Essen-Rüttenscheid. Rüttenscheid ist ab dem 13. Juli um einen Traditionsbetrieb ärmer: Die Metzgerei Colligs schließt ihr Geschäft, behält aber ihren Partyservice.

Generationen von Kindern haben hier ihre erste Scheibe Fleischwurst auf die Hand bekommen. Schon frühmorgens halten die ersten Streifen- und Rettungswagen vor der Tür, versorgt die Metzgerei Colligs täglich dutzende Polizisten und Sanitäter mit dem ersten Frühstück.

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Wenn mittwochs und samstags direkt nebenan Rüttenscheider Markt ist, stehen die Menschen vor dem kleinen Familienbetrieb im Dohmanns Kamp oft in langen Schlangen an. Dass mit all dem am 13. Juli nach 86 Jahren Schluss sein soll, das mag die Familie selbst noch nicht wahrhaben. „Wir haben diese Entscheidung lange vor uns hergeschoben“, sagt Mark Schoppe, der den Betrieb gemeinsam mit seiner Ehefrau Ulrike in den 1990er-Jahren von seinem Stiefvater Jürgen Colligs in dritter Generation übernahm. Der Party- und Cateringservice, den die beiden aufgebaut haben, wird weitergeführt. Die Metzgerei aber schließt.

Schwere Erkrankung gab vor drei Jahren den Anstoß zum Kürzertreten

„Wir wollen die Schuld nicht den Lidls und Aldis dieser Welt geben“, sagt Ulrike Schoppe gleich zu Beginn. Vor drei Jahren erkrankte sie an Bauchspeicheldrüsenkrebs, bangte ihre Familie zeitweise um ihr Leben. Seit seine Frau die Krankheit besiegt habe, wollten die beiden kürzer treten, erklärt Mark Schoppe: „Aus Verantwortung für unsere Mitarbeiter und Familie haben wir das Geschäft aber weiter laufen lassen.“

Um es nun zukunftsfähig aufzustellen, seien Investitionen in Höhe von rund 350.000 Euro allein für das Ladenlokal zu stemmen. „Auch die Produktionsstätten entsprechen nicht mehr modernen Standards und müssten energetisch komplett überholt werden“, sagt Mark Schoppe. Da es keine Nachfolge gebe, lohne eine solcher Aufwand schlicht nicht.

Grundstein für Metzgerei wurde 1903 in Kray gelegt

Lange Tradition: Bereits seit 1933 gibt es die Metzgerei Colligs an ihrem Standort im Dohmanns Kamp.
Lange Tradition: Bereits seit 1933 gibt es die Metzgerei Colligs an ihrem Standort im Dohmanns Kamp. © Familie Colligs

Leicht haben sie sich die Entscheidung nicht gemacht. Auch Senior Jürgen Colligs bedauert das Aus, ist er schließlich in der Metzgerei groß geworden: Schon als Baby hing er im Weidenkörbchen über der Fleischtheke, hinter der seine Mutter Irma Wurst- und Fleischwaren verkaufte. Im März 1933 eröffnete sie gemeinsam mit ihrem Mann Hans Colligs den Betrieb am Dohmanns Kamp. Ihre Väter hatten für das Haus zusammengeworfen: Johann Colligs, der 1903 eine Metzgerei in Kray eröffnet hatte, und Otto Velten, dessen Fleischerhandwerk bis heute in Steele weiter geführt wird. Was folgte, waren vielen goldene Jahre für die Metzgerei: „Hier haben die Leute früher kiloweise Braten gekauft, da wurde mehr und deftiger selbst gekocht“, weiß Jürgen Colligs, der den Leberkäse auch im Ruhrgebiet salonfähig machte. Neben dieser Spezialität waren es zuletzt vor allem fertige Produkte, die gut laufen: Eintöpfe in Weckgläsern, Schnitzel und Frikadellen im Brötchen, Mittagstisch zum Mitnehmen.

Vor 40 Jahren gab es in Essen noch 480 Metzgereien – heute sind es 14

Abschiedsfest für Kunden und Freunde

Mit einem Abschiedsfest will sich die Familie Colligs am Samstag, 13. Juli, bei allen treuen Stammkunden, Freunden und Wegbegleitern bedanken. Los geht es ab 10 Uhr auf dem Innenhof der Metzgerei am Dohmanns Kamp 10. Dort werden kalte Getränke und natürlich Fleisch vom Grill serviert.

Am Standort Dohmanns Kamp soll es auch nach der Schließung weitergehen: So bleibt der Party- und Cateringservice bestehen, der Unternehmen und Privatpersonen beliefert. Was mit dem Ladenlokal passiert ist noch unklar – die Familie ist aber offen für neue Einzelhandelskonzepte.

Dabei hat sich nicht nur die Mentalität der Kunden geändert. Auch die gesetzlichen Auflage sind im Laufe der vergangenen Jahre derart verschärft worden, dass Mark Schoppe für die Zukunft des Metzgerei-Handwerks schwarz sieht. „Für jedes Schneidebrettchen, jedes Messer muss eine Liste geführt werden, wann was und womit gereinigt wurde. Die Dokumentationspflichten sind für kleine Betriebe kaum zu stemmen.“ Die Branche schrumpft: Waren vor 40 Jahren allein in Essen noch rund 480 Fleischereibetriebe gemeldet, so sind es mittlerweile nur noch 14.

Wenn Mark Schoppe die Glastüren zum Laden am 13. Juli ein letztes Mal abschließt, dann bleibe aber vor allem eines: „Dankbarkeit“, sagt er und Jürgen Colligs ergänzt: „Wir haben so viele tolle Stammkunden, die uns über all die Jahre treu geblieben sind. Dafür wollen wir uns bedanken.“