Essen. Die Kapelle mit Hakenkreuz-Dekor im Huyssensstift Essen wird unter Denkmalschutz gestellt. So sagt es das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland.
Die geplante Umgestaltung der mit Hakenkreuzen dekorierten Kapelle im Evangelischen Huyssensstift in Essen-Huttrop muss offenbar abgesagt werden. Nach Ansicht des LVR-Amtes für Denkmalpflege handelt es sich bei dem Sakralraum um „eine bundesweit äußerst selten überlieferte Kircheneinrichtung aus der Zeit des Nationalsozialismus’“, die unter Denkmalschutz gestellt werden müsse. So geht es aus einem fast 40-seitigen Gutachten des LVR-Amtes hervor, das der Redaktion vorliegt. Es hält auch überraschende Erkenntnisse bereit: So steht manches Ornament in der Kapelle offenbar auch für die NS-kritische Bekennende Kirche.
„Es ist unerträglich, einen Gottesdienst zu feiern mit einem Himmel voller Hakenkreuze über mir“
Das Essener Denkmalamt ist nun dafür verantwortlich, das Objekt rechtskräftig in die Denkmalliste der Kommune einzutragen. Wie das LVR-Amt bereits 2019 erklärte, habe die Untere Denkmalbehörde hier „keinen Ermessensspielraum“. Die Stadt könne zwar fachliche Gründe vorlegen, „die den Denkmalwert widerlegen“ sollen. Seien diese Erwiderungen aber nicht stichhaltig, müsse sie die Eintragung fortsetzen. Sollte wiederum der Eigentümer des Kapelle damit nicht einverstanden sein, könne er gegen die Eintragung klagen.
Ob Klinikleitung und Evangelische Kirche den Klageweg beschreiten werden, ist nicht bekannt. Bei einem Treffen im Dezember 2019 hatten sich alle Beteiligten darauf verständigt, dass das städtische Denkmalamt das weitere Vorgehen bündelt und die Informationspolitik übernimmt. Aktuell äußert sich die Stadt noch nicht zu dem Thema; man will offenbar bis zur nächsten Sitzung des zuständigen Planungsausschusses am 6. Februar warten.
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Klar ist bereits, dass die Eintragung als Denkmal Konfliktpotenzial birgt. So hatte etwa Essens Kulturdezernent Muchtar Al Ghusain im Frühjahr 2019 erklärt, er halte es „für unerträglich, einen Gottesdienst zu feiern mit einem Himmel voller Hakenkreuze über mir“.
Ähnlich sah man es wohl auch im Huyssensstift, das Ende 2018 die Neugestaltung der 1937 eingeweihten Kapelle bekanntgegeben hatte: Die Decke mit dem Hakenkreuz-Dekor sollte verschwinden, der neue Sakralraum ganz in Weiß erstrahlen. Den Hinweis, dass hier womöglich ein wichtiger Zeugnis aus der NS-Zeit getilgt werde, konterte Superintendentin Marion Greve damals mit der Bemerkung: „Eine Krankenhaus-Kapelle hat viele Funktionen, aber nicht die, als Mahnmal zu dienen.“
Denkmalschützer fanden in der Kapelle auch Hinweise auf die Bekennende Kirche
Da könnte sich die Kirchenfrau täuschen. So erklärt das von Sven Kuhrau vom LVR-Denkmalamt verfasste Gutachten, dass ein Baudenkmal aus der NS-Zeit aus denkmalschützerischer Sicht nicht anders zu behandeln sei als andere bauliche Zeugnisse. Bereits 1999 habe der Deutsche Städtetag klargestellt: „Die kommunale Denkmalpflege muss sich im Fall der Hinterlassenschaften des Nationalsozialismus als Teil einer notwendigen Erinnerungsarbeit verstehen.“
Natürlich bedürfe die weitere Nutzung der Kapelle einer klugen Vermittlungsarbeit, betonen die Denkmalschützer, die dazu auch Anknüpfungspunkte liefern. So spiegele sich in der von Carl Conradi (1874-1959) entworfenen Krankenhaus-Kapelle nicht nur, „wie nationalsozialistisches Gedankengut in ein kulturell konservatives, nationalprotestantisches Milieu einsickerte, in Kauf genommen bzw. mitgetragen wurde“. Nein, in ihrem Bildprogramm zeige sich auch der „Einfluss der Bekennenden Kirche“ – und die stand dem NS-Staat bekanntlich kritisch gegenüber.
Kreuzigungsbild zeigt Schächer mit einem Haarschnitt, „der an den Adolf Hitlers erinnert“
Kuhrau schildert, welche Akteure außer Architekt Conradi auf die Gestaltung der Kapelle Einfluss nahmen. Das Ringen zwischen Hitler-treuen Deutschen Christen und der Bekennenden Kirche in der Essener Altstadt-Gemeinde habe sich letztlich in einer „Kompromiss- oder sogar Konsensgestaltung der am Bau beteiligten Gruppen“ niedergeschlagen.
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So sei trotz der gezeigten Hakenkreuze die NS-Emblematik insgesamt „weit weniger konkret und eindeutig“ als bei anderen Kirchenbauten aus der Zeit. Mehr noch: An Altaraufsatz und Glasfenstern gebe es auch Elemente, die aus linientreuer Sicht „unakzeptabel“ gewesen wären. Als Beispiel sei das Fenster mit der Kreuzigungsszene genannt, das den „schlechten Schächer“ mit einem Haarschnitt zeige, „der an den Adolf Hitlers erinnert“.
Wer wiederum für das Hakenkreuz-Dekor sorgte, kann Kuhrau nicht mit letzter Sicherheit beantworten. Dass es auch von Köpfen der Bekennenden Kirche hingenommen worden sei, findet der Wissenschaftler weniger überraschend: Im Kirchenstreit sei es ihnen primär darum gegangen, die „kirchliche Autonomie gegenüber staatlichen Übergriffen“ zu wahren, nicht um eine Ablehnung des NS-Staates als solchen.
Für die Unterschutzstellung der Kapelle sprächen künstlerische, architektur-, orts- und kirchengeschichtliche Gründe, resümiert Kuhrau. Anders als von manchem Beobachter zunächst vermutet, sei sie freilich kein „Relikt der Deutschen Christen“, sondern „einzigartiges Monument des Kirchenstreites in Essen“ – und als solches auch von überregionaler Bedeutung.