Essen/Ruhrgebiet. Schlag gegen die Clan-Kriminalität im Ruhrgebiet: In einigen NRW-Städten gab es am Samstag Razzien – ein Schwerpunkt war das Ruhrgebiet.
Erneut sind Polizei, Stadtverwaltungen, Zoll und die Justiz in NRW mit einer Großrazzia gegen kriminelle Clans und gegen Banden vorgegangen. An der Aktion, die ihren Schwerpunkt im Ruhrgebiet hatte, waren in der Nacht zum Sonntag fast 2000 Personen im Einsatz, darunter rund 1500 Polizisten.
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„Wir haben am Wochenende bei unserem Kampf gegen die Clankriminalität einen weiteren Nadelstich gesetzt“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), der den Einsatz in Essen persönlich verfolgte, dieser Redaktion. Die kriminellen Angehörigen „bestimmter Großfamilien“ sollten merken, dass NRW nicht weiter wegschaue, sondern sie fest im Blick habe, auch während der Corona-Pandemie.
In Essen, Mülheim, Duisburg, Dortmund, Bochum, Gelsenkirchen, Mettmann und Wuppertal drangen die Einsatzkräfte unter anderem in 13 Wettbüros, fünf Spielhallen und 51 Shisha-Bars ein.
1000 Personen überprüft, sechs Festnahmen, 66 Anzeigen
Laut einer vorläufigen Bilanz des Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) vom Sonntag wurden mehr als 1000 Personen überprüft. Es gab sechs Festnahmen. 66 Strafanzeigen wurden geschrieben, zum Beispiel wegen illegalen Glücksspiels und Steuerhinterziehung. Vielfach wurden Verstöße gegen das Waffengesetz oder gegen die Corona-Schutzverordnung festgestellt. In 42 Fällen beschlagnahmten die Behörden Drogen.
In einem Bistro in Essen entdeckten die Einsatzkräfte ein verstecktes Hinterzimmer, in dem illegales Glücksspiel betrieben worden sein soll. Drei illegale Spielgeräte und ein Pokertisch seien dort gefunden wurden, so das LZPD. Auch in Duisburg stießen Ermittler auf eine offenbar illegale Spielhalle.
Zivilkräfte der Polizei fahndeten zeitgleich orennennach Verkehrsrowdys und Teilnehmern an illegalen Aut. Acht „hochwertige“ Autos wurden sichergestellt, darunter ein Audi R8 mit einem geschätzten Wert von 250.000 Euro. Insgesamt wurden mehr als 400 Fahrzeuge überprüft, fast 500-mal verhängten die Beamten ein Verwarngeld.
Die Razzia vom Wochenende dürfte am heutigen Montag in Düsseldorf noch einmal detailliert zur Sprache kommen. Innenminister Reul will dann das aktualisierte „Lagebild Clankriminalität“ vorstellen.
Bereits am Sonntag versprach Reul, kriminelle Clans im Ruhrgebiet und in ganz NRW weiter regelmäßig „stören“ zu wollen: „Bei uns gilt nicht das Gesetz der Familie, sondern das Gesetz des Staates.“
Die einzelnen Einsätze im Überblick:
Schwerpunkt der Razzien in Essen waren Geldspielautomaten und Unterhaltungsspielgeräte. Durchsucht wurden Wettbüros, Teestuben und Kulturvereine. Dabei wurden unter anderem mehrere Lokale in Essen-Kray kontrolliert. Mit Geldspielgeräten werde „sehr viel Reibach“ gemacht, hieß es vor Ort. Es wurde überprüft, ob illegales Glücksspiel betrieben wird, ob die Geräte manipuliert oder illegal aufgestellt sind, heißt es.
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Die Essener und Mülheimer Behörden arbeiteten zusammen. Insgesamt wurden in beiden Städten am Samstagabend 31 Gebäude kontrolliert, davon etwa zehn Wettspielbüros und Gaststätten in Mülheim.
Razzien in Bochum, Gelsenkirchen, Duisburg, Herne, Witten, Velbert und Wuppertal
Gleichzeitig liefen am Samstag auch Razzien gegen kriminelle Mitglieder libanesisch-arabischer Clans in sechs weiteren Städten im Großraum Ruhrgebiet. Es handelt sich um Gelsenkirchen, Bochum, Dortmund, Duisburg, Wuppertal und den Kreis Mettmann. Jede Polizeibehörde in diesen Städten fahre einen eigenen Einsatz mit eigenen Schwerpunkten, hieß es.
Beamte des Polizeipräsidiums Bochum etwa kontrollierten in Bochum, Herne und Witten vorrangig Gastronomiebetriebe, insgesamt handelte es um 16 Lokale. Unter anderem wurden Betriebe in der Brüderstraße im Bochumer Bermudadreieck kontrolliert.
In Duisburg fand die Polizei eine wahrscheinlich illegale Spielhalle: Sie war als Teestube getarnt, so die Polizei. Entdeckt worden seien 17 Spielautomaten, für die keine Anmeldung vorlag.
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Ein Schwerpunkt der Kontrollen in Gelsenkirchen war die Bismarckstraße. Hier wurden unter anderem 66 Dosen Shisha-Tabak sichergestellt. In drei Fällen wurden bei den Kontrollen baurechtliche Mängel und in zwei Fällen Hygienemängel festgestellt.
In Velbert bestand nach der Razzia ebenfalls Verdacht auf illegales Glücksspiel. Außerdem entdeckten die Ermittler in einem Keller 30 Cannabispflanzen.
Polizei kontrolliert in Dortmund Lokale und Tuning-Szene
Eine große Kontrollaktion lief in Dortmund: Im Bereich der Innenstadt überprüfte die Polizei nach eigenen Angaben mehr als 300 Personen. Dabei wurde eine Person vorläufig festgenommen, weil der Verdacht eines illegalen Aufenthaltes besteht.
Polizei, Zoll und Ordnungsamt kontrollierten zudem sieben Lokale. Sechs davon wurden vom Ordnungsamt aufgrund von Verstößen gegen die Corona-Schutzverordnung geschlossen und versiegelt. Insgesamt stellten die Ermittler 25 Kilogramm unverzollten Tabak sicher. Die Folge: vier Anzeigen und zwei Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Steuervergehen.
Eine weitere Aktion lief am Samstagabend gegen die Tuning-Szene, um wie die Polizei mitteilt „bekannte Schnittmengen zu den kriminellen Strukturen mit in die Kontrollen einzubeziehen“. Bei den Kontrollen am Phoenixsee und an der Brackeler Straße verhängten die Beamten insgesamt 102 Verwarnungsgelder sowie 30 Ordnungswidrigkeitenanzeigen. Ein Auto wurde wegen technischer Mängel beschlagnahmt und stillgelegt.
Polizeipräsident Gregor Lange stellt klar: „Wir dulden keine rechtsfreien Räume in unserer Stadt.“
Die erste Groß-Razzia gegen kriminelle Clanmitglieder gab es im Januar 2019
Essen gilt als Hochburg der Clankriminalität in Deutschland und ist Schwerpunkt dieser landesweiten Groß-Razzia. Die Einsatzkräfte der Essener Polizei sind um 21 Uhr ausgerückt.
Eine ähnlich groß angelegte Razzia gegen Clankriminalität im Ruhrgebiet hat es bereits am 12. Januar 2019 gegeben. 1300 Polizistinnen und Polizisten waren damals im Einsatz. Das NRW-Innenministerium twitterte vor einem Jahr: „Auftakt zur größten Razzia gegen Clankriminalität in der NRW-Geschichte“.
Im Januar 2019 durchsuchten die Einsatzkräfte der Polizei Teestuben, Shisha-Bars, Cafés und Wettbüros. Die Beamten wurden von Zoll, Finanzbehörden und Ordnungsamt unterstützt.