt die Geschäfte alleinverantwortlich, seit der städtische Geschäftsführer Uwe Unterseher-Herold die Entsorgungsbetriebe vor mehr als einem Jahr vorzeitig verlassen hat. In dessen Händen lag die Verantwortung fürs Personal, doch auch Unterseher-Herold konnte Probleme nicht lösen, welche die EBE laut Betriebsrat bereits seit einer gefühlten Ewigkeit beschäftigen. Dass eine Betriebsvereinbarung, deren Abschluss Unterseher-Herold sich vor seinem nicht ganz freiwilligen Abschied rühmte, erst auf Vermittlung eines externen Moderators zustande kam, sagt viel aus über das Klima zwischen Geschäftsführung und Arbeitnehmervertretern.
Auch Geschäftsführer Stephan Tschentscher und der Betriebsrat scheinen nicht zusammenzufinden. Dabei gibt es offensichtlich Regelungsbedarf. 20.000 Überstunden schieben die Mitarbeiter vor sich her, so André Tielke. Das gelte allen voran für die Kollegen der Müllabfuhr. Dies sei aber nicht der Grund dafür, dass Leerungen nicht an Samstagen nachgeholt werden, was ja nahe läge, wenn randvolle Tonnen nicht geleert wurden, obwohl sie laut Abfallkalender an der Reihe gewesen wären. Eine zusätzliche Schicht wäre ein Verstoß gegen das Arbeitsschutzgesetz. Mehr als 48 Arbeitsstunden pro Woche sind nicht zulässig, wie Tielke betont. Die wären bei einer zusätzlichen Schicht aber erreicht, ja überschritten. So werden Tonnen samstags nur nach und vor Feiertagen geleert.
Der Altersdurchschnitt der EBE-Belegschaft liegt bei über 50 Jahren
Warum aber blieben zuletzt so viele Tonnen stehen? André Tielke und sein Stellvertreter Andreas Moritz erklären dies mit Defiziten bei der Personalplanung. „Es gibt keine Reserve mehr.“ Dazu kommt, dass viele in der Belegschaft aufgrund ihres Alters nicht mehr so leistungsfähig sind, wie sie es in jungen Jahren waren. Der Altersschnitt liegt jenseits der 50. Der Krankenstand bewegt sich im zweistelligen Bereich. Und die Zeiten, als Mitarbeiter fröhlich hin und her geschoben wurden, und die Straßenreinigung auch mal liegen blieb, sind vorbei - spätestens seit die EBE 1,6 Millionen Euro wegen nicht erbrachter Leistungen an die Stadt Essen zurückzahlen musste.
Nicht mehr zu kaschieren war all dies, als in diesem Jahr Remondis in Oberhausen den Zuschlag für die Entsorgung des Altpapiers bekam, das die EBE in Essen in den blauen Tonnen einsammelt. Statt zu einem Entsorger nach Kray geht es für die Müllwagen in die Nachbarstadt. Der neue Tourenplan ging aber nicht auf. Und dann kostete auf dem Weg zum Entsorger auch noch eine Baustelle wertvolle Zeit, so Tielke.
Die öffentliche Schelte an die Adresse der Geschäftsführung durch den Stadtrat hat immerhin dafür gesorgt, dass Geschäftsführung und Betriebsrat miteinander reden. Erste Vereinbarungen seien getroffen worden, berichtet Tielke ohne ins Detail zu gehen. Nur soviel: Zu den vielen Überstunden werden wohl noch weitere hinzukommen. Die Arbeit draußen soll ja nicht liegen bleiben. Eine Dauerlösung ist das aus Sicht des Betriebsrates nicht. Dort setzen sie große Hoffnungen auf den neuen städtischen Geschäftsführer, der längst ausgeguckt, aber noch nicht frei ist. Vor Ende des Jahres soll er seinen Job an der Pferdebahnstraße antreten.