Essen-Nordviertel. Erst war er Marktplatz, dann Spielplatz und schließlich viele Jahrzehnte im Dornröschenschlaf. Nun plant die Stadt eine komplette Neugestaltung.

Lange lag er, unbemerkt von Stadtplanern und Wohnungsbesitzern, im Dornröschenschlaf, nun erwacht er. Mit neuer Gestalt könnte der Eltingplatz in den nächsten Jahren das grüne Kommunikationszentrum des gleichnamigen Viertels werden. Doch wäre eine Veränderung durch Aufwertung überhaupt wünschenswert? Das bezweifeln vor allen die direkten Anwohner, die den lauschigen Platz, so wie er ist, schätzen.

Dass hier einmal bis zum Zweiten Weltkrieg buntes Markttreiben stattfand, kann der Besucher kaum glauben: Heute ist der Eltingplatz vor allen Dingen eines: angenehm unspektakulär. Eine Wiese, umrandet von Büschen und mächtigen Platanen, die selbst im Hochsommer für angenehmen Schatten sorgen. Egal auf welcher Bank man sitzt - man schaut immer in dichtes Grün und hört den Vögeln beim Zwitschern zu. Die nahe gelegene City scheint weit weg.

Mittlerweile wird der Eltingplatz für Feste genutzt: wie im vergangenen Jahr beim Kaffeeklatsch mit den Bewohnern.
Mittlerweile wird der Eltingplatz für Feste genutzt: wie im vergangenen Jahr beim Kaffeeklatsch mit den Bewohnern. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Der Platz als grüne Ruheoase

„Ich finde das eigentlich wunderbar. Der Platz ist für mich eine richtige Ruheoase.“ Ginge es nach Angelika Cieborra, dann müsste sich hier gar nichts ändern. Bis auf ein paar neue schöne Sitzbänke, die könnte der Platz gut vertragen. Die 67-jährige Essenerin ist mit sechs Jahren ins Eltingviertel gezogen, hat schon als Kind auf den umliegenden Straßen und natürlich auch auf dem Eltingplatz gespielt.

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„Damals war hier viel los, gab es einen Spielplatz mit Klettergerüst, Rutsche und Turnstangen“, erinnert sie sich. Das war zu einer Zeit, als aus der benachbarten Zeche Victoria Mathias noch Kohle gefördert wurde, der Himmel über dem Norden Essens grau und die Fensterbänke voller Ruß waren. Auf alten Schwarz-Weiß-Fotos kann man deutlich sehen, wie unglaublich nah die Zeche den Wohnhäusern kam. Als sie 1965 geschlossen wurde, geriet das ganze Viertel allmählich in Vergessenheit.

Noch in den 1970er Jahren konnte man auf dem Eltingplatz spielen. Dann wurden Gifte im Boden entdeckt.
Noch in den 1970er Jahren konnte man auf dem Eltingplatz spielen. Dann wurden Gifte im Boden entdeckt. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Bis in die 1970er Jahre gab es einen Spielplatz

Dann wurde auch der Spielplatz irgendwann in den 1970er Jahren abgebaut, „man hat damals Gifte und Schwermetalle im Boden gefunden“, weiß Angelika Cieborra. Gespielt wurde von nun an auf dem gegenüberliegenden Ostermannplatz. Dazwischen befindet sich eine der ersten verkehrsberuhigten Spielstraßen in der Stadt. Der ehemalige Ministerpräsident Johannes Rau kam 1979 extra aus Düsseldorf angereist, um sie feierlich einzuweihen.

Danach passierte lange Zeit gar nichts. Die schönen Gründerzeithäuser bröckelten ein wenig vor sich hin – zumindest die, die der Deutschen Annington (so hieß Vonovia früher) gehörten. Die unrenovierten Wohnungen waren entsprechend billig, also fanden hier viele Menschen aus aller Herren Länder, die sich die südlichen Stadtteile nicht leisten konnten, ein zuhause.

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Lichterfest, Flomarkt und Kaffeeklatsch beleben den Platz

Dann, ab 2010, änderte sich etwas: Das Eltingviertel erhielt mehr Aufmerksamkeit, Studenten und junge Freiberufler entdeckten das Quartier, das nicht nur innenstadtnah, sondern auch nahe an der Uni liegt. Roland Wulftange ist einer von ihnen, der Designer lebt in einem der schön renovierten Häuser direkt am Eltingplatz. Ihm folgten weitere Künstler und Lebenskünstler, die das Eltingviertel mit anderen Augen betrachteten. Und die es belebten.

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„Ob Lichterfest, Flohmarkt, Kaffeetafel oder Pflanzaktion – alles fand selbstverständlich auf und rund um den Eltingplatz statt“, erzählt Roland Wulftange, der gerne vom Charme des Platzes schwärmt. Wie auch die Anwohnerin Maren Precht, die schon von ihrer Lieblingsbank aus 16 Vogelarten in den hohen Bäumen gezählt hat. Oder Reiner Zurmühle, den das stille Grün vor der Haustür total überrascht hat, als er vor vier Jahren hierhin zog.

Eine Büste für den Platz

Im vergangenen Jahr besuchten die Nachfahren von Hermann Elting, dem Erbauer und Namensgeber des Viertels, die Stadt und natürlich das Nordviertel.

Sie sagten zu, eine Büste ihres Vorfahren an das Ruhr Museum zu übergeben.

Das Museum will dann davon eine Replik anfertigen, die dann auf dem Eltingplatz aufgestellt werden soll.

Doch mit der Beschaulichkeit und der Ruhe ist es aller Wahrscheinlichkeit nach bald vorbei: Die Stadt hat die Pläne zur Umgestaltung schon in der Schublade. Auf den Zeichnungen sieht der Eltingplatz sauber und adrett aus. Die dichten Büsche, in denen Vögel nisten können, haben nach der Neugestaltung keinen Platz mehr.

So soll der Eltingplatz in Zukunft aussehen;: Die dichten Büsche sind verschwunden, der Platz ist von allen Seiten einsehbar.
So soll der Eltingplatz in Zukunft aussehen;: Die dichten Büsche sind verschwunden, der Platz ist von allen Seiten einsehbar. © FUNKE Foto Services | Ulrich von Born

Plötzlich ist das Eltingviertel chic

Der Plan spielt Vonovia in die Hände: Dem Immobilienkonzern gehören viele Mietshäuser im Viertel, die er nach und nach renovieren lässt. Natürlich wird dann auch die Miete angepasst, was nichts anderes bedeutet als eine deftige Erhöhung. Viele alteingesessene Mieter können sich das nicht mehr leisten.

Und plötzlich ist es chic, im Eltingviertel zu wohnen. Dass diese Gentrifizierung auch die grüne Oase am Eltingplatz miteinbezieht, ist aus Investoren-Sicht zwangsläufig. Ob es den derzeitigen Bewohnern gefällt, steht auf einem anderen Blatt.

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