Ruhrgebiet. 1300 Polizisten gingen am Samstag im gesamten Revier gegen Clans vor. Sie fanden vor allem Klein-Kriminalität vor.

Samstag, 21 Uhr. Blaulicht verwandelt das Bermuda-Dreieck in einen Einsatzort. Dienstwagen brausen in die Brüderstraße, wo ein halbes Dutzend Shisha-Bars das Entrée des Bochumer Ausgehviertels prägen. Binnen Sekunden sind sie abgeriegelt. Silvie steht nun draußen vor der Tür, während sich drinnen ihre Geburtstagsparty abspielen sollte, dabei war die 19-Jährige „nur kurz eine rauchen“. Nun muss sie durchs Fenster mit ansehen, wie Polizisten, Zöllner und Stadtmitarbeiter das Lokal filzen, nach Schwarzarbeitern und unversteuertem Tabak suchen, Hygiene und Abluft checken und – stichprobenartig – die Personalien der Gäste aufnehmen.

Es ist die 18. Kontrolle im Bermuda-Dreieck

„Man kennt das hier ja schon“, sagt Görkan (25). Stimmt. Es ist die 18. Razzia innerhalb von eineinhalb Jahren. Tatsächlich stehen vor allem viele Shisha-Bars im Revier schon länger im Fokus der Ermittler. Sie gelten als Rückzugsorte von Familienclans libanesisch-kurdischer Herkunft und als Geldwäsche-Einrichtungen. Doch den Nachweis zu führen, ist offenbar nicht so einfach. All die Kontrollen förderten zumeist nur Schwarzarbeit, unversteuerten Tabak und hygienische Mängel zu Tage. So wird es auch am Samstagabend laufen, als über 1300 Polizisten und Hunderte weitere Offizielle zum größten Schlag gegen Clans ausholen, den das Revier bisher gesehen hat.

Ebenfalls um 21 Uhr, eine Spielhalle in Duisburg-Hamborn: Automaten blinken, ein glitzernder Totenkopf schaut aus einem Bilderrahmen. „Das ist geschäftsschädigend, ich rufe meinen Anwalt an!“, ruft der Besitzer den Polizisten zu und NRW-Innenminister Herbert Reul, der in dieser Nacht von einer Razzia zur nächsten eilt. Im nächsten Moment treiben die Fahnder 10.000 Euro Steuerschulden ein. Ähnlich geht es in einem Café in Marxloh zu. „Rauchen verboten“, steht außen auf einem Schild, aber das wollen Polizei, Ordnungsamt, Zoll und Staatsanwaltschaft mal nicht kontrollieren. „Die Männer treffen sich hier zum Kartenspielen. Das Café ist in Ordnung“, erklärt ein Passant noch. Da fördern die Ermittler schon einen verdächtigen Batzen Bargeld. Für die Polizei ist das Lokal eine bekannte Adresse.

Ermittler stören die Geselligkeit in einem Essener Café.
Ermittler stören die Geselligkeit in einem Essener Café.

Zeitgleich stören die Ermittler die Geselligkeit in einem „Café“ in Essen-Frohnhausen: Man spielt Karten oder das Steinchen-Legespiel Okey, raucht Shisha, trinkt Mineralwasser und nascht Kinder-Pingui aus dem gut gefüllten Kühlschrank. Die Gäste können sich ausdrücken und sind informiert, ein Banker und ein Awo-Mitarbeiter darunter: Clans, ja, klar, „da gibt es doch jetzt Extra-Staatsanwälte für“. Cool bleiben ist Pflicht. Als einer, den sie Memmo nennen, nach draußen geführt wird, ruft ein anderer lachend „Free Memmo“ hinterher. Ein anderer wird tatsächlich festgenommen, da er mehrere Tausend Euro Bargeld und einige EC-Karten bei sich trägt. Er muss nun erstmal die rechtmäßige Herkunft nachweisen. „Kriminelle gibt’s überall“, kommentiert sein Kumpel: Hooligans zum Beispiel, „find ich auch nicht gut“.

Die Stretch-Limousine ist zu voll, die Party beendet

Und so geht es Schlag auf Schlag und klein-klein, den ganzen Abend im Revier. In Essen-Borbeck wird ein Gastronomie-Betrieb kurzerhand dicht gemacht, in einer Teestube in Duisburg-Fahrn konfiszieren die Einsatzkräfte 200 Kilo „Polenböller“, und auf der B 8 in Hamborn beschlagnahmen sie einen Wagen. „Unsere Erfahrung zeigt, dass das den Betroffenen weh tut“, sagt ein Polizeisprecher. Doch obwohl in Duisburg 20 Läden durchsucht und 400 Personen kontrolliert werden, gibt es nur eine Festnahme. In der Dortmunder Nordstadt gerät eine Stretch-Limousine in den Blick: Zugelassen ist sie für acht Personen – drin sitzen 14. Ende der Party.

Ein Kohlenmonoxid-Messgerät ist immer dabei.
Ein Kohlenmonoxid-Messgerät ist immer dabei.

In der Gelsenkirchener Shisha-Bar Moolah schlagen die Messgeräte Alarm. Das gefährliche Gas Kohlenmonoxid überschreitet den Grenzwert „um das Siebenfache“, aber offenbar nur nahe des Ofens, mit dem die Kohlen für die Wasserpfeifen angefeuert werden, erklärt ein Feuerwehrsprecher. Die Bar muss unter Aufsicht lüften, dann ist es gut.

Hundert Strafanzeigen und 14 Festnahmen im gesamten Revier bilden den harten Kern der Bilanz des Abends, die der Innenminister am Sonntag mitteilt. Den Großteil machen solche Ordnungswidrigkeiten und Verwarngelder aus, wie in der Gelsenkirchener Bar. Es geht dem Innenminister und der Polizei auch um das Signal, sagen sie – an die Banden wie an die Bürger.

Gegen halb zwei am Sonntagmorgen nehmen behelmte Polizisten Aufstellung im Essener Nachtclub „Essence“. Die Musik erstirbt, und ein streng dreinschauender Herbert Reul schreitet in Hemd, Pullunder und Mantel vorbei an leicht bekleideten Gästen über die Tanzfläche, stoppt, gibt vom Stimmengewirr unbeeindruckt ein paar kurze Kamera-Interviews und verlässt die verdutzte Menge wieder. Ein junger Mann mit arabischem Akzent versucht den Auftritt einzuordnen: „Bester Präsident ist das, ne?“