Essen. . Die umstrittene Krankenhaus-Kapelle im Essener Huyssensstift ist derzeit eine Baustelle: Es gehe nicht um das NS-Erbe, sondern um den Brandschutz.
Die Decke ist weg, das Hakenkreuz-Dekor verschwunden: Die Krankenhaus-Kapelle des Evangelischen Huyssensstifts in Huttrop hat sich dieser Tage in eine Baustelle verwandelt. Kommt es nun zur umstrittenen Umgestaltung? Verschwinden historische Spuren unter weißer Farbe, noch bevor das Denkmalamt sein Urteil über den Sakralraum aus der NS-Zeit gesprochen hat?
Aber nein, sagt der Geschäftsführer der Klinik, Frank Mau. Hier gehe es nicht um die Umgehung des Denkmalschutzes, sondern um die Erfüllung des Brandschutzes – „in Abstimmung mit dem Denkmalamt“. Behutsam sei die Decke abgetragen worden, jedes Paneel nummeriert, so dass man die eingelagerten Deckenteile jederzeit wieder an ihre frühere Position bringen, den ursprünglichen Zustand der Kapelle wiederherstellen könne.
Gewollt ist das freilich nicht: Die Evangelische Kirche als Eigentümerin der Kapelle hat im vergangenen Jahr eine Neugestaltung beschlossen: Mehr als 70 Jahre nach Kriegsende sollten die Hakenkreuze an der Decke und andere belastete Gestaltungselemente verschwinden. Superintendentin Marion Greve betonte, es sei Patienten nicht zuzumuten, in einem Raum zu beten, der mit „lebensfeindlichen Symbolen“ geschmückt sei. Ausgestattet mit dem einstimmigen Votum des Kreissynodalvorstandes beauftragte man sodann das Architektenbüro Barucco-Pfeifer, einen Entwurf zu erarbeiten.
Arbeitskreis 2030: Kapelle ist ein Zeitzeugnis
Publik wurden die Neugestaltungspläne im November 2018, als erste Deckenteile entfernt worden waren, um den Brandschutz zu prüfen. Das Loch in der Decke sorgte zunächst für Nachfragen und dann für eine lebhafte Debatte: Johannes von Geymüller vom Arbeitskreis Essen 2030 etwa sah in der Kapelle ein historisches Zeugnis, das erhalten werden müsse, während Kulturdezernent Muchtar Al Ghusain Gottesdienste unter Hakenkreuzen als unzumutbar bezeichnete. Schließlich meldete sich die Leiterin des LVR-Amtes für Denkmalpflege im Rheinland, Andrea Pufke: Man sehe bei der Kapelle einen „gewissen Denkmalverdacht“ und habe die Klinik daher gebeten, „dass sie ihre Umgestaltungspläne langsamer angeht“.
Kritik an geplanter Neugestaltung: Ästhetik aus dem Apple-Shop
Ein Wunsch, dem man gern entspreche, wie Klinikchef Mau betont. „Es gibt überhaupt keinen Zeitdruck bei dem Projekt.“ Nur die Brandschutzsanierung habe man rasch angehen müssen, in spätestens zwei Monaten sollte sie abgeschlossen sein. Bis dahin könnten die Patienten einen „Raum der Stille“ nutzen. Ein Provisorium sei das, keine Dauerlösung: „Wir können nicht die alte Kapelle als Zeitzeugnis erhalten und eine zweite Kapelle bauen, dafür fehlen die Mittel und der Platz.“
Auch Marion Greve hatte erklärt, eine Krankenhaus-Kapelle habe „viele Funktionen, aber nicht die, als Mahnmal zu dienen“. Patienten, Besucher und Angestellte sollen hier Trost und Andacht finden, man wolle Gottesdienst, Musik und Meditation anbieten. Dafür solle der Raum lichter gestaltet, eine variable Bestuhlung geschaffen werden.
Es bekümmert Klinikchef Mau, dass eine erste Skizze der neuen Kapelle mit Häme überzogen wurde: zu steril, zu kühl, Ästhetik aus dem Apple-Shop, hieß es da. Dabei sei man von der finalen Version noch weit entfernt. Und: Die Architekten berücksichtigten die Geschichte und die sakrale Funktion des Raumes genauso wie Akustik, Lichteinfall und Raumklima. In der aufgeheizten Stimmung gehe leider unter, mit welch „hochkarätiger Architektur“ man hier rechnen dürfe.
Parallel werde der Urzustand des Raumes akribisch dokumentiert, arbeite sich Historikerin Annette Hinze-Boll durch alle Dokumente zum Bau der Kapelle. Aus ihren Erkenntnissen entstehe ein Buch, so sei es von Anfang an geplant gewesen. „Wir wollen nichts verheimlichen.“
Die Architekten-Skizze zeigte noch keine Hakenkreuze
Bleibt die Frage, ob Kirche und Klinik das Denkmalamt auch hinzugezogen hätten, wenn nicht Ende 2018 die öffentliche Diskussion über die geplante Neugestaltung aufgeflammt wäre. Bislang steht die Kapelle nicht unter Denkmalschutz, man hätte also auch Fakten schaffen können. Mau weist das zurück: Den Denkmalschützern sei die Kapelle doch bekannt gewesen, man sei im Austausch gewesen. „Wir wollten dieses Projekt nie verstecken.“
Noch immer rätsele man, wer das fragwürdige Dekor einst angeordnet habe: Bei ihrem Aktenstudium habe die Historikerin dazu keine Hinweise gefunden; auch nicht bei den Dokumenten, die sich mit der Ausmalung der verschiedenen Klinikräume befassen. „Zur Kapelle gibt es da nichts“, sagt Mau. Dass Architekt Carl Conradi die Hakenkreuze vorgesehen habe, könne man seines Erachtens ausschließen, betont Mau, und weist auf eine Conradi-Zeichnung der Kapelle, die lange im Geschäftsführungstrakt der Klinik hin: Die Decke ist dort schlicht und ohne Ornament gezeichnet.
Die Frage, in welchem Jahr die Kapelle entstand, könnte man Dank der mit der Decken-Demontage befassten Handwerker nun beantworten: Sie brachten Mau dieser Tage ein Deckenpaneel, auf dem mit blauer Kreide einige der damaligen Arbeiter unterschrieben haben: „Essen, Dezember 1936“.
Denkmalschützer haben noch nicht entschieden
Wann über die Zukunft der Kapelle entschieden wird, bleibt dagegen abzuwarten. Eine Runde mit Vertretern von Kirche, Klinik, Kulturdezernat, Museen und Denkmalamt fand bei ihrem ersten Treffen keinen Konsens. Man werde sich aber demnächst erneut zusammensetzen, sagt Mau. Der Klinikchef weiß allerdings auch, dass letztlich die Denkmalbehörden entscheiden werden, ob die Räumlichkeiten samt NS-Symbolen schützenswert sind. Zu einem solchen Votum müsse sich die Kirche als Eigentümerin verhalten. Sven Kuhrau vom LVR-Amt für Denkmalpflege befindet sich noch bei der Recherche. Wann er sein Gutachten vorlegt? „Nun, es wird nicht übermorgen fertig sein.“
Streit um Denkmalwert, Erinnerungskultur und Geschmack
In der Debatte über die Kapelle im Huyssensstift haben sich auch Nutzer gemeldet, die den Raum gern so erhalten wüssten – mit einordnenden Hinweisen zu dessen schwierigem Erbe. Klinikchef Frank Mau erwähnt dagegen Patienten, die den Raum als bedrückend und das NS-Dekor als unerträglich empfanden.
Einzelne Kritiker der geplanten Neugestaltung hatten wiederum das strahlende Weiß als zu steril bezeichnet. „Da geht es dann ums subjektive Geschmacksempfinden“, sagt Mau. Entschieden werde nun allerdings über Denkmalwert, Erinnerungskultur und die passende Anmutung eines Sakralraums. „Wir wünschen uns für Patienten, Mitarbeiter und Besucher eine unbelastete, ideologiefreie Kapelle.“