Essen. . Zu der mit Hakenkreuzen versehenen Kapelle im Essener Huyssens-Stift meldet sich ein Chor, der da probt: Der Umgestaltungsentwurf sei misslungen.
Seit Jahren trifft sich der Brummer-Chor in der Krankenhaus-Kapelle in der Evangelischen Huyssens-Stiftung in Essen-Huttrop: „Die Atmosphäre ist schön: Wenn das Licht durch die bunten Scheiben fällt, fühlt man sich geborgen“, sagt Chor-Mitglied Else Genrich (73). Deswegen waren die Sänger überrascht , als sie in der Zeitung lasen, dass die Kapelle umgestaltet werden solle, weil sie mit NS-Symbolen geschmückt sei.
Tatsächlich ist namentlich die Decke des 1935 entstandenen Sakralraums mit einem Hakenkreuz-Dekor versehen. Das heute verbotene Symbol ist in ein Banddekor eingefügt, so dass es auch dann nicht sofort auffällt, wenn man den Blick zur Decke richtet. Ein Altarbild, das einen auffällig blonden Jesus zeigt, wurde von der Klinik-Leitung dagegen schon vor vielen Jahren entfernt.
Seither geschah lange Zeit nichts, bis die Gremien der Klinik im Dezember 2018 beschlossen, die Kapelle umzugestalten: Man brauche einen unbelasteten Rückzugsraum für Gottesdienste, Meditation und Musik, erklärte der damalige Geschäftsführer der Kliniken Essen Mitte (KEM), Horst Defren. „Es kann nicht sein, dass Menschen nicht in die Kapelle gehen, weil da Hakenkreuze an der Decke sind.“ Die Sorge können die Mitglieder des Brummer-Chores nicht verstehen: Bei genauerem Hinsehen handele es sich ja nicht zwangsläufig um das bekannte NS-Symbol, sondern um „Kreuzelemente, die durch sich immer neu kreuzende, schmale Zickzack-Bänder entstehen“. Vielleicht, so die Chormitglieder, habe da sogar jemand beim Ausschmücken der Kapelle „das Ansinnen der Nazis geschickt unterlaufen“.
Denkmalwert der Kapelle soll erst geklärt werden
Das ist womöglich eine kühne Theorie. Bisher wurde die ungewöhnliche Gestaltung der Kapelle eher als Hinweis auf eine Nähe zum nationalsozialistischen Regime gewertet. Die Leiterin des LVR Amtes für Denkmalpflege, Andrea Pufke, sagte etwa, man müsse sich ansehen, „welche Rolle die Deutschen Christen bei der Errichtung der Kapelle spielten“; also jener Teil der evangelischen Kirche, der sich an die NS-Ideologie anschmiegte. Andrea Pufke warnte, diesen Geschichtsort umzugestalten, bevor dessen Denkmalwert geklärt ist.
Auch der Brummer-Chor hält wenig von der angedachten Umgestaltung: Zwar könne die Kapelle eine Auffrischung vertragen, doch der Entwurf eines schmucklosen, klinisch weißen Raumes irritiert sie: „Wie kann man eine Krankenhaus-Kapelle, in der kranke Menschen Trost, Ruhe und Geborgenheit suchen, um mit ihrem Schicksal fertig zu werden, in einen sterilen, weißen Raum umgestalten, der einem OP-Raum ähnlich sieht“, fragen sie in einem Offenen Brief. Klar formulieren die knapp 20 Unterzeichner: „Wir sind der Meinung, die Kapelle verdient, so wie sie ist, erhalten zu werden“.
Für manche ein furchtbarer Raum – für andere Trost
Der Brummer-Chor liegt mit seinem Appell auf einer Linie mit Johannes von Geymüller vom Arbeitskreis Essen 2030 oder dem Grünen Ratsherren Walter Wandtke, die für einen Erhalt der jetzigen Gestaltung werben. Mit einer entsprechenden Einordnung sei der Raum ein wertvolles Zeitzeugnis. Eine solche Lesart hatte bisher nicht nur die Klinik-Leitung zurückgewiesen, auch die Evangelische Kirche hatte sich dagegen verwahrt: „Eine Krankenhaus-Kapelle hat viele Funktionen, aber nicht die, als Mahnmal zu dienen“, meint Superintendentin Marion Greve. Im übrigen hätten sich ehemalige Patienten gemeldet, die es als „furchtbar“ empfunden hätten, in dieser Kapelle zu beten.
Else Genrich vom Brummer-Chor ist es ganz anders ergangen: „Ich bin selbst vor einigen Jahren im Huyssens-Stift operiert worden und weiß, welchen Trost dieser Ort spenden kann.“ Sollte die Klinik an ihren Plänen festhalten, werde sich das wohl ändern: „Wenn man den geplanten Raum sieht, fröstelt es einen ja.“
>>> EXPERTEN-WORKSHOP ZUR KAPELLE
- Am Montag (11. März 2019) hat es auf Einladung der Evangelischen Huyssens-Stiftung einen Experten-Workshop zur Zukunft der Krankenhaus-Kapelle gegeben: Dabei tauschten sich u.a. Vertreter von Klinik, Kirche, Denkmalschutz, Arbeitskreis Essen 2030 aus. Essens Kulturdezernent Muchtar Al Ghusain und der Leiter des Ruhr-Museums, Theo Grütter, zählten zu den Teilnehmern.
- Die Teilnehmer haben Vertraulichkeit zu den Inhalten des Gesprächs vereinbart. Konkrete Ergebnisse hatte das Treffen noch nicht. Es wurden aber Prüfaufträge vergeben. Die Runde wird sich erneut zusammensetzen.